Angefangen hat es damit, dass Suba (25) keine Hormone mehr nehmen wollte. Also setzte sie die Pille ab. Doch anstatt weniger Nebenwirkungen zu spüren und ausgeglichener zu sein, wie sie gehofft hatte, ging es ihr plötzlich schlechter. Innert weniger Wochen nahm die junge Frau zehn Kilogramm zu. Plötzlich litt Suba an vermehrtem Haarwuchs an Körperstellen, an denen Frauen normalerweise keinen haben. Und schliesslich musste sie ihr Studium wegen starker Konzentrationsschwierigkeiten unterbrechen.
Ihre Konzentrationsfähigkeit liess so sehr nach, dass die Worte, die im Lehrbuch standen, keinen Sinn mehr für Suba ergaben. Egal, wie oft sie die Textpassage las.
«Irgendwann war ich innerlich taub», erzählt Suba. «Ich fühlte mich, als hätte ich mich von meinem Körper getrennt.» Der Besuch bei der Frauenärztin brachte keine Klarheit. Obwohl Suba mit dem Verdacht auf die Hormonstörung Polyzystisches Ovarialsyndrom – kurz PCOS – zur Gynäkologin ging, konnte diese sie nicht diagnostizieren. Denn dafür hätte die Gynäkologin Subas Blut innerhalb der ersten fünf Tage des Zyklus abnehmen müssen.
Die 23-jährige Gianna hatte mehr Glück: Schon beim ersten Besuch ihrer Frauenärztin kam der Verdacht auf PCOS auf. Mit der Erkrankung ist sie nicht alleine: Zwischen 6 und 18 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter sind von der Hormonstörung betroffen. Laut Dr. med. Mareike Roth-Hochreutener, PCOS-Spezialistin am Universitätsspital Zürich, könnte die Dunkelziffer sogar noch höher sein.
Für Gianna war die Diagnose eine Erleichterung: Ein gewisses «Anderssein», das sie im Vergleich mit anderen jungen Frauen stets verspürt hatte, hatte jetzt einen Namen. Wegen ihrer tieferen Stimme und ihrem starken Haarwuchs im Gesicht hatte sie in der Schulzeit Sticheleien wie die folgenden zu hören bekommen:
Nebst einem Leidensdruck wegen stärkerer Körperbehaarung, Übergewicht und Akne kann ein unbehandeltes PCOS schwerwiegende Spätfolgen haben: Das Risiko für Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus oder Bluthochdruck, sowie psychische Erkrankungen wie Depression steigt. Auch die Wahrscheinlichkeit, an Gebärmutterkrebs zu erkranken, ist bei PCOS-Betroffenen erhöht.
Die meisten Frauen bekommen ihre PCOS-Diagnose dann, wenn sie Schwierigkeiten haben, schwanger zu werden. PCOS geht einher mit Zyklusstörungen und dem Ausbleiben des Eisprungs. Das erschwert eine Schwangerschaft. Gemäss PCOS-Spezialistin Mareike Roth-Hochreutener können Frauen mit PCOS aber genauso gut schwanger werden wie gesunde Frauen – vorausgesetzt, sie begeben sich frühzeitig in Behandlung und wissen um ihre Erkrankung. Es gebe viele medikamentöse und weitere Therapien, die eine Schwangerschaft auch mit der Hormonstörung möglich machen.
Für Suba und Gianna ist klar, dass sich eine Diagnose schon viel früher lohnt. Sie beide konnten beispielsweise den übermässigen Haarwuchs mit Laserbehandlungen bekämpfen. Wie die PCOS-Spezialistin Mareike Roth- Hochreutener sagt, bieten sich Therapien aus verschiedenen Fachrichtungen wie der Reproduktionsmedizin, der Dermatologie und aus dem Fachbereich von Übergewichts-Spezialisten an, um die Symptome des PCOS zu verbessern.
Suba nimmt inzwischen wieder die Hormonpille – seither haben sich ihre Symptome grösstenteils verbessert. Im Video-Interview erzählen sie und Gianna ihren langen Weg bis zur Diagnose, mit welchen Stigmatisierungen sie zu kämpfen haben und was sie anderen Betroffenen mit auf den Weg geben möchten.
Vielen lieben Dank Hanna, dass du mir die Plattform gegeben hast, um über dieses wichtige Thema zu sprechen!
Ich möchte noch ergänzen: Das vermehrte Haarwachstum war zwar ein belastendes Symptom, aber am herausforderndsten waren für mich die Folgeerkrankungen des PCOS – insbesondere die Schilddrüsenunterfunktion und die Insulinresistenz. Diese haben meinen Alltag am meisten beeinflusst und waren schwerer zu bewältigen.