Warum Trump jetzt seinem Kumpel Milei helfen muss
Vor rund 120 Jahren hat Joseph Conrad seinen Roman «Nostromo» veröffentlicht. Er spielt in einem fiktiven südamerikanischen Staat, der jedoch grosse Ähnlichkeiten zu Argentinien aufweist, und er hat eine deprimierende Botschaft: Das Land befindet sich in einer Endlosschleife von Krisen, Sozialrevolutionäre und Kapitalisten scheitern gleichermassen.
Leider sollte Conrad mit seinem fiktiven Argentinien bis heute Recht behalten. Obwohl das Land mit natürlichen Reichtümern gesegnet ist und einst zu den sechs reichsten Nationen der Welt gehörte, fällt es seit Jahrzehnten von einer Krise in die nächste. Entweder stürzen linke Peronisten das Land in eine Hyperinflation, oder libertäre Fanatiker treiben die eh schon hohe Armut mit einer absurden Sparpolitik in unerträgliche Höhen.
Anfänglich hatte Milei Erfolg
Derzeit ist Javier Milei Präsident Argentiniens. Er gehört ins Lager der Ultra-Libertären. Um die grassierende Inflation in den Griff zu bekommen, wollte er gar den Dollar als Landeswährung einsetzen. Davon hat er gelassen, nicht jedoch von einem harten Sparprogramm, der Streichung vieler Sozialprogramme und der Entlassung von Staatsangestellten in grossem Stil.
Anfänglich konnte Milei damit durchaus Erfolge verbuchen. Die Inflation nahm rapide ab, erstmals konnte im Staatshaushalt gar ein kleiner Primärüberschuss (Differenz von Einnahmen und Ausgaben ohne Berücksichtigung der Zinszahlungen) vermeldet werden. Argentinien wurde so über Nacht vom Sorgenkind zum Vorbild, zumal Milei wie Elon Musk in den USA mit der Kettensäge gegen die Bürokratie vorging.
Der argentinische Präsident wurde in der Folge Dauergast an konservativen Konferenzen. Auch am WEF in Davos durfte er auftreten. Renommierte Wirtschaftsmedien wie die «Financial Times» und «Economist» verfassten wohlwollende Artikel. Die USA besuchte Milei in den letzten zwei Jahren gar nicht weniger als zehn Mal und zollte dabei auch dem Sonnenkönig im Weissen Haus den gebührenden Tribut. Donald Trump lobte er als «einen der zwei relevantesten Politiker auf dem Planeten Erde».
«Sic transit gloria mundi» würde der Lateiner an dieser Stelle sagen. Mileis Stern ist am Sinken, und zwar rapide. Weil er eine wichtige Regionalwahl im Bezirk Buenos Aires – dort wohnen rund 40 Prozent aller Bewohner Argentiniens – weit deutlicher als angenommen verlor, ist auf den Finanzmärkten die Hölle ausgebrochen. Der Peso verlor 15 Prozent an Wert, die Aktienmärkte brachen gar um über 30 Prozent ein, und die Renditen der Staatsanleihen schossen zwei Prozent in die Höhe.
Die Tatsache, dass Mileis einflussreiche Schwester Karina in einen üblen Korruptionsskandal verwickelt ist, hat die Nerven der Finanzgemeinde ebenfalls nicht wirklich beruhigen können. Jetzt wird gar befürchtet, dass der Präsident auch die Zwischenwahlen im kommenden Oktober verlieren und in zwei Jahren aus dem Amt gejagt werden könnte. Bereits wird auch ein Nachfolger ins Spiel gebracht: Axel Kicillof, ein linker Politiker und Wirtschaftsminister unter Präsidentin Cristina Fernandez.
Angesichts dieser Entwicklung tut Donald Trump etwas, was er eigentlich nicht tut: Er hilft einem anderen Land. Heute trifft er Milei, um mit ihm die Details der Unterstützung zu besprechen. Finanzminister Scott Bessent hat im Vorfeld bereits durchblicken lassen, wie sie aussehen könnte. Er lasse abklären, ob Hilfe via «Swap-Linien (fragt nicht), direkte Devisenaufkäufe oder Käufe von in Dollar notierten Staatsschulden» erfolgen solle.
Aktuell besteht das grösste Problem darin, eine massive Abwertung des Pesos zu verhindern. Das ist leichter gesagt als getan. Ein 20-Milliarden-Dollar-Kredit des Internationalen Währungsfonds ist bereits aufgebraucht. Die argentinische Notenbank hat 1,1 Milliarden Dollar aus ihren Reserven aufgewendet, um den Peso zu stützen. Damit hat sie ihr Pulver weitgehend verschossen, das Problem jedoch nicht gelöst.
Guido Sandleris, ehemals Chef der argentinischen Zentralbank und Professor an der John Hopkins University, beschreibt den Grund des Übels in der «Financial Times» wie folgt: «Es handelt sich um ein Zu-kleine-Decke-Problem. Die Regierung hat alles getan, um die Inflationsseite abzudecken, hat aber zu wenig getan, um sich gegen politische Schocks abzusichern.»
Das wird auch weiterhin der Fall sein. Milei hat zwar seine schwere Niederlage bei den Regionalwahlen eingestanden, gleichzeitig jedoch auch trotzig versichert, nicht von seinem libertären Pfad abzurücken. «Es hat uns so viel gekostet, bis dahin zu gelangen», erklärt er. «Wir haben enorme Fortschritte erzielt, und es ist uns gelungen, uns teilweise aus dem Loch zu befreien. Obwohl der Weg steinig ist, stimmt die Richtung.»
Das wird allerdings von Ökonomen zunehmend bezweifelt. So erklärt beispielsweise Gabriel Caamaño von der Beratungsfirma Outlier in der «Financial Times»: «Die Dynamik ist nicht aufrechtzuerhalten. Nicht, weil die Notenbank bald keine Dollarreserven mehr hat, sondern, weil so viel Pesos in Dollar konvertiert werden und damit die wirtschaftliche Entwicklung abgewürgt wird.»
Es gab eine Zeit, in der der ehemalige deutsche Finanzminister Christian Lindner und andere Liberale davon sprachen, auch wir müssten «mehr Musk und Milei» wagen. Dieses Zitat ist schlecht gealtert. Elon Musk und sein grossmaulig angekündigtes Sparprogramm haben sich als Luftnummer erwiesen. Javier Milei muss derweil bangen, wie lange ihm Trump noch unter die Arme greifen wird. Und selbst das könnte nicht reichen. «Mr. Trumps Dollars werden ihn nicht retten», stellt der «Economist» lakonisch fest.