Wirtschaft
International

Wie Super-Macho Jair Bolsonaro im Kampf gegen das Coronavirus versagt

Brazil's President Jair Bolsonaro speaks during a press conference on the resignation of Justice Minister Sergio Moro, at the Planalto Presidential Palace in Brasilia, Brazil, Friday, April 24, 2 ...
«Was soll's?» So antwortet Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro auf die Coronakrise.Bild: AP

Wie Super-Macho Jair Bolsonaro im Kampf gegen das Coronavirus versagt

Brasilien ist zum neuen Corona-Hotspot geworden – und Präsident Jair Bolsonaro gibt sich alle Mühe, die Epidemie noch dümmer zu managen als der US-Präsident.
21.05.2020, 06:5921.05.2020, 12:54
Mehr «Wirtschaft»

Als der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro gefragt wurde, weshalb sein Land so viel mehr Corona-Tote habe als China, entgegnete er lächelnd: «So what? Was soll ich dagegen tun?»

Die Antwort ist typisch für Bolsonaro. Sein Machismo ist selbst für südamerikanische Massstäbe unerträglich. Über das Coronavirus macht er sich lustig. Er besucht lieber Grill-Partys als Spitäler. Minister, die seine Meinung nicht teilen, feuert er kurzerhand.

epa08428636 Supporters of Brazilian President Jair Bolsonaro attend a rally to show their support at Esplanada dos Ministerios, in Brasilia, Brasil, 17 May 2020. EPA/Joédson Alves
Pro-Bolsonaro-Demonstranten in Brasília.Bild: EPA

Zuerst musste Luiz Henrique daran glauben. Der allseits beliebte Gesundheitsminister und Arzt hatte sich für einen Lockdown ausgesprochen. Sein Nachfolger Nelson Teich, ebenfalls ein Mediziner, warf nach wenigen Wochen freiwillig das Handtuch. Er mochte die verantwortungslose Politik des Präsidenten nicht mehr mittragen.

Das ist nicht weiter verwunderlich. Brasilien ist zum Corona-Hotspot geworden. Weit über 250’000 Menschen sind mittlerweile mit dem Virus infiziert. Nach den USA und Russland belegt Brasilien somit den dritten Platz der Corona-Hitparade. Und das sind nur die offiziellen Zahlen. Inoffiziell dürften es inzwischen Millionen sein.

Eingeborene im Amazonasgebiet sind davon genauso betroffen wie die Städter in Rio de Janeiro und São Paulo. Wer es sich leisten kann, flieht. So tauschte etwa Milliardär und Formel-1-Papst Bernie Ecclestone seinen Wohnsitz von einer Farm bei São Paulo mit einem Chalet in Gstaad ein.

All dies kann den ehemaligen Hauptmann der Armee Bolsonaro nicht erschüttern. Wie sein grosses Vorbild Donald Trump verachtet er Wissenschaft und Vernunft, und wie der US-Präsident schlägt er die Warnungen der Mediziner in den Wind. Auch er empfiehlt das umstrittene Medikament Hydroxychloroquin, das gegen Malaria eingesetzt wird. Dessen Wirkung gegen das Coronavirus ist hingegen nicht bewiesen und seine Nebenwirkungen können Menschen umbringen.

Wie Trump will Bolsonaro die Wirtschaft ohne Rücksicht auf Verluste wieder öffnen. Dies, obwohl die Corona-Fälle in Brasilien explodieren und die Spitäler bereits jetzt überlastet sind und in der Amazonas-Stadt Manaus notfallmässig Massengräber ausgehoben werden müssen.

President Donald Trump smiles as he holds a debit card handed to him by Treasury Secretary Steven Mnuchin that will be used to send payments by the Treasury Department during a Cabinet Meeting in the  ...
Bolsonaros Vorbild ist Donald Trump.Bild: AP

Es könnte alles noch viel schlimmer werden, denn das Virus ist mittlerweile auch in den Favelas angekommen, den Slums von São Paulo und Rio de Janeiro. Dort leben die Menschen auf engstem Raum und ohne sanitäre Einrichtungen.

All dies kümmert Bolsonaro nicht. Er ist mit dem Versprechen angetreten, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Deshalb hat er den liberalen Ökonomen Paulo Guedes zum Finanzminister ernannt und ihn mit weit reichenden Reformen beauftragt. Das hat dem Präsidenten den Goodwill des Businessführers eingebracht. Allgemein wurde erwartet, dass die seit Jahren stagnierende brasilianische Wirtschaft wieder in Schwung kommt.

