Peter Thiel hat zusammen mit Elon Musk PayPal entwickelt und ist sehr früh bei Facebook eingestiegen. Heute ist er einer der wenigen Silicon-Unternehmer, die Trump unterstützt haben.
Thiel ist auch ein erklärter Befürworter von Monopolen. In einem legendären Essay im «Wall Street Journal» schrieb er einst unter dem Titel «Wettbewerb ist für Verlierer»: «Die Amerikaner verklären den Wettbewerb. Tatsächlich sind Kapitalismus und Wettbewerb Feinde.»
Der Wettbewerb, so Thiel, führe keineswegs zu starken Unternehmen, welche die Bedürfnisse der Kunden am besten erfüllen können. Im Gegenteil, er führe zu Firmen, die zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben haben, die ihre Mitarbeiter schlecht bezahlen und lausige Produkte herstellen.
Monopole hingegen, so Thiel weiter, hätten genügend Geld für Forschung, könnten ihre Mitarbeiter anständig bezahlen und erstklassige Produkte herstellen.
Als herausragendes Beispiel eines solchen Monopols nennt Thiel Google. Er rühmt das Unternehmen in den höchsten Tönen und begründet dies wie folgt: «Monopolisten können es sich leisten, sich Gedanken über andere Dinge als Geld zu machen; Nicht-Monopolisten können das nicht. Nur etwas ermöglicht es einer Firma, sich über den brutalen täglichen Wettbewerb zu erheben: Monopolprofite.»
Thiels These ist geprägt von den Ökonomen der «Österreicher» (Ludwig von Mises, Friedrich Hayek) und der Chicago School (Milton Friedman). Sie alle setzen sich zwar vehement für den freien Markt ein, haben jedoch erstaunliche Beisshemmungen, wenn es um die Monopol-Frage geht. Unternehmen erreichen eine Monopolstellung, weil sie effizienter sind als ihre Konkurrenz, so die Logik dahinter. Sie zu zerschlagen, hiesse damit, sie für ihren Erfolg zu bestrafen.
Selbst wenn es um traditionelle Unternehmen geht, steht diese Logik auf wackligen Füssen. In der aktuellen Diskussion um die Zensur, die Twitter & Co. ausüben, ist sie total überholt. Francis Fukuyama, Barak Richman und Ashish Goel stellen in einem Essay in «Foreign Affairs» daher fest:
Spätestens seit Twitter Donald Trump lebenslänglich gesperrt hat und wir wissen, welch entscheidende Rolle Facebook beim Sturm auf das Kapitol gespielt hat, ist die Monopol-Frage von Big Tech eine höchst brisante politische Frage geworden. Dabei werden sämtliche traditionellen Trennlinien über den Haufen geworfen.
Bisher waren es primär progressive Politiker wie Senatorin Elizabeth Warren und linke Vordenker wie Jaron Lanier, welche mit Vehemenz die Zerschlagung des Big-Tech-Monopols gefordert haben. Neuerdings sind es die Konservativen, die Zeter und Mordio schreien. Fox News hat den Kampf gegen Twitter, Google & Co. zu einem heiligen Krieg erklärt.
Hierzulande toben die Köppels und Somms gegen eine Zensur. Dumm für sie, dass diese Zensur nicht von Sozialisten ausgeübt wird, sondern von privaten Aktiengesellschaften, von den von Thiel glorifizierten Monopolisten. Der Zensor ist, um es auf den Punkt zu bringen, nicht der Staat, sondern der freie Markt.
Das ändert nichts daran, dass das Vorgehen von Big Tech mehr als problematisch ist. Selbst besonnene Politiker wie Angela Merkel heben besorgt die Augenbrauen. Twitter-CEO Jack Dorsey hat sein Unbehagen gar öffentlich kundgetan.
Obwohl das Unbehagen über die Zensur von Big Tech sich durch alle politischen Lager zieht, ist eine rasche Lösung des Problems wenig wahrscheinlich. Die neuen Tech-Monopole zu knacken, ist extrem knifflig. Fukuyama/Richman/Goel stellten fest: «Weder die Vereinigten Staaten noch die EU können Facebook und Google zerschlagen, wie sie es einst mit Standard Oil oder AT&T getan haben.»
Ein Öl- oder Telefon-Monopol von gestern lässt sich nicht mit den Big-Tech-Monopolen von heute vergleichen. Dafür gibt es zwei einleuchtende Gründe: Wegen des Netzwerk-Effekts ist es tatsächlich wünschenswert, dass solche monopolartige Gebilde entstehen. Je mehr Teilnehmer, desto besser.
Wegen dieses Netzwerk-Effekts entstehen die Tech-Monopole zudem rasend schnell. Selbst wenn man beispielsweise Facebook zerschlagen würde, könnte ein Baby-Facebook fast über Nacht dessen Stellung einnehmen und neuer Monopolist werden. Wettbewerbshüter und Monopolisten wären in einen endlosen Kampf verwickelt.
Muss daher der Staat eingreifen, wie dies etwa Angela Merkel fordert? Auch dies ist mehr als zweifelhaft. Anders als in den USA gibt es in Europa – und auch in der Schweiz – Gesetze gegen Rassismus und Hetze. Doch eine staatliche Zensur hat einen mehr als schalen Nachgeschmack.
Anupam Chander, Professor an der Georgetown University in Washington, erklärt dazu in der «Financial Times»: «Es ist problematisch, wenn Jack Dorsey darüber entscheiden kann, ob Donald Trump bleiben darf oder nicht. Es ist jedoch noch problematischer, wenn ein Richter diese Entscheidung fällen kann.»
Eine rasche Lösung des Zensur-Problems ist daher nicht in Sicht. Fukuyama/Richman/Goel schlagen eine Art Mittelsmann vor, der Fake News und Hetze transparent machen und so entschärfen soll. Wie dies allerdings in der Praxis aussehen soll, ist – vornehm ausgedrückt – noch sehr schwammig.
Gleichzeitig ist die Situation, wie sie heute ist, für alle Seiten unbefriedigend, auch für Big Tech. Eric Goldman, Rechtsprofessor an der Santa Clara University, erklärt dazu: «Twitter befindet sich in einer No-Win-Situation. Sie werden niemals das Vertrauen der ganzen Welt gewinnen, denn die Welt wird von ihnen sehr unterschiedliche Dinge verlangen.»
Medien und Journalisten sind genauso mitschuldig und multiplizieren die Reichweite von Trumps Twitter-Account, indem sie aus Klickgeilheit alles ungefiltert weiterposaunen.
Aber dann mit dem Finger auf die bösen Social Media zeigen, ist schon recht huechlerisch.
Wenn wir uns hier über Whatsapp empören, braucht es einen kulturellen Wandel und nicht die Flucht zu Signal -- welches wiederum auch dem Patriot Act unterstellt ist.
Beim Beispiel Raiffeisen kann man hier lokal etwas tun: sich beschweren.