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KI: Wegen hohen Erwartungen gehen Anleger immer mehr Risiko ein

Donald Trump Frösche
Bild: Keystone/Shutterstock
Analyse

Die Investoren sind Frösche in Trumps Pfanne

Getrieben von hohen Erwartungen an die Künstliche Intelligenz, gehen die Anleger immer grössere Risiken ein.
14.08.2025, 15:1514.08.2025, 15:41
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In einem Beitrag auf Substack stellte Paul Krugman, ein mit dem Nobelpreis ausgezeichneter Ökonom und langjähriger «New York Times»-Kolumnist, die Frage: «Die Politik ist verrückt geworden; weshalb rasseln die Aktienkurse nicht in die Tiefe?»

Plausible Gründe für Krugmans rhetorische Frage gibt es zuhauf:

Der Zollkrieg tobt unvermindert weiter, und TACO-Trump ist bereits Geschichte. Der US-Präsident schwingt den Zollhammer weiter und setzt ihn neuerdings immer öfter auch in die Praxis um, denn er weiss, dass er auf diese Weise die Möglichkeit hat, die gesamte wirtschaftliche Macht der USA willkürlich einzusetzen. Unsere Bundespräsidentin kann ein Lied davon singen.

Bereits Geschichte: TACO-Trump.
Bereits Geschichte: TACO-Trump.

Mehr noch: Neuerdings verhängt Donald Trump gar Zölle auf Exporte. Die beiden Chip-Hersteller Nvidia und AMD müssen jetzt 15 Prozent ihrer Erlöse aus den Verkäufen nach China in die US-Staatskasse fliessen lassen. Eine Begründung dafür lässt sich nirgends in der ökonomischen Literatur finden.

Der Krypto-Wahnsinn treibt immer absurdere Blüten. So berichtete die «Financial Times» kürzlich, dass immer mehr börsenkotierte Gesellschaften Bitcoins erwerben, um so ihren Aktienkurs in die Höhe zu treiben. Bis zu Beginn des Augusts haben über 150 Unternehmen zu diesem Trick gegriffen und dabei gegen 100 Milliarden Dollar in Kryptowährungen investiert.

Volkswirtschaftlich gesehen macht dies null Sinn, die Produkte dieser Unternehmen werden deswegen weder besser noch billiger. Dafür steige die Gefahr einer Blasenbildung, stellt selbst Kevin de Patoul von der Kryptobörse Keyrock fest. «Damit wird eine riesige Menge an Risiken ins System gepumpt, und es gibt dazu keine andere Absicherung als der kontinuierliche Anstieg der Kurse dieser Vermögenswerte.»

Auch Brian Estes, CEO von Off the Chain Capital, ist skeptisch: «Das wird schlimm enden», sagt er. «Es wird sich eine Blase bilden. Was rasch ansteigt, kann auch rasch wieder herunterkommen.»

Federal Reserve Chairman Jerome Powell walks off after speaking during a news conference following the Federal Open Market Committee meeting, Wednesday, July 30, 2025, in Washington. (AP Photo/Manuel  ...
Wird permanent von Trump angepöbelt: Fed-Präsident Jerome Powell.Bild: keystone

Trump setzt seinen verbalen Krieg gegen Jerome Powell, den Präsidenten der US-Notenbank (Fed), fort. Damit gefährdet er die Unabhängigkeit der Fed und verletzt so das heiligste Tabu der Finanzmärkte. Schlimmer noch: Weil ihm die jüngsten Arbeitsmarkt-Daten sauer aufgestossen sind, hat der US-Präsident Erika McEntarfer, die Chefin des Bureau of Labor Statistics (BLS), entlassen. Ersetzen will er die hochgeachtete Ökonomin mit EJ Antoni, der bisher bei der konservativen Denkfabrik Heritage Foundation tätig war.

Antoni verfügt über keinerlei Erfahrungen im hochspezialisierten Gebiet der Daten über Arbeitsmärkte und Inflation. Aufgefallen ist er hingegen als Trump-Speichellecker und Mitverfasser von «Project 2025», dem skandalumwitterten Plan für eine Revolution von rechts.

Die Ernennung von Antoni hat zu einem seltenen Phänomen geführt: Ökonomen aller Couleur sind sich einig in ihrem Entsetzen. So schreibt das «Wall Street Journal»: «Mr. Antoni’s Kommentare in der Heritage waren extrem parteiisch, der Job beim BLS verlangt jedoch unabhängigen Professionalismus.» Es wird daher allgemein befürchtet, dass künftig diese für die Steuerung der Volkswirtschaft und der Finanzmärkte so wichtigen Daten manipuliert sein werden.

E.J. Antoni.
Soll für Trump die Daten manipulieren: EJ Antoni.Bild: Texas Public Policy Foundation

Diese Angst teilt auch Stan Veuger von der ebenfalls konservativen Denkfabrik American Enterprise Institute. «Wir haben gehofft, dass jemand an die Spitze des BLS kommt, der über die nötige Erfahrung verfügt und unparteiisch ist. EJ Antoni ist das pure Gegenteil davon.»

Wie Krugman will auch Katie Martin, Kolumnistin bei der «Financial Times», Gründe für das merkwürdige Verhalten der Investoren finden. Sie greift dabei zu einer zwar abgegriffenen, aber in diesem Fall sehr zutreffenden Metapher: Sie vergleicht sie mit den Fröschen, die sich in einer Pfanne voller Wasser befinden, das langsam aufgeheizt wird, und nicht realisieren, dass sie allmählich zu Tode gekocht werden.

