Der Flugzeug- und Zughersteller Bombardier hat erst vergangene Woche bekanntgegeben, dass er aus seinem letzten grossen Flugzeugprogramm aussteigt. Nun wollen die Kanadier wohl auch das Eisenbahngeschäft loswerden.
Unter den grossen Zugherstellern bahnt sich aus der Not heraus ein milliardenschwerer Zusammenschluss an. Der französische Hersteller Alstom spricht mit seinem kriselnden kanadischen Rivalen Bombardier über den Kauf von dessen Zugsparte, die in Berlin sitzt und in Deutschland Tausende Mitarbeiter beschäftigt. Die Franzosen bestätigten am Montagmorgen Gespräche mit den Kanadiern.
Bombardier ist finanziell schwer angeschlagen. Probleme im Zuggeschäft rissen den Konzern 2019 tief in die roten Zahlen. Um zu Geld zu kommen, stieg der Konzern vergangene Woche bereits bei dem gemeinsam mit Airbus gebauten Kurz- und Mittelstreckenjet Airbus A220 aus. Die Kanadier hatten den Flieger unter dem Namen Bombardier C-Series für mehr als sechs Milliarden US-Dollar selbst entwickelt, sich dabei aber finanziell verhoben.
Die Bombardier-Führung sucht derzeit nach weiteren Möglichkeiten, den Schuldenberg des Konzerns abzutragen. Ein grosser Schritt könnte der Verkauf des Zuggeschäfts sein. Das «Handelsblatt» hatte bereits vergangene Woche unter Berufung auf Branchenkreise von dem Vorhaben berichtet und einen Kaufpreis von sieben Milliarden Euro genannt. Andere Medien nannten sieben Milliarden US-Dollar.
Alstom machte dazu keine Angaben. Die Verhandlungen mit den Kanadiern liefen noch, und es gebe noch keine endgültige Entscheidung, teilte das Unternehmen in Saint-Ouen-sur-Seine mit. Bei dem erwogenen Deal geht es den Angaben zufolge um den Kauf der gesamten Sparte Bombardier Transportation.
Die Transaktion wäre auch von grosser Bedeutung für Deutschland. Der Hauptsitz der Bombardier-Zugsparte ist in Berlin. Von den insgesamt 40 650 Mitarbeitern, die laut dem Unternehmen zuletzt in 60 verschiedenen Ländern tätig waren, arbeiten nach Gewerkschaftsangaben rund 6500 Stammbeschäftigte in Deutschland.
Hinzu kommen rund 1100 Leiharbeiter. Die grössten Standorte sind Hennigsdorf, Görlitz und Bautzen. Auch in Mannheim, Kassel und Siegen sind jeweils mehrere Hundert Menschen beschäftigt. Kleinere Standorte bilden zudem Braunschweig und Frankfurt.
Alstom war erst vor einem Jahr an Bedenken der europäischen Wettbewerbskommission mit dem Versuch gescheitert, mit der Zugsparte von Siemens zu fusionieren. Siemens und Alstom wollten im Bahnbereich fusionieren, um im globalen Wettbewerb besser aufgestellt zu sein. Die beiden Schwergewichte nahmen dabei vor allem den weltweit grössten Zughersteller aus China, CRRC, ins Visier.
Durch den nun diskutierten Deal mit Bombardier würde ein neuer grosser Bahntechnikkonzern mit etwa 15 Milliarden Euro Umsatz entstehen. Bisher konkurrieren die Unternehmen in vielen Bereichen. So baut Alstom unter anderem die bekannten französischen TGV-Hochgeschwindigkeitszüge, Regionalzüge, Metros und Strassenbahnen, bietet aber auch technische Lösungen für Schienen- und Signaltechnik an.
Bombardier ist mit seinen Zefiro-Hochgeschwindigkeitszügen in China und Italien im Geschäft. Auch Schienen- und Signaltechnik, Regionalzüge sowie U- und Strassenbahnen kommen von dem kanadisch-deutschen Hersteller, der auch an den ICE-Zügen von Siemens mitarbeitet.
Ärger gab es zuletzt mit den neuen Intercity-Zügen von Bombardier. Die Deutsche Bahn gab Ende Januar bekannt, dass sie 25 Exemplare wegen technischer Mängel nicht abnehmen werde. Offensichtlich gibt es Probleme mit der Software des Zugbetriebssystems. Auch beim Flaggschiff ICE 4 gab es Produktionsmängel, Siemens verwies bei dem Fehler ebenfalls auf Bombardier. (aeg/sda/awp/dpa)