Bernhard Fragner (51) hält den Steuerknüppel fest in der Hand, denn für ihn geht es nur in eine Richtung: steil nach oben. 6000 Mal pro Jahr heben seine 21 Privatjets vom Boden ab. Trotzdem ist es ihm wichtig, alles andere als abgehoben zu wirken. Es scheint ihm zu gefallen, ein wandelndes Paradoxon zu sein. Denn vieles, was er sagt und woran er glaubt, widerspricht fundamental dem, was er gegen Aussen verkörpert. Doch von Anfang an.
An einem trüben Dienstagmorgen wartet Fragner in der Lobby eines Zürcher Hotels, das er regelmässig besucht, weil die Schweiz sein Hauptmarkt ist. Es ist keine der prachtvollen Luxusbauten, wie man es von einem Multimillionär erwarten würde, sondern ein Hotel, das pro Nacht durchschnittlich 170 Franken kostet. «Es geht mir nicht um Luxus, sondern um Zeit. Das Wichtigste bei der Wahl des Hotels ist, dass ich zu Fuss an meine Termine gehen kann», sagt er, der gerne überall hinfliegt, im Gespräch mit watson. Diese Bescheidenheit tönt fast schon unglaubwürdig, aber sie ergibt Sinn, wenn man seine Geschichte kennt.
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Fragner ist nicht mit einem goldenen Löffel im Mund geboren. Er hat sich seinen Erfolg selbst erarbeitet. Seine Eltern seien «normale Arbeiter» aus Oberösterreich. Aber sie hätten früh erkannt, dass ihr ältester von drei Söhnen «nicht ganz normal» sei. Bereits als Jugendlicher interessierte er sich für Computer und das Programmieren, was in den 1980er-Jahren kaum jemand machte.
Dass er heute nicht der österreichische Bill Gates ist, hat damit zu tun, dass er nach dem Militärdienst ein Studium in Maschinenbau anfing. «Es war kein Wunschstudium, aber meine Eltern fanden es gut.» Nach dem Studium begann Fragner, für eine Wiener Anlagebau-Firma, die bei Grossimmobilien tätig ist, zu arbeiten.
«Ich fuhr täglich mehrere Stunden Auto in diverse osteuropäische Länder. Länger als zwei Tage verbrachte ich nirgends», erinnert sich Fragner. Innert wenigen Jahren habe er sich ein Team von «mehreren hundert Menschen» aufgebaut. Er sagt das ganz trocken, als wäre es das Normalste der Welt für einen Mann in seinen 20ern.
Gleichzeitig tat sich damals ein neuer Weg auf, der Fragners Leben für immer veränderte. Einer seiner Freunde machte die Privatpilotenlizenz und erzählte ihm begeistert davon. «Eine Woche später startete ich auch damit», sagt er lachend. Zu diesem Zeitpunkt habe er nicht gedacht, dass er damit den Grundstein für seine Zukunft legen würde.
Mit der Privatpilotenlizenz in der Tasche trat Fragner einem Flugclub bei, mit dem er zusammen ein Kleinflugzeug kaufte. Fortan reiste er nicht mehr mit dem Auto an seine Arbeitseinsätze in Osteuropa, sondern er flog. «Über 3000 Flugstunden absolvierte ich so, und mein damaliger Arbeitgeber übernahm sogar einen Teil der Kosten», sagt er zufrieden.
Als damals 28-Jähriger habe er sich wie ein König gefühlt. Schliesslich machte Fragner auch noch die Lizenz als Linienpilot. Insgesamt habe er über 200'000 Euro bezahlt. «Ich verdiente damals wirklich gut, weil mein Geschäft es schätzte, dass ich gerne die Initiative ergreife.»
Allmählich begann der Österreicher aber, ein «Frustpotential gegenüber Osteuropa» zu entwickeln. Speziell wegen der Arbeitsmoral und den tiefen Löhnen der Arbeiter. «Ich habe daraufhin die Firma verlassen, eine ordentliche Abfindung erhalten und ein Jahr Sabbatical gemacht», sagt Fragner. Ein Zwischenjahr, das sein Leben auf den Kopf stellen sollte.
Mit seinem goldenen Fallschirm liess sich Fragner aber nicht auf den Malediven nieder. Stattdessen frönte er seiner Leidenschaft: dem Fliegen. «Ich besuchte diverse Flugzeugmessen und Konferenzen, an denen es um die Geschäftsreise-Luftfahrt ging.»
In dieser Zeit habe er sich nicht nur ein Netzwerk aufgebaut, von dem er bis heute profitiere, sondern auch eine Idee entwickelt: Er wollte Geschäftsreisen mit Kleinflugzeugen anbieten, damit Unternehmer Zeit sparen können. So, wie er es auf seiner alten Arbeitsstelle gemacht hatte. Nachdem Fragner einen Businessplan erstellt hatte, merkte er, dass 28 andere Unternehmen dieselbe Idee hatten. Trotz dieser Ernüchterung begann er damit, auf Investorensuche zu gehen. Das war im Jahr 2007.
