Herr Brand, die SVP hat Mühe, ihre Basis bezüglich Ecopop im Zaum zu halten. Laut «20 Minuten» würden heute 53 Prozent aller Stimmbürger dafür stimmen.
Heinz Brand: Mühe würde ich nicht sagen, aber es wird hier und dort knapp, das stimmt.
Halten die Leute die Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) im Grunde für ein bisschen zu zaudrig? Zu wenig radikal? Hätte man von Anfang an mit mehr Schneid einfahren müssen in der Zuwanderungsfrage?
Es ist zweifellos so, dass Ecopop an der Basis unserer Partei grosse Sympathien hat. Aber sicher nicht, weil die MEI, so wie von der SVP vorgelegt, zu schwächlich wäre. Doch man kann die Sympathien für Ecopop niemandem verargen, wenn man sieht, dass es in Sachen Umsetzung MEI nicht erkennbar vorwärtsgeht. Wenn man da ständig blockiert, dann denken halt die MEI-Befürworter vom 9. Februar: Also gut, setzen wir halt doch fixe Zuwanderungszahlen in der Verfassung fest, auch wenn diese schwer zu erreichen sind.
Das ist einstudierter Anti-Classe-Politique-Sprech der SVP. Der Bundesrat kann doch gar nicht «vorwärts» machen mit MEI-Verhandlungen, solange über Ecopop keine Klarheit herrscht.
Das stimmt nur bedingt, aber ich glaube, die Leute haben einfach den Eindruck, dass der Bundesrat und die Verwaltung die MEI verschleppen, verwässern oder in Brüssel scheitern lassen wollen.
Teilen Sie diesen Eindruck?
Zumindest argumentativ, ja, und weshalb es nun mehr als sieben Monate bis zur Formulierung des Verhandlungsmandates gebraucht hat, ist auch nicht ohne weiteres nachvollziehbar.
Also, was stimmt denn jetzt? Dass der Bundesrat die Verhandlungen gezielt sabotieren will, wie die SVP-Hardliner monieren, oder dass er begrüssenswerterweise die Vorstellungen der SVP zur MEI-Umsetzung weitgehend übernommen hat, wie es Ihr Generalsekretariat stolz in seinen Newslettern kommuniziert?
Was das Generalsekretariat kommuniziert, das weiss ich nicht im Detail, aber es ist sicher eher so, dass der Bundesrat sich in seinem Umsetzungskonzept zur MEI stark an demjenigen der SVP orientiert. Aber das sage ich, weil ich die Materie ein wenig kenne und bei der Ausarbeitung des SVP-Konzepts ja mitgearbeitet habe.
Also ist eine angeblich wässrige Umsetzung der MEI kein guter Grund für Ecopop zu stimmen. Wollen Sie Ihren Wählern an dieser Stelle nochmals sagen, warum man es ausserdem lassen sollte?
Wenn Sie mich bitten, gerne: Beide Teile der zweigeteilten Ecopop-Initiative sind schlecht und nicht zielführend. Einerseits ist es unrealistisch, aus der Schweiz heraus eine globale Empfängnisverhütungs- und Familienplanungsstrategie für Drittweltländer zu implementieren. Das ist unrealistisch.
Und andererseits?
Andererseits ist die Fixierung von gültigen Höchstzahlen der Zuwanderung in der Verfassung nicht gescheit. Die Höchstgrenze ist zu niedrig und nicht mehr anpassbar. Wenn wir das als tauglichen Vorschlag beurteilen würden, hätten wir ja selbst in der MEI Höchstzahlen festlegen können.
Welches Resultat wünschen Sie sich für Ecopop? Volksmehr und Stände-Nein, um maximalen Druck auf den Bundesrat aufrechtzuerhalten?
Nein. Wenn eine Initiative so schlecht und schädlich ist wie Ecopop, dann wünschte ich mir sowohl eine Ablehnung durch die Stände wie auch beim Volk. Ich wünsche mir dennoch eine hohe Zustimmung zu Ecopop. Und zwar einzig und alleine darum, um den MEI-Gegnern zu zeigen, dass das Ergebnis vom 9. Februar kein Zufallsergebnis war, sondern dass die Schweizer Bevölkerung tatsächlich auf eine Lösung der Zuwanderungsproblematik drängt. Und zwar auf eine schnelle Lösung.
Wenn es schiefgeht und Ecopop angenommen wird, dann muss die SVP die Verantwortung übernehmen. Da ist Ihnen schon klar?
Warum? Sowohl die Parteileitung als auch die Fraktion haben sich von Ecopop klar distanziert. Ich werde mich auch persönlich, wie viele andere Parlamentarier in den Parolenfassungen, in Leserbriefen und auf Podien gegen die Ecopop-Initiative einsetzen.
Das wird aber vielleicht nichts nützen.
Warum? Das sehe ich natürlich anders.
Weil die SVP kurz vor Ecopop für den Wahlkampf 2015 das Thema «Sozialhilfe-Wahnsinn» setzt und SVP-Gemeindepräsidenten in «Tages-Anzeiger», «Blick» und «Weltwoche» jammern lässt. Zu einem Thema, das naturgemäss eng mit Asylbewerbern und dem Schlagwort «Einwanderung in die Sozialwerke» verquickt ist.
