Eine Marktöffnung der Schweizer Landwirtschaft - zum Beispiel im Rahmen des Freihandelsabkommens TTIP - wäre zwar eine grosse Herausforderung, aber keine Existenzbedrohung für die Schweizer Bauern. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, die von der Interessengemeinschaft Agrarstandort Schweiz (IGAS) zusammen mit Economiesuisse, Nestlé und Migros in Auftrag gegeben wurde.
Die Studie beschäftigt sich vor allem mit den Auswirkungen des Transatlantischen Freihandelsabkommens (TTIP) auf die Schweiz. Dieses wird seit 2013 zwischen den USA und der EU verhandelt und sieht den Abbau fast aller Zölle und anderer Handelshemmnisse vor. Die Schweiz steht dabei vorerst an der Seitenlinie. Ein Beitritt ist für den Bundesrat aber eine Option.
Bliebe die Schweiz «bei einer umfassenden Marktöffnung abseits», wären insbesondere der Käsemarkt und die Nahrungsmittelindustrie benachteiligt, teilte IGAS am Dienstag mit. Das wiederum würde sich negativ auf die Schweizer Landwirtschaft auswirken. Der Status quo sei deshalb keine Alternative.
Die Autoren der Studie - der ehemalige stellvertretende Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft, Jacques Chavaz, und der Dozent an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL), Martin Pidoux - rechnen im Fall eines Beitritts der Schweiz zum TTIP zwar mit mehr Importen von Getreide und Fleisch aus der EU.
Ausserdem sänken die Preise für die Schweizer Produzenten von Landwirtschaftsprodukten. Doch davon könnten die Konsumenten profitieren. Und weil die Schweiz bei einer TTIP-Mitgliedschaft gemäss der Studie vor allem auch mehr Milchprodukte exportieren könnte, nähme die Produktion im Gesamtsektor «nur moderat» ab.
Dazu komme, dass die Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz bereit seien, für ökologisch hergestellte Schweizer Qualitätsprodukte etwas mehr zu bezahlen. Die Experten seien deshalb überzeugt, dass sich die Schweiz auch auf den neuen Märkten gut positionieren und vermarkten könnte. Ihre «Wohlfahrtsanalyse» komme deshalb zum Schluss, dass ein TTIP-Beitritt der Schweizer Volkswirtschaft «den grössten Gesamtnutzen» bringen würde.
Mit der «Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft» (TTIP) soll der weltgrösste Wirtschaftsraum mit rund 800 Millionen Konsumenten entstehen. In den Augen der Gegner bedroht das Abkommen aber Demokratie, Umweltschutz, Arbeitnehmerschutz, Datenschutz oder den Service public.
Über ein Dutzend Organisationen in der Schweiz - unter ihnen SP, Grüne, der Gewerkschaftsbund oder die Gewerkschaft VPOD - haben sich deshalb zu einem Bündnis «Gemeinsam gegen TTIP, TISA & Co.» zusammengeschlossen.
In einer Reaktion auf die Studie schrieb die Schweizerische Vereinigung für einen starken Agrar- und Lebensmittelsektor (SALS), die Liberalisierung des Agrarsektors diene nicht dem Interesse der Schweizer Konsumenten, sondern erhöhe nur die Gewinne der Grossverteiler und der internationalen Lebensmittelhändler.
Auch für die Schweizer Landwirtschaft biete sie keine Lösung. Denn trotz einer zunehmenden Öffnung der Märkte seien die Preise für landwirtschaftliche Produkte in den letzten zehn Jahren um 25 Prozent zurückgegangen, die Konsumenten hingegen bezahlten für die Lebensmittel zehn Prozent mehr.
(sda)