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Einer der mächtigsten Notenbanker warnt vor der Klimaerwärmung

Mark Carney bei seiner Rede in London.
Mark Carney bei seiner Rede in London.
Bild: POOL/REUTERS

Einer der mächtigsten Notenbanker warnt vor der Klimaerwärmung

Mark Carney, Gouverneur der Bank of England, sieht in der Klimaerwärmung nicht nur eine Bedrohung für die Umwelt, sondern auch für die Stabilität des internationalen Finanzsystems.
01.10.2015, 11:2201.10.2015, 11:36
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Zentralbanken haben eine klare Mission: Sie müssen für eine stabile Währung und für ein stabiles Bankensystem sorgen. Mark Carney, der Gouverneur der Bank of England, hat jedoch in einer Aufsehen erregenden Rede vor den Gefahren der Klimaerwärmung gewarnt. Das Resultat ist ein weltweiter Aufschrei. Die «Financial Times» stellt derweil die Frage: «Ist Carney ein weitsichtiger Visionär oder ein in die Irre geführter Idiot?»

«Wir wissen inzwischen nur zu gut, dass das, was zunächst als ein unwahrscheinliches Risiko erscheint, sich zu einer grossen und unvorhersehbaren Bedrohung entwickeln kann.»
Mark Carney

Eines ist Carney mit Sicherheit nicht, ein naiver Schwärmer. Er hat eine steile Karriere bei Goldman Sachs hinter sich und hat die kanadische Nationalbank erfolgreich durch die Wirren der Finanzkrise geführt. Seit Sommer 2013 ist er Chef der Bank of England und gehört damit zu den mächtigsten Männern der Welt.  

Müssen Exxon, Shell & Co. bald hunderte von Milliarden Dollar abschreiben?

In einer Rede beim Versicherungs-Konzern Lloyds hat Carney kürzlich jedoch nicht über Leitzinsen und Deflation gesprochen, sondern über die Klimaerwärmung. Der Kohlenwasserstoff-Industrie (Kohle, Öl und Erdgas) drohten «gewaltige Verluste», warnte er und verwies auf die Gefahr, dass sie möglicherweise einen grossen Teil ihrer Reserven abschreiben müssen, weil der Planet Erde den damit verbundenen Ausstoss von CO2 nicht mehr verkraften kann.

Wenn Exxon, Shell, BP & Co. auf hunderte von Milliarden Dollar stille Reserven verzichten müssen, bleibt dies nicht ohne Folgen für die Finanzmärkte. Carney wies darauf hin, dass «wir inzwischen nur zu gut wissen, dass das, was zunächst als ein unwahrscheinliches Risiko erscheint, sich zu einer grossen und unvorhersehbaren Bedrohung entwickeln kann».

Können wir uns nicht mehr leisten: Ölsand-Abbau in Kanada.
Können wir uns nicht mehr leisten: Ölsand-Abbau in Kanada.
Bild: AP Canadian Press

Anzeichen einer solchen Bedrohung gibt es heute schon. So hat Shell kürzlich bekannt gegeben, die Ölbohrungen in Alaska einzustellen und damit Milliarden von Dollar abzuschreiben. Die Umwelt- und die politischen Risiken sind schlicht zu gross, die Aussicht auf Erfolg zu klein geworden. Der Zuger Rohstoff-Konzern Glencore steht vor existenziellen Schwierigkeiten, weil die Preise für Kohle, Öl und Gas in den Keller gerasselt sind. In den USA stehen aus dem gleichen Grund viele Fracking-Firmen vor dem Bankrott.  

Die Industrie tobt

Die Industrie hat wütend auf Carney reagiert. So schimpfe etwa Philip Lambert von der gleichnamigen Energieberatungsfirma, in der «Financial Times»: «Wie zum Teufel kann der Gouverneur einer der verantwortungsvollsten Institutionen der Welt behaupten, dass das Ding, das heute noch 85 Prozent des globalen Energiemixes darstellt, wertlos geworden sein soll, obwohl es noch keine Alternative gibt?». Und weiter zeterte Lambert: «Diese Aussagen sind schlicht ungeheuerlich.»

Rendiert nicht mehr: Fracking.
Rendiert nicht mehr: Fracking.
Bild: EPA

Carney ist jedoch kein einsamer Rufer in der Wüste. Die beiden ehemaligen US-Finanzminister Robert Rubin und Hank Paulson gehören ebenfalls zu den Warnern vor den finanziellen Folgen der Klimaerwärmung. Beide waren übrigens ebenfalls einst CEOs von Goldman Sachs.

Umweltschutz ist der neue wirtschaftliche Realismus

Klimaerwärmung und Ökologie sind nicht nur eine moralische Verpflichtung, sie sind zu einer wirtschaftlichen Notwendigkeit geworden. Das ist auch die Kernaussage des Buches «Richtig rechnen!» von Christian Hiss. «Wirklich kapitalistisch wird dann gewirtschaftet, wenn das Vermögen, das man zur Verfügung hat, nicht verbraucht, sondern erhalten und vermehrt wird», stellt Hiss fest.

Buchhaltung wird auch ökologisch wichtig.
Buchhaltung wird auch ökologisch wichtig.
bild: pd

Um die Zukunft des Planeten Erde zu sichern, brauchen wir daher ethisches Bewusstsein. Es gehe, so Hiss, «nicht um eine neue Erfindung ökologisch gesinnter Idealisten, sondern um ökonomischen Realismus modernster und zukünftiger Prägung.»

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