«Ich rief Unternehmen an, die auf Geschäftsreisen angewiesen sind», sagt Fragner. Nach vielen Absagen sei er irgendwann am Telefon bei Friedrich Huemer gelandet, dem eine grosse Kunststoff-Firma gehört, die heute noch hunderte Millionen Euro Umsatz macht. «Als ich mich bei ihm mit meinem 100-seitigen Businessplan vorstellte, warf er ihn einfach in den Eimer», erinnert sich Fragner und lacht. Der Unternehmer habe ihm damals gesagt, er solle wiederkommen, wenn er auf einer A4-Seite geschrieben habe, was er mit seiner Firma erreichen wolle, was er selbst finanziell beitrage und wie die Reise die nächsten fünf Jahre weitergehen würde.
Zwei Wochen später habe er wieder im Büro des Multimillionärs gesessen, wo er diesem aufzeigte, dass er für den Plan All-in gehen würde. Fragner verkaufte sein ganzes Hab und Gut, sogar das Haus seiner Eltern, und dazu nahm er noch einen Kredit auf. «Ich hatte das finanzielle Risiko damals einfach verdrängt, weil ich so überzeugt von meiner Idee war», sagt Fragner. Das habe seinem Gegenüber imponiert. «Huemer sagte mir, wenn die Firma Konkurs gehen würde, könne er die Flugzeuge verkaufen und sein Verlust sei überschaubar. Aber ich wäre ruiniert. Das war seine Sicherheit.» Zehn Millionen Franken habe der Unternehmer daraufhin in Fragner investiert, der mit der Aufbauarbeit der Firma Globeair beginnen konnte.
16 Monate später war es so weit: Nach einem bürokratischen Albtraum hatte Fragner endlich alle Lizenzen, Bewilligungen, das Personal sowie drei Privatjets (Cessna Citation Mustang), um die Geschäftstätigkeit zu starten. Exakt am 15. September 2008 kam die definitive Bestätigung der Luftfahrtbehörde: just am selben Tag, als mit der Insolvenz von Lehman Brothers die grösste Firmenpleite der Geschichte startete, die in einer weltweiten Finanzkrise endete.
«Plötzlich war die Branche tot. Wir haben sofort bis zu 300’000 Franken pro Monat in den Sand gesetzt und ich dachte, jetzt ist alles vorbei, bevor es angefangen hat», erinnert sich Fragner. Er prüfte sogar, ob man die Flugzeuge wieder verkaufen könne, was in dieser Marktlage aber einen Riesenverlust bedeutete. Es sah schlecht aus für den Jungunternehmer, der praktisch das ganze Vermögen seiner Familie in die Firma investiert hatte.
«Zum Glück glaubte aber unser Investor Huemer an uns. Er garantierte die finanziellen Mittel für die nächsten drei Jahre», sagt Fragner. Viel schlechter ging es den anderen 28 Konkurrenzunternehmen, die hauptsächlich Banken im Rücken hatten und keine privaten Grossinvestoren. Nur zehn dieser Firmen überlebten die erste Insolvenzrunde. Für Fragner ein Riesenglück – in doppelter Hinsicht. Denn dadurch kam er zum «grössten Deal» seines Lebens.
Als eines der Konkurrenzunternehmen aus Rom Konkurs ging, hatte Fragner die Gelegenheit, fünf ihrer Privatjets zum Preis von sieben Millionen Euro zu kaufen – anstatt 17 Millionen. Obwohl er selbst immer noch Verluste machte, überzeuge er den Investor Huemer, diese zu kaufen. «Ich sagte ihm, dass ich aus meiner Zeit in Osteuropa weiss, wie man so ein grosses Team aufbaut. Er war einverstanden und auf einmal hatten wir acht Flugzeuge, was uns eine Marktstärke verschaffte», sagt Fragner. Dieser Trick zahlte sich aus: Globeair wurde bekannter.
Ab 2012 sei das Geschäft «abgegangen» und ab 2014 habe er «richtig Geld verdient», ohne das Geld jemals aus der Firma zu nehmen. Zudem machte er es zu seinem Geschäftsmodell, Flugzeuge aus Konkursen zu kaufen, von Norwegen über die Türkei bis hin zu Südamerika. «Nun haben wir eine Flotte von 21 Privatjets, die einen Anschaffungswert von über 150 Millionen Franken haben», sagt Fragner stolz. Plötzlich war er der grösste Privatjet-Vermieter Europas, denn von den 28 Konkurrenzunternehmen hat bis heute keines ausser Globeair überlebt – neue seien aber dazugekommen.
Mittlerweile deckt Globeair 53 Prozent des Marktes in Europa ab, mit einem Jahresumsatz von über 50 Millionen Euro. Fast 13'000 Kunden und ihre über 2000 Haustiere wurden vergangenes Jahr mit den Jets quer über den Kontinent geflogen. Obwohl der Name Globeair etwas anderes andeutet, ist die Firma nur in Europa unterwegs. «Man muss die Kirche im Dorf behalten», sagt dazu der Chef. 984 Flughäfen können die Piloten ansteuern, darunter auch kleine Flugplätze wie St.Moritz oder Lugano. «Die Schweiz macht die Hälfte des Marktes aus», erklärt Fragner, für den 160 Menschen arbeiten.
