Zoll-Fiasko abwenden – diese Optionen bleiben der Schweiz
Die Uhr tickt. Noch knapp zwei Tage bleiben dem Bundesrat für Nachverhandlungen mit den USA. Zwei Tage, um ein Zoll-Debakel abzuwenden und die Schweizer Wirtschaft zu retten.
Zwar hat der Bundesrat nach einer online abgehaltenen Krisensitzung am Montag betont, die Verhandlungen, falls nötig, auch nach der Frist am Donnerstag weiterführen zu wollen – der Fokus liegt vorerst aber auf dem 7. August. Um 6 Uhr morgens sollen die neuen Zollsätze gemäss dem Weissen Haus in Kraft treten.
Diese Optionen werden derzeit diskutiert.
Mehr Kampfjets kaufen
Ursprünglich war geplant, beim amerikanischen Aussenministerium für einen Preis von 6 Milliarden Franken 36 Kampfjets des Typs F-35 zu kaufen. Diesen Sommer wurde klar: Der Kaufpreis dürfte weit höher liegen.
Die Linken forderten: Die Schweiz muss den Kampfjet-Deal kündigen und sich in Europa nach einer Alternative umsehen. Nun diskutiert man plötzlich über das Gegenteil.
Im Zuge des Zoll-Fiaskos wurden Stimmen laut, die forderten, mehr Geld für Rüstungsgüter in den USA auszugeben – etwa durch den Kauf von zusätzlichen Kampfjets. Andere Länder haben in den vergangenen Wochen Zusagen in diese Richtung gemacht – konkrete Zahlen nannte bisher jedoch keines.
Als Gegenmassnahme für die Zölle keine Kampfjets zu kaufen, kommt für den Bundesrat indes nicht infrage.
Höhere Energie-Importe
Es war ein Eckpfeiler des Zoll-Deals mit der EU: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat angekündigt, dass die EU in den nächsten drei Jahren Energieprodukte im Wert von 750 Milliarden Dollar aus den USA importieren wird. Im Fokus steht der Kauf von Flüssiggas. Ob dieser Plan umsetzbar ist, bezweifeln Expertinnen und Experten.
Nebst der EU, Japan und Südkorea wird der Import von Flüssiggas und anderen Energieträgern auch für die Schweiz zu einem möglichen Verhandlungsangebot gegenüber Trump. Unterstützung erhält Bundesrat Guy Parmelin dabei von der Schweizer Gasbranche.
Gegenüber CH Media sagt Martin Schmid, FDP-Ständerat und Verwaltungsrat von Swissgas: «Wenn ein Gas-Deal eine Hilfe sein kann, die 39 Prozent Zoll abzuwenden, unterstützen wir den Bundesrat in diesen Bestrebungen natürlich.»
Für den direkten Import von Flüssiggas aus den USA fehlt gemäss Bund derzeit zwar die Infrastruktur, man prüfe jedoch, ob sich dies ändern lasse.
Aus dem Umfeld des Bundesrates ist allerdings auch zu vernehmen, dass die Menge an Energie, welche die Schweiz zusätzlich importieren könnte, das Angebot an die USA nur minim verbessert.
Mehr Investitionen
Teil des Deals der EU mit den USA ist, dass Unternehmen aus dem EU-Raum für 600 Milliarden Dollar Investitionen in den USA tätigen. Für HSG-Ökonom Stefan Legge ist das Versprechen von Kommissionspräsidentin von der Leyen jedoch unrealistisch. Im Interview mit watson sagte er: «Die Investitionen von 600 Milliarden werden wahrscheinlich nie geschehen.»
Die EU könne niemanden zwingen, Investitionen in den USA zu tätigen, so Legge. Anders als die EU haben Japan und Südkorea staatliche Investitionen angekündigt, in der Höhe von 550 Milliarden (Japan) respektive 350 Milliarden (Südkorea) Dollar.
Auch die Schweiz wollte in den USA investieren. Dieses Versprechen war Teil des Deals, der letztlich nicht zustande gekommen ist. Genaue Zahlen sind nicht bekannt.
Trump das Angebot einer Erhöhung der Investitionen zu unterbreiten, ist eine der Optionen, die der Bundesrat hat. Die Wirtschaft, so schreibt es CH Media, sei bereit, einen Beitrag zu leisten.
Medikamentenpreise
Die beiden grossen Schweizer Pharmakonzerne Roche und Novartis standen in den vergangenen Tagen besonders im Fokus. Trump fordert, dass sie ebenso wie 15 weitere Pharmaunternehmen weltweit ihre Medikamentenpreise auf dem US-Markt senken.
