Der französische Versicherungskonzern Axa und die Grossbank BNP Paribas loten seit August offiziell die Möglichkeiten einer Zusammenlegung der Asset-Management-Aktivitäten aus. Europas führender Geldverwalter Amundi aus Frankreich und Allianz Global Investors, die Asset-Management-Sparte des Münchner Versicherungsriesen, haben in den vergangenen Monaten ebenfalls entsprechende Gespräche geführt, diese vorerst aber unterbrochen.
Plausibel, wenn auch nicht bestätigt, sind schliesslich auch aktuelle Medienberichte, nach denen der italienische Assekuranzriese Generali eine Verbindung mit Natixis, dem Fondsverwalter des französischen Regionalbankenkonzerns BPCE suche. Auch die Zurich wäre auf diesem Heiratsmarkt vermutlich ziemlich aktiv, wenn sie ihren Asset Manager Scudder nicht schon vor 22 Jahren in einer existenziellen Krise hätte verkaufen müssen.
Konsolidierungswellen entstehen in der globalen Asset-Management-Industrie seit vielen Jahren in einigermassen regelmässigen Abständen. Hinter dem Konzentrationsprozess wirken Kräfte, die einer schon fast erschreckend zwingenden ökonomischen Logik folgen.
Seit den 1970er-Jahren, als das Weltwährungssystem Bretton Woods begraben wurde und die Entfesselung der Finanzmärkte ihren Anfang nahm, sind die Vermögenserträge in Relation zur Wirtschaftsleistung in den meisten Industrieländern stark gestiegen. So stark gar, dass selbst in den hiesigen Breitengraden die soziale Verteilungsfrage wieder zu einem Topthema der Wirtschaftswissenschaften werden konnte.
Die hohen Finanzmarktrenditen mögen zwar ein Grund dafür sein, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich in vielen westlichen Industrieländern über die Jahrzehnte wieder stärker geöffnet hat. Doch haben die hohen Finanzmarktrenditen auch die kleineren Ersparnisse aller Bevölkerungsschichten stark anschwellen lassen und der Asset-Management-Industrie jenen Boom beschert, der jetzt auch ihre Konsolidierung befeuert.
In der Schweiz, wo das Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge seit 1985 für alle Arbeitnehmenden ab einem bestimmten Arbeitspensum gilt, hat das zwangsweise angesparte Alterskapital Ende 2023 die Summe von 1200 Milliarden Franken erreicht. Deren Zuwachs beträgt seit der Jahrtausendwende eindrückliche 160 Prozent. Vor dem Hintergrund dieser Performance verblasst sogar das starke Wirtschaftswachstum, das der Schweiz in den vergangenen 23 Jahren immerhin eine Verdoppelung des Bruttoinlandproduktes auf über 800 Milliarden Franken gebracht hatte.
Eine Fortsetzung dieser Entwicklung ist zu erwarten. Nach einem kleinen Rücksetzer im Jahr 2022, wie er durch die Vermögenspreiseffekte des globalen Zinsanstieges bewirkt worden war, sind schon im Jahr darauf die von den Asset Managern weltweit verwalteten Vermögen wieder um 12 Prozent auf nahezu 120 Billionen Dollar hochgeschnellt. Das kräftige Volumenwachstum verleiht der Branche ein fast schon jugendlich-dynamisches Ansehen.
Tatsächlich ist die Industrie aber längst in die Jahre gekommen und sie lässt bei genauerer Betrachtung jene Charakteristika erkennen, wie man sie früher oder später bei jeder reifen Industrie diagnostizieren kann: Ein hoher Preisdruck führt dazu, dass das Volumenwachstum nur noch ein stark unterproportionales Ertragswachstum zulässt. Der Wettbewerb zwingt zu hohen Investitionen und lässt die Gewinne erodieren.
Aufgerieben wird in diesem Prozess wie immer das mittlere Marktsegment. Im Fall der Asset-Management-Industrie sind das die aktiven Vermögensverwalter, die sich um den Mittelpunkt der Risiko-Ertrags-Kurve gruppieren. Zu dieser Gruppe gehören Asset Manager wie die UBS mit ihrem grossen Spektrum an Anlagefonds. UBS liegt nach einer inoffiziellen Statistik der Branchenpublikation TAI mit einem verwalteten Fonds- und Pensionskassenvermögen von 1,9 Billionen Dollar (Ende 2023) an zehnter Stelle der weltweit grössten institutionellen Geldverwalter.