Selbst fliegt er nicht mehr beruflich, nur noch zum Spass. Seine Haupttätigkeit als Firmenchef sei es, die Marke zu repräsentieren. So ist er etwa an Krypto-Events anzutreffen, weil 20 Prozent der Einnahmen durch Kryptowährungen kommen. Oder er ist mit dem Formel-1-Team von Sauber unterwegs, mit dem er eine Partnerschaft hat. «Vergangene Woche war ich mit Charles Leclerc einen Kaffee trinken», sagt er lässig.
Seine Kunden würden vor allem den Zeit-Faktor schätzen. «Sie müssen nur 15 Minuten vor dem Abflug am Flughafen sein», sagt Fragner. Dafür greifen sie tief in die Tasche: Ein Flug von Zürich nach Paris retour kostet 7000 Euro für vier Personen. Inklusive Catering. Das Geschäft von Globeair floriert, doch der öffentliche Druck nimmt zu.
2019 waren die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung für die Hälfte der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, wie eine Datenanalyse von Oxfam zeigt. Haupttreiber sind häufige Flugreisen – speziell mit Privatjets. Kein Wunder: Der Pro-Kopf-Verbrauch von Privatjets ist 14 Mal höher als bei einem Linienflug. Bernhard Fragner relativiert: «Das mag stimmen bei grossen Jets, doch unsere Flotte hat nur einen dreimal so hohen Pro-Kopf-Verbrauch.» Vor ein paar Jahren sei es noch rund neunmal so emissionsintensiv gewesen. Diese Reduktion habe er geschafft, indem er mehr Passagiere transportiere – dennoch seien ein Viertel Leerflüge. Für Fragner ist es eine Grundsatzfrage: «Will sich eine Gesellschaft das leisten, dass es Menschen gibt, die mit Privatjets reisen?»
watson zeigt ihm eine repräsentative Umfrage aus der Schweiz, bei der sich die Mehrheit für ein Inland-Flugverbot für Privatjets ausgesprochen hat.
Er sagt dazu: «Wenn sich die Gesellschaft so entscheidet, stehe ich dahinter, dass wir Kurzstreckenflüge bis zu 1500 Kilometer verbieten.» Obwohl das sein Geschäftsmodell töten würde, erklärt Fragner: «Vielleicht wird Globeair dann plötzlich doch global.» An ein europaweites Flugverbot für Privatjets glaubt er aber nicht. «Die Geschäftsluftfahrt ist ein Innovationstreiber. Ich bin in einer Arbeitsgruppe im EU-Parlament, wo wir Konzepte vorantreiben, bei denen man nur noch für den Start und die Landung fossile Treibstoffe benötigt. Dazwischen fliegt man mit Elektroantrieb.»
Er engagiere sich aber nicht, weil er «die Welt retten» wolle oder «aus grüner Überzeugung». Er sagt: «Ich mache das, weil wir uns als Gesellschaft weiterentwickeln müssen, da immer mehr Menschen auf diesem Planeten leben.» Eine spezielle Aussage, wenn man bedenkt, dass er mit seinen Privatjets für eine superreiche Minderheit steht. Doch er sehe das nicht «so singulär». Fragner sagt: «Das grosse Problem auf der Welt ist die Vermögensverschiebung von der Mittelschicht rauf zu den Vermögenden. Privatjets sind nur eine kleine rote Leuchte. Wichtiger ist es, dem Abschmelzen der Mittelschicht entgegenzuwirken.» Dabei helfe kein Privatjet-Verbot. Doch wie stellt er sich diese Umverteilung vor?
Fragners Lösung: «Ich kenne viele Superreiche, die gerne mehr Steuern bezahlen würden. Erst kürzlich traf ich einen Herrn aus Zürich mit einem Vermögen von 250 Millionen Franken. Er sagte mir, dass sich sein Leben überhaupt nicht verändern würde, wenn es nur noch 120 Millionen wären.» Doch wie erklärt sich Fragner Abstimmungen im Nationalrat, bei denen Politiker – auch Superreiche wie Magdalena Martullo-Blocher – sogar eine Steuersenkung für Topverdiener fordern? «Ich möchte ihr nicht zu nahe treten, aber da ist einfach noch nicht genug Selbstreflexion eingetreten.» Niemand benötige Milliarden oder hundert Autos. Er sagt:
Globeair fliegt nicht die Superreichen. Gehe schwer davon aus, dass der grösste Teil Geschäftsleute sind, die schnell von A nach B müssen.
Superreiche, wie sie gerne genannt werden, fliegen meist mit dem eigenen und/oder auch grösseren Privatjet.
So eine Citation Mustang, ist nicht für lange Reisen konzipiert, einerseits ist die Reichweite ziemlich beschränkt, andererseits das Platzangebot eher knapp.