Nanotechnologie statt Natur: Japan verwandelt Blumeninsel in globales Chipzentrum
Hokkaido ist nicht nur bekannt für Kürbis. Die farbenprächtigen Blumenfelder vor schneebedeckten Bergspitzen dienen als Kulisse vieler japanischen Filme.
Das Leben auf der zweitgrössten Insel Japans sieht hingegen weniger romantisch aus: Die junge Bevölkerung zieht es nach Tokio oder in andere Wirtschaftszentren – auf der Suche nach besseren Gehältern ausserhalb der Landwirtschaft, Fischerei und dem Tourismus.
Doch schon bald soll die Blumeninsel technologisch aufblühen. Überall auf der Insel ragen Kräne in den Himmel, die Fabriken, Forschungszentren und Universitäten mit Schwerpunkt auf Technologie errichten. Das Ziel? Die Insel soll in ein globales Zentrum für Halbleiter verwandelt werden.
Geopolitische Absicherung
Die Produktion von Chips im eigenen Land wird immer mehr als nationale Sicherheitspriorität angesehen, vor allem angesichts der geopolitischen Spannungen zwischen China und Taiwan. Hinzu kommt, dass die Nachfrage nach Chips immer weiter wächst, angetrieben durch die Digitalisierung, den Boom bei künstlicher Intelligenz und die fortschreitende Automatisierung.
Bis 2030 könnte die Halbleiterbranche einen Umsatz von 1 Billion US-Dollar erreichen. Das entspricht einem jährlichen Wachstum von etwa sechs Prozent, wie das Beratungsunternehmen Deloitte in einem Bericht schätzt.
Im Zentrum der Initiative steht das japanische Halbleiterhersteller-Unternehmen Rapidus, das von der Regierung mit Subventionen in Milliardenhöhe gefördert und auch von Konzernen wie Toyota, SoftBank und Sony unterstützt wird.
Das Ziel ist ehrgeizig: Rapidus will als weltweit erstes Unternehmen den 2-nm-Mikrochip – auch KI-Chip genannt – in Massen produzieren, da er für zukünftige KI-Anwendungen besonders wichtig ist. Aktuell dominiert Taiwan den weltweiten Markt. Rund 60 Prozent aller Mikrochips stammen von dem kleinen Inselstaat.
Japan treibt Aufholjagd mit Milliarden voran
Der Standort im Naturparadies für Wanderer und Skifahrer wurde bewusst gewählt: Anders als in Grossstädten wie Tokio oder Osaka bietet Hokkaido eine geringere Erdbebengefahr. Und es gibt genügend Platz für ein Werk in dieser Grössenordnung: Das Gelände ist grösser als das 46 Hektar grosse Disneyland in Tokyo, das Gebäude übertrifft den 56 Meter hohen Tokyo Dome, und für den Bau wird mehr Stahl verwendet als für den Tokyo Skytree – über 36'000 Tonnen.
Die kommerzielle Halbleiterproduktion soll 2027 beginnen. Gelingt es Japan, Hokkaido zu einem «Silicon Valley» – oder besser gesagt einem «Hokkaido Valley» – zu machen, könnte das Land zu einem neuen Mitspieler im 600-Milliarden-Dollar-Wettlauf um die weltweite Chipversorgung werden.