Dass sich die Investoren bisher noch warm und sicher fühlen, hängt mit den Erwartungen zusammen, die sie an die Künstliche Intelligenz (KI) stellen. Diese Erwartungen haben dazu geführt, dass an den Aktienbörsen die Verluste nach dem 2. April, an dem Trump seinen Zollhammer verkündete, nicht nur aufgeholt wurden, sondern auf neue Rekordhöhen geklettert sind.

Getrieben ist diese Entwicklung hauptsächlich von wenigen Firmen, welche direkt oder indirekt mit KI zu tun haben. Ein typisches Beispiel dafür ist Palantir Technologies, ein auf KI spezialisiertes Unternehmen, dessen Software auch vom Pentagon, der CIA und auch hierzulande verwendet wird.

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von Palantir ist nach Bekanntgabe der jüngsten Quartalszahlen explodiert, und zwar in einer Art und Weise, die «selbst Ende der Neunzigerjahre für hochgezogene Augenbrauen gesorgt hätte», wie John Cassidy im «New Yorker» feststellt.

Der Vergleich zum Dotcom-Wahnsinn ist berechtigt. Auch die Aktienkurse von anderen KI-Unternehmen lassen sich rational nicht mehr erklären. So ist beispielsweise der Kurs von Figma nach dem Börsengang von 33 auf 115 Dollar gesprungen. Das erinnert an Netscape, den ersten Internet-Browser, der den Internet-Hype der damaligen Zeit so richtig befeuert hat.

OpenAI CEO Sam Altman speaks during a discussion at the Federal Reserve Integrated Review of the Capital Framework for Large Banks Conference at the Federal Reserve in Washington, Tuesday, July 22, 20 ...
Macht grosse Versprechungen: Sam Altman, CEO von OpenAI.Bild: keystone

Wie in den Neunzigerjahren wird auch der KI-Hype von Prophezeiungen geprägt, vor allem davon, dass sich auch in diesem Bereich etwas Vergleichbares entwickeln wird wie das Moor’sche Gesetz. Es besagt, dass sich die Anzahl der Transistoren auf integrierten Schaltkreisen alle zwei Jahre verdoppelt und damit eine exponentielle Entwicklung ermöglicht.

Sam Altman, der CEO von OpenAI und führender KI-Vordenker, verspricht sich davon eine technologische Revolution, die nicht zu stoppen ist. «Die Welt wird sich so rasch und so drastisch verändern, dass ebenso drastische Veränderungen in der Politik notwendig sein werden, um den riesigen Wohlstand, der damit geschaffen wird, zu verteilen», schrieb Altman kürzlich auf seinem Blog.

Für Gary Marcus, emeritierter Professor an der New York University und KI-Spezialist, ist das eine sehr steile These. Er hält den Vergleich mit dem Moor’schen Gesetz für unangebracht und fällt auch ein hartes Urteil über ChatGPT-5, das jüngste OpenAI-Kind. Es sei zu spät auf die Welt gekommen, sei übermässig angepriesen worden und enttäusche mit seiner Performance, hielt er im «New Yorker» fest.

In der Hoffnung auf den «riesigen Wohlstand» werden gegenwärtig Unsummen in AI-Unternehmen und ihre Zulieferer investiert. Derzeit zeichnet es sich jedoch noch nicht ab, ob die hochgesteckten Erwartungen auch in absehbarer Zeit erfüllt werden. So spricht etwa die Beratungsfirma McKinsey von einem «Produktivitäts-Paradox», will heissen, den grossen Investitionen in die KI stehen nur bescheidene bis gar keine Produktivitäts-Gewinne gegenüber.

Eine Umfrage von McKinsey von Ende 2024 hat auch ergeben, dass 42 Prozent der Unternehmen ihre KI-Projekte wieder aufgegeben haben. Die viel gehörte Prophezeiung, dass schon bald mindestens die Hälfte aller Büro-Jobs durch KI ersetzt werde, dürfte damit auf sich warten lassen.

Andrew McAfee, ein Wissenschaftler am renommierten MIT, erklärt denn auch gegenüber der «New York Times»: «Die rohe technologische Kraft mag eindrücklich sein, doch sie wird nicht darüber entscheiden, wie rasch die KI die Wirtschaft transformieren wird.»

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85 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Chrisbe
14.08.2025 15:35registriert Oktober 2019
"...um den riesigen Wohlstand, der damit geschaffen wird, zu verteilen".
Ich tippe darauf, dass bei der Verteilung des riesigen Wohlstands, der "kleine Bürger" auf der Strecke bleiben wird.
Fazit für den Normalo:
Geh arbeiten, zahle Steuern, bewundere die wenigen Profiteure und halte die Klappe.
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Bikemate
14.08.2025 16:53registriert Mai 2021
Und wenn alles zusammenkracht schreien die Fans der freien Marktwirtschaft der Staat müsse alles retten.
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Fernrohr
14.08.2025 15:55registriert Januar 2019
Ja, die Dot-com Blase ist seinerzeit laut geplatzt. Damals hat ein jeder Aktien gekauft und von dort kam das Bonmot vom Tips gebenden Taxifahrer. Damals standen auch alle Zeichen auf rot und kaum einer hat's geglaubt, die Kleinanleger hat's dann am übelsten erwischt. Das Orakel von Oklahoma hat es dazumal kommen sehen und heute ist die Berkshire Hathaway grösstenteils desinvestiert, sitzt also auf Bargeld. Wenn da nicht die Alarmglocken läuten...
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Platzt die KI-Blase?
Der Hype um die Künstliche Intelligenz stösst an seine Grenzen.
Eine beliebte amerikanische Redensart lautet: «The chickens are coming home to roost.» Sie lässt sich nicht sinnvoll wörtlich übersetzen, aber salopp ausgedrückt bedeutet sie: Die Folgen einer Tat treten allmählich zutage.
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