Die Prognosen für das laufende Jahr hätten aus Sicht der westlichen Staaten nicht besser sein können: Mehr Konsum dank billigem Öl und mehr Investitionen und Konsum dank billigem Geld. Zudem schien die nach wie vor grösste Volkswirtschaft der Welt, die USA, endlich wieder zu alter Stärke zurückzufinden. Kein Wunder boomten die Aktienmärkte zu Beginn des Jahres als gäbe es kein Morgen.
Davon ist wenig übrig geblieben. Die Gewinne sind grösstenteils wieder ausradiert worden, die Stimmung unter den Investoren ist nervös. Die Bullen (Optimisten) machen den Bären (Pessimisten) Platz. Selbst der erklärte Börsen-Liebling Apple hat über zehn Prozent an Wert verloren, obwohl die Quartalszahlen «umwerfend» waren, wie CEO Tim Cook sich ausdrückte: 33 Prozent mehr Umsatz und gar 45 Prozent mehr Gewinn pro Aktie. Nur weil die Verkäufe der neuen Apple Watch nicht ganz den Vorstellungen entsprachen, wurden die Apple-Papiere abgestraft.
Die Hektik an den Börsen widerspiegelt die Situation der realen Weltwirtschaft: In Europa ist der zaghafte Aufschwung des Frühsommers bereits wieder am Abklingen; und das, obwohl auch die Europäische Zentralbank mit dem so genannten Quantitativen Easing für tiefe Zinsen sorgt. Nur in Deutschland brummt die Wirtschaft – vorläufig noch.
Die Griechenland-Krise hat tiefe wirtschaftliche und politische Wunden hinterlassen. Selbst wenn das neue Hilfspaket endlich geschnürt sein wird, ist keine Erleichterung zu verspüren. In Deutschland muss Angela Merkel gegen wachsenden Widerstand in den eigenen Reihen der CDU ankämpfen. Gleichzeitig macht Direktorin Christine Lagarde eine Beteiligung des IWFs an der Sanierung von einem Schuldenerlass abhängig. Genau das hat jedoch die Kanzlerin ausdrücklich ausgeschlossen.
In den USA starren Anleger, Unternehmer und Konsumenten auf die Notenbank, wie das viel zitierte Kaninchen auf die Schlange: Wird Fed-Präsidentin Janet Yellen im September die Leitzinsen erhöhen oder nicht? Eigentlich sprechen alle Anzeichen dafür. Die amerikanische Volkswirtschaft schafft derzeit Monat für Monat mehr als 200'000 neue Jobs und sollte auf keine Krücken mehr angewiesen sein.
Das grosse Aber ist jedoch der Dollar. Der Greenback hat gegenüber dem Durchschnitt der anderen Währungen rund 15 Prozent zugelegt. Das macht einerseits der amerikanischen Exportwirtschaft zu schaffen – aber vor allem auch den Schwellenländern. Diese haben sich mehrheitlich in Dollar verschuldet und ächzen deshalb unter der immer schwerer werdenden Schuldenlast.
Am meisten Bauchweh bereitet jedoch derzeit China. Die überraschende Abwertung des Yuan letzte Woche hat für grosse Verunsicherung gesorgt. Was will uns Peking damit sagen? Ist es bloss eine Korrektur einer zuvor immer stärker werdenden chinesischen Währung, wie die Optimisten erklären? Oder ist es Ausdruck einer strukturellen Krise, wie die Pessimisten befürchten?
Tatsache ist, dass die jüngsten Wirtschaftszahlen aus China zu Sorge Anlass geben: Im Juli sind die Exporte um 8 Prozent zurückgegangen und die Preise um 5,4 Prozent gefallen. Damit fallen die Preise für chinesische Güter seit 41 Monaten, «ein Anzeichen dafür, dass es grosse Überkapazitäten gibt», wie der «Economist» vermutet.
Eine reife Wirtschaft fällt in eine Rezession, wenn das Wirtschaftswachstum negativ wird. Wegen des grossen Aufholbedarfs der Schwellenländer gilt für die Weltwirtschaft bereits ein Unterschreiten der 3-Prozent-Marke als Rezession. Davon sind wir nur einen Schock weit entfernt.