Diesen Zusammenhang sehe ich nicht wirklich. Das Asylproblem ist eine Sache. Eine andere Sache ist die Zuwanderungsproblematik, die wir mit der steigenden Zahl an Daueraufenthaltern haben. Sicher schlägt der eine oder andere den Bogen von Asyl zu Zuwanderung zu Ecopop, aber die grosse Mehrheit sicher nicht. Die Asylproblematik ist in Medien und Abstimmungskämpfen immer eng mit Missbrauch verbunden. Ecopop hingegen mit Ökologie, Dichtestress und Zersiedelung und dergleichen. Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe.
Würden Sie sagen, die SVP hat in diesem Abstimmungskampf das Problem, dass die Basis jetzt haben will, was man ihr immer versprochen hat, um viele Parlamentsmandate zu erhalten?
Nämlich?
Eine möglichst fremden- und problemlose Schweiz. Und dieses Verlangen kommt der wahren SVP-Klientel, nämlich der Wirtschaft, jetzt in die Quere?
Ich habe keinen Bammel vor dem Wirtschaftsflügel, wenn Sie das meinen. Ecopop wäre für die Wirtschaft wirklich verheerend. Aber wie gesagt, ich glaube, das können wir den Leuten in der verbleibenden Zeit durchaus noch klarmachen. Man muss ihnen darlegen, dass die MEI sinnvoll, die Ecopop-Initiative dagegen zu radikal ist.
Auch buchstabengetreue Umsetzung der MEI würde der Wirtschaft schaden. Haben Sie wirklich gewollt, dass diese Initiative angenommen wird?
Ja, an einer zahlenmässigen Beschränkung der Einwanderung führt einfach kein Weg mehr vorbei. Eine Zuwanderung in dieser Höhe erträgt unser Land nicht auf Dauer und liegt im Übrigen auch weit über den versprochenen Zahlen. Und die Umsetzung der MEI führt meiner Ansicht nach auch nicht zu einer automatischen Auflösung der Personenfreizügigkeit mit der EU, auch wenn das dauernd vorgebetet wird.
Doch. Das tut sie, die EU hat sich diesbezüglich klar ausgedrückt.
Das hätte ich an ihrer Stelle auch getan. Aber die Verhandlungen sind noch nicht geführt. Man kann geschickter und weniger geschickt verhandeln. Wenn man in der Schweiz dauernd sagt, man könne wegen der Personenfreizügigkeit nichts verhandeln, hat die Gegenseite keine Veranlassung, etwas anderes zu sagen. Zudem ist die entscheidende Frage doch auch, womit man die Personenfreizügigkeitsfrage verknüpft. Etwa mit jener Frage, wo wir am meisten in die Waagschale werfen können, beispielsweise beim alpenquerenden Güterverkehr.
Sie wollen den Gotthard zumachen? Die Neat einmotten, bevor sie fertig gebaut ist?
Nein, aber wir lassen den Verkehr noch viel zu günstig passieren. Mit der geltenden Regelung subventionieren wir die europäische Wirtschaft massiv. Ich glaube nicht, dass die EU ein Interesse hat, das Landverkehrsabkommen aufzukünden, nur weil die Personenfreizügigkeit nicht mehr kristallklar nach EU-Vorstellungen funktioniert. Ich glaube, wir haben durchaus gute Chancen.
Was halten Sie vom Vorschlag des Professors Reiner Eichenberger, die Zuwanderung statt über Kontingente über steuerliche Belastungen für Firmen zu steuern? Christoph Blocher ist offen.
Ich halte nicht viel von diesem Vorschlag. Man hat das schon in den achtziger Jahren diskutiert, in der Hoffnung, nur noch wertschöpfungsstarke Branchen würden sich hochqualifizierte Ausländer leisten und wertschöpfungsschwache Branchen wie die Gastronomie und der Bau gar keine mehr. Aber die Idee ist schon damals als unfair und zu bürokratisch vom Tisch gewischt worden.
Aber ein Inländer-Vorrang auf dem Arbeitsmarkt, wie Sie sich ihn vorstellen, wird auch nur mit sehr viel Bürokratie durchzusetzen sein. Wer soll denn kontrollieren, ob ein österreichischer Schreiner nicht besser ist als ein Schweizer oder umgekehrt?
Darum geht es gar nicht. Wenn ein Österreicher und ein Schweizer zur Auswahl stehen, dann muss die Firma ganz einfach den Schweizer nehmen. Das ist dann so. Einen grossen bürokratischen Aufwand bedeutet das aber meiner Meinung nach nicht. Es gibt gewisse Branchen, da ist es offensichtlich, dass es viele Schweizer oder niedergelassene Arbeitslose hat.
Zum Beispiel?
Beispielsweise im Gastgewerbe oder bei gewissen handwerklichen Berufen. Da könnte eine zentrale elektronische Bewilligungsplattform Klarheit und einfache Bearbeitungsmöglichkeiten schaffen. Bei den Operationsschwestern hingegen sieht es wieder anders aus. Da gibt es schlicht und einfach keine stellensuchenden Schweizerinnen. Da müssen Sie Ausländerinnen sowieso holen, dort fällt der bürokratische Aufwand also nicht ins Gewicht.
hektor7
Daniel Caduff
Oberon
Vielleicht wachen die Leute erst dann auf wenn die Firmen anfangen ihre Standorte in der Schweiz zu schliessen weil es es ihnen per Gesetzt verboten wird die nötigen Mitarbeiter einzustellen.
Es muss endlich aufgehört werden Symptome zu bekämpfen sondern richtige Lösungen für die aktuellen und zukünftigen Probleme zu suchen.
Mir ist auch klar das dies nur die Politik schaffen kann aber mit Trotzreaktionen werden die wichtigen Themen nicht gelöst.