In einer perfekten Welt würden Kinder an ihrem Geburtstag einen Kuchen in die Krippe, den Kindergarten oder die Schule bringen und die Sonne würde scheinen. Alle Klassenkamerädli würden «Happy Birthday» singen, dann würde das Geburtstagskind die vier bis zwölf Kerzen ausblasen und alle würden sich ein Stück des Kuchens in den Kopf stopfen.
Aber die Welt ist leider nicht perfekt. Ein italienisches Gericht musste eine geschiedene, vegan lebende und erziehende Mutter dazu anhalten, ihren 12-jährigen Sohn mit Fleisch zu versorgen, ansonsten erleide dieser an den Besuchstagen beim carnivoren Vater einen Diätschock.
Nun flammt erneut die Debatte auf, wie Eltern die Ernährung ihrer Kinder ausgestalten sollen. Gesund? Sicher. Vegan? Eher nicht. Oder doch? Vegetarisch? Okay. Die Debatte hat ihre Berechtigung.
Der Veganismus, der Gegentrend zur industriell produzierenden Fleischwirtschaft, ist keine Modeerscheinung, sondern wird sich noch weiter manifestieren – nicht aus Tierliebe oder Protest gegen die Fleischwirtschaft, sondern als eigentlicher kulinarischer Code der Globalisierungs- und Kapitalismuskritiker. Kurz: Was für die Hippies der Pazifismus war, ist der Veganismus für die Generation X.
So droht die Veganismus-Debatte auf die theoretische Ebene geführt zu werden. Aber dort gehört sie nicht hin. Zumindest nicht nur. Sie gehört auch auf die Ebene des Geburtstagskuchens für Krippe, Kindergarten oder Schule. Und in die Lebenswelt von Eltern, die des Backens nicht mächtig sind.
Nebst den üblichen Widrigkeiten, die das Backen für Ungeübte mit sich bringt, ist es heute bereits fast unmöglich, die formalen Voraussetzungen für den Geburtstagskuchen zu erfüllen.
Es fängt damit an, dass es schon gar kein Kuchen mehr sein darf. Zur Konfliktprävention und um sicher zu stellen, dass kein Kind sich benachteiligt fühlen kann, sollen die Geburtstagskuchen in Cupcakes oder in anderweitig vorportionierter Form daherkommen.
Dann kommen die Regeln der Allergiker-, Vegetarier und Veganer-Kinder. Nüsse jeglicher Art, Zitrone, Mandeln und ähnliches gilt es genau so zu meiden, wie jegliche Formen von aus Knochenmehl hergestellter Gelatine. Um Nicht-Allergiker- und Fleischesser-Kinder gleich zu behandeln, macht man also zwei Arten von Küchlein: Die gefahrlosen Küchlein und die sündigen Zucker-Fett-Bomben. Diese steckt man in verschiedene Tupperwares und schreibt sie feinsäuberlich an.
Das alles ist eine ziemlich grosse Herausforderung und hat man es dann geschafft, die entsprechenden Zutaten in allen verschiedenen Reformhäusern westlich des Limmattaler Kreuzes zusammenzukaufen, die Rezepte verzehrstauglich zuzubereiten und das Zeug in die gewünschten Cupcakes und Tupperwares abzufüllen, stellt sich eine tiefe Befriedigung ein.
Die sich allerdings flugs in Ärger verwandelt, wenn das Kind zum Mittagessen das Veganer- und Allergiker-Tupperware leicht enttäuscht genau so voll wieder zurückbringt, wie man es am Morgen in den Rucksack gepackt hat. Die Erklärung, leicht vorwurfsvoll vorgebracht: Verschiedene Kinder hätten die Küchlein nicht essen dürfen.
Nachforschungen ergeben: Die über die Cupcakes gestreuten Schokowürfelchen seien nicht über jeden Verdacht erhaben gewesen.
Sie hätten Spuren von Knochenmehl enthalten können...
Ganz ehrlich: ich selber habe es noch nie erlebt, dass mich Veganer zu bekehren versucht haben... Angerete Diskussionen; ja! Da wurden Argumente ausgetauscht und Standpunkte vehement vertreten, klar. Aber von Bekehrungsversuchen kann keine Rede sein. Dass es welche gibt, die einen «religiösen» Eifer an den Tag legen, streite ich aber sicher nicht ab.
Niemand will uns den Fleischkonsum verbieten. Es würde uns aber gut anstehen, über verzehrte Menge, Herkunft, Produktion und deren Ressourcenverbrauch nachzudenken und uns vielleicht etwas anzupassen. Denn so können wir auch nicht weiter machen.