Die Schweizer Pharmabranche verdient in den USA viel Geld. Nirgends auf der Welt kann sie höhere Medikamentenpreise verlangen. Sie ist für rund 60 Prozent der Schweizer Exporte und damit einen Grossteil des US-Handelsdefizits verantwortlich und profitiert aktuell von einem Zollsatz von 0 Prozent.
Auf die Preisgestaltung von Roche und Novartis hat der Bundesrat zwar keinen direkten Einfluss, sie könnte für einen möglichen Zoll-Deal jedoch von zentraler Bedeutung sein.
Ob die beiden Pharmariesen gewillt sind, ihre Preise zu senken, ist derzeit unklar. Die beiden Konzerne geben diesbezüglich keine Auskunft, wie der Blick schreibt. Die grossen Pharmaverbände sässen mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Tisch. Ob es in den Gesprächen auch um die Preise gehe, sei offen.
Mehrere Schweizer Politiker warnen davor, die Pharmaunternehmen unter Druck zu setzen. Preissenkungen im Alleingang seien nicht angebracht, sagt Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter im «Blick». «Falls die ausländischen Firmen nicht nachziehen, sind die Schweizer Konzerne nicht mehr konkurrenzfähig.»
Anders sieht dies SP-Nationalrätin Barbara Gysi. Sie sagt im «Blick»: «Es ist sicher richtig, dass man jetzt auch Forderungen an die Pharmabranche stellt. Sie muss bei den hohen Medikamentenpreisen in den USA reagieren.»
Viel relevanter, als Trump mit einer Preissenkung Entgegenkommen zu signalisieren, dürfte sein, zu verhindern, dass die USA den Zollsatz von 39 Prozent auf die Pharmabranche ausweiten. Trump hat dies bereits angedroht.
HSG-Ökonom Stefan Legge sagt dazu: «Kommen diese Zölle auch für die Pharmabranche, sieht es für die Schweiz sehr schlecht aus. Bei Pharmaprodukten sind wir extrem vom amerikanischen Markt abhängig.»
Gold
38,5 Milliarden Franken betrug das US-Handelsdefizit mit der Schweiz im vergangenen Jahr. Eine gewichtige Rolle spielt dabei der Handel mit Gold. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2025 lieferte die Schweiz gemäss vorläufigen Zahlen rund 500 Tonnen Gold in die USA. Der Wert: 38 Milliarden Franken. Ein Rekord und beinahe so viel wie das gesamte Handelsdefizit des letzten Jahres.
Ironie der Geschichte: Verantwortlich für den Goldrausch in den USA ist Donald Trump selbst. Aus Angst vor möglichen Einfuhrzöllen auf Gold importieren US-Grossinvestoren das Edelmetall. Dies schreiben die Tamedia-Zeitungen.
Ebenfalls ironisch: Die Wertschöpfung für die Schweiz hält sich in Grenzen. Hierzulande wird europäisches Gold hauptsächlich umgegossen, damit es ins Unzen-basierte Gewichtssystem der USA passt.
Offenbar ist die Schweiz bereit, den Goldexport in die USA einzudämmen, um so zu einem Zoll-Deal mit Trump zu kommen.
Gianni Infantino
Ja, tatsächlich. Fifa-Präsident Gianni Infantino soll bezüglich eines Zoll-Deals mit den USA plötzlich eine Rolle spielen.
Dass der Walliser einen guten Draht zu US-Präsident Trump hat, ist bekannt. Infantino hat sich mit der Fifa auch im Trump Tower in New York eingemietet. Und im nächsten Jahr findet die Fussball-Weltmeisterschaft in den USA statt. Im Vorfeld des Turniers zeigten sich Infantino und Trump bestens gelaunt in der Öffentlichkeit.
SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel schlug in der NZZ nun vor, dass Infantino bei den Zollverhandlungen als Vermittler fungieren solle. Unterstützung für diesen Vorschlag erhält Büchel dabei von Parteipräsident Marcel Dettling. Dieser sagte im Tages-Anzeiger: «Infantino könnte durchaus als Türöffner fungieren, immerhin hat er es geschafft, in den engsten Zirkel von Donald Trump zu gelangen, was die Politik nicht geschafft hat.»
Ob Infantino wirklich als Vermittler infrage kommt und den Bundesrat bei den Zollverhandlungen unterstützt, ist offen. Für eine Stellungnahme war er gemäss «Tages-Anzeiger» nicht zu erreichen.
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