Weiter links auf der Risiko-Ertrags-Kurve versammeln sich die Anbieter massentauglicher und superbilliger Indexfonds- und ETF-Anbieter à la Blackrock und Vanguard. Am rechten äusseren Rand findet man spezialisierte Manager, die vergleichsweise hochpreisige alternative Anlagen mit überdurchschnittlich hohen Renditeerwartungen feilbieten, unter ihnen auch die Zuger Partners Group.
Eine aktuelle Branchenstudie der Boston Consulting Group (BCG) zeigt eindrücklich, wie sich der Anteil passiv verwalteter Anlagen von 10 Prozent am globalen Volumen im Jahr 2005 auf 20 Prozent im Jahr 2023 verdoppelt hat. Die Manager von passiv verwalteten Anlagen bilden Indizes ab und setzen keine eigenen anlagestrategischen Akzente.
Ähnlich stark gewachsen wie dieses Segment sind auch die alternativen Anlageklassen. Dazu gehören Privatmarktanlagen, wie sie unter anderem von Partners Group angeboten werden, aber auch Hedge-Fonds und andere Anlageformen, die sich gegen die Zyklen der herkömmlichen Finanzmärkte zu behaupten versuchen. Alternative Anlagen haben sich gemäss der BCG-Studie bereits einen Anteil von 20 Prozent am Vermögensvolumen und sogar schon von 57 Prozent am Ertragsvolumen des ganzen Asset-Management-Marktes erkämpft.
Die dieser Entwicklung zugrunde liegende Spezialisierung führt dazu, dass natürliche Wettbewerbsvorteile, wie sie die Assekuranz mit ihren grossen Kapitalanlagen oder die Banken mit ihrer Distributionskraft im Privatkundensegment besitzen, nicht mehr ausreichen, um im globalen Asset Management konkurrenzfähig zu bleiben.
Die ETF-Weltmeisterin Blackrock und der Private-Equity-Weltmeister Blackstone, die eigentlich eineiige Zwillinge sind, ab 1994 aber getrennte Wege gingen, sind der sichtbare Ausdruck eines Konzentrationsprozesses, dessen Überwachung man in anderen Industriezweigen vielleicht allein den Kartellbehörden überlassen könnte.
Die Konzentration der Asset-Management-Branche birgt aber nicht nur das Risiko, dass sich das Qualitäts- und Preisniveau für die Konsumenten bei einer anhaltenden Konsolidierung verschlechtern könnte. Vielmehr birgt die Konzentration auch ein beträchtliches Risikopotenzial für die Finanzstabilität. Wir erinnern uns: Es waren die Geldmarktfonds, die in der letzten Finanzkrise als Brandbeschleuniger wirkten. Im Unterschied zur Krise der 1930er-Jahre, als die Sparer die Schalter der Banken selber stürmten, taten dies 2007 die Asset-Manager – quasi im treuhänderischen Auftrag aller Sparer.
Auch die Credit-Suisse-Krise zeigte zwischen Herbst 2022 und Frühjahr 2023 mit aller Deutlichkeit: Kommt es unter grossen Geldverwaltern zu einer kollektiven Absetzbewegung, sind Einlagensicherungssysteme und andere traditionelle Schutzvorkehrungen über Nacht nichts mehr wert. So werden Notenbanken gezwungen, in ihrer Rolle als «lender of last resort» (also Geldgeber der letzten Instanz) immer tiefer ins Risiko zu gehen, was in der Credit-Suisse-Krise ebenfalls sehr deutlich sichtbar wurde. Das ist eine dunkle Seite der Asset-Management-Industrie, über die wir dringend mehr wissen sollten.
Bei anderen Anlagevehikel (Zertifikate, andere Derivate) sieht das selbstverständlich anders aus... aber Otto Normalo sollte sich eh an ETF und Aktien halten.