Auf dem Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) ruhen immense Erwartungen. Dem Dokument, das dem Vernehmen nach mit einem Umfang von 500 Seiten noch vor Weihnachten veröffentlicht werden soll, blickt mit grosser Spannung auch eine besondere Gruppe von Credit-Suisse-Verlierern entgegen.
Die Rede ist von jenen Gläubigern, deren Anleihen die gescheiterte Bank an jenem denkwürdigen Sonntag, den 19. März 2023, vollständig abgeschrieben hatte. Sie hatte auf Geheiss der Finanzmarktaufsicht (Finma) gehandelt, die sich ihrerseits auf eine geheime, am selben Tag vom Bundesrat erlassene Notverordnung stützte.
Auf 16 Milliarden Franken beläuft sich das Kapital, das die Credit Suisse mit Hilfe von diesen Additional-Tier-1-Bonds oder kurz AT1-Anleihen eingesammelt und am Ende mit einem Tintenstrich wertlos gemacht hat.
Rund 2500 Geschädigte haben in der 30-tägigen Frist nach Besiegelung der Übernahme beim Bundesverwaltungsgericht in St.Gallen Einsprache erhoben. Gut 1000 von ihnen lassen ihre Interessen von der internationalen Anwaltskanzlei Quinn Emanuel Urquart & Sullivan vertreten. Hauptverantwortlich für die Klagen der CS-Geschädigten ist der Schweizer Rechtsanwalt Thomas Werlen.
Der Standpunkt der Kläger ist hinlänglich bekannt: Sie bestreiten die Rechtmässigkeit der Abschreibung mit dem Argument, die dafür nötigen Bedingungen, wie sie in den Emissionsprospekten der AT1-Anleihen stipuliert sind, seien am 19. März 2023 nicht erfüllt gewesen. Das von der Credit Suisse ausgewiesene und von den Behörden bis zuletzt bestätigte Eigenkapital sei nie unter die kritische Schwelle gefallen, unter der es zu der vertraglich vereinbarten Abschreibung der Anleihen kommt. Auch habe die Credit Suisse nach der Nationalbank-Injektion von 50 Milliarden Franken am 15. März 2023 über ausreichend Liquidität verfügt.
Die Kläger verlangen deshalb die Aufhebung der Finma-Verfügung vom 19. März. Die Finma betonte ihrerseits, die staatliche Unterstützung der Credit Suisse habe die vollständige Abschreibung der AT1-Anleihen nötig gemacht und eine Stärkung des Kernkapitals der Bank bewirkt. Die Argumente der Streitparteien mögen in den Ohren juristischer Laien nach Spitzfindigkeiten klingen. Schliesslich war in jenen Märztagen auf dem Schweizer Finanzplatz die Hölle los, und niemand wird bestreiten, dass ganze Heerscharen von verängstigten Credit-Suisse-Kunden ihre Konti auflösten, um das Geld bei einer anderen Bank in Sicherheit zu bringen.
Doch eine Vertrauenskrise, wie sie Finanzministerin Karin Keller-Suter zurecht diagnostizierte, ist eben nicht zwingend ein «Trigger-Event», ein vertraglich definiertes Ereignis, unter dem die Abschreibungsklausel im Emissionsprospekt zum Zug kommt. Im Verfahren am Bundesverwaltungsgericht herrscht gerade Pause. Die Antwort von Finma und UBS auf die Beschwerde liegt beim Gericht und wartet schon seit geraumer Zeit auf die Weiterleitung an die Beschwerdeführer.
Darin dürfte die Finma die von den Klägern bestrittene Verfügung mit dem öffentlichen Interesse verteidigen. Tatsächlich waren die Finanzwelt und die Finanzminister vieler grosser Länder damals in heller Aufregung. Ein unkontrollierter Untergang der Credit Suisse hätte das Vertrauen der Kunden anderer Banken in Mitleidenschaft ziehen und eine neue Finanzkrise auslösen können, lautete die Befürchtung. Im Bundeshaus gingen besorgte Anrufe aus Washington, Paris, London, Berlin und wohl noch aus vielen anderen Finanzministerien ein. Eine Übernahme durch die UBS, welche geeignet war, die Panik über Nacht zu beenden, war offenbar für alle der präferierte Weg.
Zwar behaupten die Kläger, die Übernahme sei mit Blick auf die Kapital- und Liquiditätsposition der CS nicht nötig gewesen. Sollte das Bundesverwaltungsgericht aber dennoch zum Schluss kommen, dass die Finma-Verfügung nötig und rechtens war, seien die Gläubiger für ihre staatlich verordnete Enteignung zu entschädigen, lautet die Eventualforderung in der Beschwerde.
Eine solche Enteignungsklage führen Werlen und seine Kanzlei seit Juni des laufenden Jahres auch in New York. Am Dienstag wurde bekannt, dass der grosse US-Vermögensverwalter Alliance Bernstein auf die Klage aufgesprungen ist und eine Entschädigung von 225 Millionen Dollar fordert. Es ist wahrscheinlich, dass dieser prominente Name in der Klägerschaft nun weitere bekannte Adressen zum Mitmachen motiviert.
Das im Rahmen der diversen Bankenskandale der vergangenen zwanzig Jahre hierzulande gut bekannt gewordene District Court for the Southern District of New York wird im kommenden Jahr entscheiden müssen, ob es überhaupt eine Klage gegen die Eidgenossenschaft annehmen will. Unter dem Foreign Sovereign Immunities Act geniesst die Schweiz im Prinzip Immunität gegen private Zivilklagen. Es sei denn, das Land bietet Hand zu einem Geschäft mit rein kommerziellem Hintergrund, das die Eigentumsrechte amerikanischer Bürger einschränkt. Die Kanzlei Quinn Emanuel Urquart & Sullivan argumentiert, die Schweiz habe bei der Übernahme der Credit Suisse «faktisch die Rolle einer Investmentbank» eingenommen und den Deal eingefädelt. Das Argument klingt abenteuerlich, aber die Schweiz nimmt es offensichtlich ernst genug, um in New York ihrerseits eine renommierte Anwaltskanzlei zu mandatieren.
Heikel könnte es für die Schweiz bereits werden, wenn sich das Gericht in Manhattan nur schon dem Fall annehmen würde. Dann könnten die Richter die Herausgabe jener Akten verlangen, die der Bundesrat in einem Passus der Notverordnung unter anderem mit Verweis auf die Risiken im Zusammenhang mit «der Vielzahl von Haftungsansprüchen in Milliardenhöhe» zur strikten Geheimsache erklärt hatte.
Der Schweizer Datenschützer Adrian Lobsiger hatte zwar empfohlen, einen Teil dieser Dokumente nach Publikation des PUK-Berichts offenzulegen. Ein rasches Vorgehen erscheint aber unwahrscheinlich. Vielleicht gibt der PUK-Bericht einen kleinen Einblick in die Geheimnisse, die für einige Investoren einen erheblichen Geldwert besitzen.
Sollte es nicht viel mehr das Anliegen ALLER sein, dass solche Untersuchungen gemacht werden und hoffentlich ein Teil der Wahrheit ans Licht bringen?
Heute mag man nicht beteiligt sein, aber wer weiss, es kann morgen Situationen bringen, bei denen man beteiligt ist und darum froh sein könnte, dass man frühzeitig reagiert.