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Am 28. August 2009 war auf dem Highway 125 ein Toyota Lexus ES 350 unterwegs nach San Diego. Gesteuert wurde das Auto von einem sehr erfahrenen Lenker, einem pensionierten Autobahnpolizisten. Wie von Geisterhand begann der Lexus plötzlich zu beschleunigen. Der Fahrer wollte per Polizeinotruf Hilfe anfordern. Der Funkspruch wurde aufgezeichnet: «Unser Gaspedal bleibt stecken … wir sind in Schwierigkeiten… die Bremsen reagieren nicht mehr… halt an und bete, bete…» Es nützte alles nichts. Der Lexus prallte in einen Geländewagen und ging in Flammen auf. Vier Menschen starben.
Kaum je wurde ein Autounfall minutiöser untersucht als dieser. Dabei kam heraus, dass ein zu grosser Bodenteppich aus einem anderen Lexus-Modell diesen Unfall verursacht hatte. Dieser Teppich wurde unter Missachtung der Toyota-Instruktionen montiert und blockierte das Gaspedal. Das hält die National Highway Traffic Safety Administration in ihrem Schlussbericht fest.
Für den japanischen Autohersteller war dieser Unfall ein Albtraum. Über Nacht breitete sich rund um den Erdball die Überzeugung aus, dass die Autos von Toyota ein mysteriöses Eigenleben entwickeln können, dass sie so etwas wie einen «Geist in der Maschine» besitzen. Zuerst mit aufwändigen Rückrufaktionen und später mit einer teuren PR-Kampagne musste der Ruf wiederhergestellt werden.
Etwas Ähnliches droht nun Tesla. Ende Mai hatte Joshua Brown seinen Tesla auf Autopilot gestellt, raste dabei gegen einen Truck und starb. Obwohl dieser Autopilot eine Lenkhilfe und kein Ersatz für ein selbstfahrendes Auto ist, wird auch dieser Unfall nun detailliert untersucht werden. Tesla muss sich auch gegen den Vorwurf verteidigen, die Aktionäre zu spät über diesen Vorfall informiert zu haben. Viel steht auf dem Spiel: Autopiloten gibt es bereits in einer Reihe von modernen Autos der höheren Preisklasse. Auch Audi, Cadillac, Mercedes, BMW und Volvo bieten sie an.
Aus heutiger Sicht war der Fall Toyota ein versteckter Handelskrieg. Die Japaner hatten soeben GM als grössten Hersteller der Welt eingeholt. Generell war die Stimmung in Detroit auf dem Tiefpunkt. GM hatte eine kräftige Finanzspritze des Staates erhalten, Chrysler war von Fiat übernommen worden. Nur Ford konnte sich über Wasser halten. In dieser Situation kam der US-Autoindustrie die Hexenjagd gegen Toyota und die angeblich selbst beschleunigenden Autos mehr als gelegen.
Auch bei der Tesla-Affäre kann man unlautere Motive zumindest vermuten. Elon Musk hat die Autobranche aus ihrem rund 100-jährigen Tiefschlaf aufgeweckt und sich damit nicht nur Freunde geschaffen. Zudem hat er kürzlich erklärt, dass er Tesla mit dem Energieunternehmen Solar City verschmelzen will. Seine Vision ist ein Transportsystem mit Elektroautos, die im ganzen Land an mit Solarstrom gespiesenen Elektrotankstellen versorgt werden.
Mit dieser Vision hat sich Musk mächtige Feinde geschaffen. Die Kohlenwasserstoff-Lobby schiesst mit vollen Rohren auf ihn. Obwohl Musk kein grüner Romantiker, sondern ein knallharter Kapitalist ist, wird er beispielsweise im «Wall Street Journal» regelmässig niedergemacht. Tesla könne nur dank ungerechtfertigten Subventionen überleben, und auch die Ökobilanz sehe nicht gut aus, lauten die gängigen Vorwürfe. Beides ist falsch und es ist absurd, dass ausgerechnet das «Wall Street Journal» den erfolgreichsten Unternehmer der Gegenwart verteufelt.
Nützen wird es wahrscheinlich nicht viel. Inzwischen ist nämlich klar geworden, dass der Aufstieg des Elektroautos nicht mehr zu stoppen sein wird. Auch in Detroit hat ein Umdenken eingesetzt. GM wird noch im laufenden Jahr die neueste Version des Volts auf den Markt bringen. Er verfügt über eine Batterie, die vier Mal stärker ist als die alte und wird damit auch alltagstauglich sein. Mary Barra, die Frau an der Spitze von GM, macht zudem unmissverständlich klar, dass die Branche vor einer Revolution steht. «Ich glaube, dass sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren mehr verändern wird als in den letzten 50 Jahren», pflegt sie zu sagen. Auch bei Ford arbeitet man mit Hochdruck an Elektroautos und selbstgesteuerten Fahrzeugen.
Das gleiche Bild in Europa: Alle deutschen Hersteller werkeln mit Hochdruck an Elektroautos. VW will nach dem Diesel-Desaster Tesla mit einer Batteriefabrik Konkurrenz machen und spricht davon, dass bald jeder fünfte Volkswagen ein Elektroauto sein wird.
Nicht allein Tesla hat dieses Umdenken bewirkt. Es gibt andere Gründe: Die Klimaerwärmung kann – wenn überhaupt – nur gestoppt werden, wenn wir unsere Erdöl-Abhängigkeit überwinden. Länder wie China und Indien haben keine andere Chance. Zudem verliert das Auto als Prestigeobjekt bei den Jungen an Bedeutung. Sharing-Modelle sind im Aufwind. So erklärt etwa GM-Finanzchef Chuck Stevens in der «Financial Times»: «Wir sind fest davon überzeugt, dass sich das traditionelle Besitzer-Fahrer-Modell allmählich ändern wird.»
Der Hype um den Tesla-Unfall wird daher höchstwahrscheinlich von vorübergehender Natur sein. Davon sind auch die Aktionäre überzeugt. Obwohl Tesla Motors letztes Jahr fast 900 Millionen Dollar Verlust geschrieben hat, liegt die Marktkapitalisierung bei rund 32 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: GM hat 2015 einen Gewinn von fast zehn Milliarden Dollar eingefahren. An der Börse ist das Unternehmen nur knapp ein Drittel mehr wert als Tesla, nämlich rund 46 Milliarden.