Amerikanische Konzerne dominieren nach wie vor unter den wertvollsten Börsenunternehmen der Welt - auch wenn die Aktien von Apple, Microsoft, Alphabet und Tesla eingebrochen sind. Europa und Deutschland fallen zurück.
Die Vereinigten Staaten hängen Europa trotz grosser Kursverluste von US-Techkonzernen an der Börse ab. Unter den 100 wertvollsten Börsenunternehmen der Welt stammen alleine 61 aus den USA, nur eins weniger als im Vorjahr, wie eine Studie der Beratungsgesellschaft EY zeigt. Unter den ersten zehn ist demnach kein Unternehmen aus Europa vertreten und nur eines von ausserhalb der USA - der Ölkonzern Saudi Aramco. An der Spitze des am Donnerstag veröffentlichten Rankings blieb zum Stichtag 27. Dezember Apple mit gut zwei Billionen Dollar Börsenwert vor Saudi Aramco und Microsoft.
Die Schweiz belegt mit den gewohnten Titeln Nestlé (Rang 23), Roche (Rang 32) und Novartis (Rang 45) erneut den fünften Platz im Länderranking der 100 wertvollsten Unternehmen. Die stabile Präsenz zeige, dass die Schweiz im internationalen Kontext nach wie vor erfolgreich wirtschafte und als relativ kleines Land eine bedeutende Rolle in der europäischen und globalen Wirtschaft spiele, stellen die Berater von EY fest.
In die Top 300 schaffen es insgesamt neun Schweizer Unternehmen, nebst den drei bereits genannten Firmen konkret noch Chubb Limited (Rang 144), Glencore (153), Richemont (182), Zurich (190), UBS (238) und ABB (246), wie die Studie zeigt.
Deutschland ist unter den Top 100 gar nicht vertreten - der Softwarehersteller SAP als wertvollster Dax-Wert kommt erst auf Rang 106. Der Industriegasekonzern Linde, der seit der Fusion mit dem US-Unternehmen Praxair seinen Sitz in Irland hat, belegt Rang 59.
Unternehmen aus den USA dominieren schon seit vielen Jahren die Weltbörsen - beflügelt vom Wachstum der Techkonzerne, die im Börsenboom der vergangenen Jahre rasant an Wert gewonnen hatten. Doch mit den Zinserhöhungen der grossen Zentralbanken im schwachen Börsenjahr 2022 bekamen die zinssensiblen Tech-Riesen Gegenwind. Technologiekonzerne verloren EY zufolge im Verlauf des Jahres 33 Prozent ihres Börsenwerts. Allein Tesla, Apple, Meta, Microsoft, Alphabet und Amazon büssten zusammen 4.6 Billionen Dollar ein.
Insgesamt verloren die 100 der grössten Börsenunternehmen 7.2 Billionen Dollar oder 20 Prozent ihres Werts. Während auch Konsumgüter- und Telekommunikationsfirmen kräftige Kursverluste verzeichneten, ging es dank höherer Rohstoffpreise vor allem für Energiekonzerne aufwärts (plus 12 Prozent). «Der starke Anstieg der Zinsen, der Ukraine-Krieg und die weltweit steigenden Energiepreise - all diese Entwicklungen haben Spuren an den Weltbörsen hinterlassen», sagte Henrik Ahlers, Vorsitzender der EY-Geschäftsführung.
Unter den 100 grössten Börsenunternehmen haben EY zufolge nur 15 ihre Zentrale in Europa, wertvollster Vertreter ist demnach der französische Luxuskonzern LVMH auf Rang 15. Aus Asien kommen 19 der grössten Börsenunternehmen, angeführt vom Techkonzern Tencent.
Die Bedeutung Europas an der Börse schwindet seit Jahren. Ende 2007, vor dem Höhepunkt der Finanzkrise, kamen laut EY noch 46 der 100 wertvollsten Unternehmen der Welt aus Europa und immerhin sieben aus Deutschland. Ende 2021 waren es noch zwei: SAP und Siemens. Die Bundesrepublik sei an den Börsen unterrepräsentiert, sagte Ahlers. Doch die Regeln für die digitale Wirtschaft würden von Unternehmen aus den USA und Asien gemacht. In Deutschland fehlten eine ausgeprägte Gründerkultur und gute Finanzierungsbedingungen für junge Firmen. Jedoch hat Deutschland viele mittelständische Weltmarktführer und auch nicht-börsennotierte Konzerne von Weltrang wie Lidl und Aldi oder den Autozulieferer Bosch.
Dazu kommt, dass Deutschland und Europa überdurchschnittlich stark unter dem Ukraine-Krieg und dem Anstieg der Energiepreise leiden. «In den USA können Industrieunternehmen derzeit deutlich günstiger produzieren, der Krieg ist für sie weit weg, eine Gaskrise muss dort niemand fürchten», sagte Ahlers. Daher spreche wenig für eine Renaissance Deutschlands und Europas an den Weltbörsen im neuen Jahr. (aeg/sda/awp/dpa)