Dank den versprochenen Wirtschaftsreformen drückte das brasilianische Establishment zunächst beide Augen zu, wenn es um das Verhalten seines Präsidenten ging. Anzügliche sexistische Bemerkungen überhörte man genauso wie martialische Prahlereien. Finanzminister Guedes bekannte gar, Bolsonaro «habe schlechte Manieren, aber grossartige Prinzipien».

Die ökologischen Zerstörungen, welche Bolsonaro im Amazonasgebiet zuliess, erregten zwar weltweite Proteste. In Brasilien selbst blieb die Position des Präsidenten unangetastet.

Das könnte sich nun ändern. Die weltweite Coronakrise trifft das Rohstoff-Land Brasilien schwer. Statt des erhofften Aufschwungs wird die Wirtschaft in eine schwere Rezession schlittern. Unternehmer und Top-Manager verlieren das Vertrauen in die Regierung.

epa08397910 People demonstrate outside the Federal Police headquarters as former Justice Minister and former judge Sergio Moro testifies in the framework of the investigation opened against President  ...
Pro-Bolsonaro-Demonstrantin nach dem Rücktritt von Justizminister Sérgio Moro.Bild: EPA

Der Rücktritt von Sérgio Moro hat diesen Vertrauensverlust noch verstärkt. Der hoch geachtete Justizminister hatte sich geweigert, eine Bolsonaro nicht genehme Untersuchung zu stoppen. Inzwischen fürchtet das brasilianische Establishment, dass auch Finanzminister Guedes den Bettel hinschmeissen könnte.

Aussenpolitisch hat Bolsonaro sein Land ins Abseits manövriert. Aus Angst vor dem Virus hat selbst Venezuela seine Grenzen für Brasilianer hermetisch geschlossen. Der Trump-hörige Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, erklärt derweil: «Brasilien hat grosse wissenschaftliche und wirtschaftliche Kapazitäten, aber es ist offensichtlich, dass seine Führung das Coronavirus unwissenschaftlich bekämpfen will.»

PS: Die USA, Russland, Brasilien und Grossbritannien haben mittlerweile weitaus die meisten Corona-Infizierten. Alle vier Länder werden von Supermachos geführt, die sich anfänglich über das Virus lustig gemacht haben. Bloss Zufall?

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Leute lassen sich jetzt Corona-Tattoos stechen
1 / 24
Leute lassen sich jetzt Corona-Tattoos stechen
Auf Facebook teilenAuf X teilen
So sieht eine Coronakonforme Klimademo aus
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
197 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
paddyh
21.05.2020 07:55registriert Januar 2016
Die letzten Jahre haben gezeigt, das die Leute solche Trottel trotzdem wiederwählen. Ich jedenfalls habe die Hoffnung aufgegeben, dass es in naher Zukunft eine vernünftige Führung in Brasilien oder den USA geben wird. Zu gross ist die Spaltung der Gesellschaft, zu effektiv ist der Bildungsabbau, zu unüberwindbar die Chancenungleichheit. Ich wäre wirklich froh, wenn so etwas bei uns nicht passieren würde.
66522
Melden
Zum Kommentar
avatar
Gawayn
21.05.2020 07:52registriert März 2018
Es ist einfach nur noch widerlich alle diese grusligen Politclowns, die auf der Weltbühne erscheinen.
Die Welt ist komplett durch gedreht.
Bolsonaro, Johnson, Erdogan, Kim und den irren Trumpel!

Totale Spinner die eigentlich in einer Zwangsjacke und in die Gummizelle gehören, bestimmen über das Weltgeschehen!

Einfach der totale abgedrehte Wahnsinn!
60125
Melden
Zum Kommentar
avatar
banda69
21.05.2020 07:56registriert Januar 2020
"Wie Trump will Bolsonaro die Wirtschaft ohne Rücksicht auf Verluste wieder öffnen."

Sind wir doch alle froh, haben die menschen- und umweltfeindlichen Rechtspopulisten in der Schweiz nie mehr als 30% Wähleranteil erreicht.
19522
Melden
Zum Kommentar
197
Prager Spital führt Abtreibung bei falscher Patientin durch

Infolge einer Verwechslung hat ein Prager Krankenhaus an einer schwangeren Frau eine Abtreibung durchgeführt. Wie tschechische Medien am Donnerstag berichteten, wollte die Frau nur zu einer Routinekontrolle im Rahmen ihrer Schwangerschaft in die Gynäkologie-Abteilung der Klinik. Sie wurde aber mit einer Patientin verwechselt, die zu einer sogenannten Kürettage (Gebärmutter-Ausschabung) gekommen war.

Zur Story