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MoneyTalks: Was ein «Zertifikat» ist und was es dir bringen kann

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Was ein «Zertifikat» ist und was es dir bringen kann

Was ist eigentlich ein Derivat? Was sind Zertifikate? Und für wen eignen sie sich? Was du über strukturierte Produkte wissen solltest.
17.02.2022, 14:43
Olga Miler
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Die Schweiz hat dank eines hoch entwickelten, effizienten und transparenten Handels einen blühenden Markt an strukturierten Produkten. 2021 betrug der Handelsumsatz ungefähr 20.1 Milliarden Franken und es wurden über 778'000 Abschlüsse getätigt (Quelle: SIX). Den Anleger:innen standen per Dezember über 41'269 strukturierte Produkte und Warrants zur Verfügung. Die Auswahl und Vielfalt sind gross und ich bekomme in Finanzseminaren immer häufiger Fragen nach verschiedenen strukturierten Finanzprodukten, vor allem auch nach Zertifikaten. Grund genug für einen kurzen Erklärartikel, was es damit auf sich hat 😉.

Was sind strukturierte Produkte und Derivate?

Strukturierte Produkte sind Wertpapiere, die an der Börse gehandelt werden und eine sogenannte «derivative Komponente» beinhalten. Die derivative Komponente oder Derivat ist wie ein Vertrag, der in seiner einfachsten Machart festlegt, dass ein bestimmter Basiswert (z.B. eine Aktie oder ein Rohstoff wie Gold) zu einem bestimmten, im Voraus vereinbarten Preis gekauft oder verkauft werden kann oder muss.

Damit hast du mit dieser Art Produkt die Möglichkeit, auf einen steigenden oder fallenden Preis quasi zu «wetten» oder eine bestimmte Preisentwicklung abzusichern. Derivate gibt es schon sehr lange, ursprünglich wurden sie von Bauern zur Absicherung des Erntepreises eingesetzt. So hat z.B. ein Bauer einen Händler bereits im Winter dazu verpflichtet, die Getreideernte für einen vorher vereinbarten Preis von z.B. 1000 Franken dann im Herbst zu kaufen. Kam der Herbst und das Getreide war nur 600 Franken wert, dann war das ein gutes Geschäft für den Bauern. War die Ernte aber 1’300 Franken wert, weil gerade Getreideknappheit herrschte, dann hatte der Händler die Nase vorn.

Im Unterschied zum Basisprodukt, im Beispiel hier Getreide, musst du beim Abschluss eines Derivats viel weniger Geld in die Hand nehmen, um einen vergleichbaren Gewinn oder Verlust zu erzielen (Kosten für das Produkt nicht eingerechnet), als wenn du das Basisprodukt selbst gekauft hättest. Deshalb heissen Derivate auch Hebelprodukte.

Heute gibt es ganz verschiedene Arten von strukturierten Produkten, von einfachen Index-Trackern bis hin zu komplexen Hebelprodukten. Im Gegensatz zu z.B. Aktien, welche dir ein Miteigentum am Unternehmen, von welchem du die Aktie besitzt, ermöglichen, hast du bei strukturierten Produkten so ein Miteigentum nicht, aber du nimmst an der Wertentwicklung teil – je nach Art des Produktes profitierst du z.B. von steigenden und/oder fallenden Kursen und bekommst an einem bestimmten Datum, dem Fälligkeitstag, einen bestimmten Betrag ausgezahlt, oder in manchen Fällen den Basiswert selbst. Gehandelt werden strukturierte Produkte an der Börse oder über den Herausgeber.

Was ist ein Zertifikat?

Zertifikate sind Wertpapiere, in welche der Herausgeber Derivate «eingebaut» hat, um deren Wert/Preis von einem oder mehreren anderen Basiswerten abzuleiten, z.B. von Aktien, Aktienkörben, Rohstoffen, Währungen oder Indizes wie dem SMI, DAX, Eurostocks 50 etc. Eine Liste der beliebtesten Basiswerte findest du z.B. hier.

Je nach Machart des Zertifikates kann dessen Kurs bei steigenden, fallenden oder stagnierenden Preisen des zugrunde liegenden Basiswerts nach oben (oder unten) gehen. Damit erlauben dir Zertifikate, Wetten auf bestimmte Kursentwicklungen abzuschliessen. Rechtlich sind sie Schuldverschreibungen der herausgebenden Bank oder des Herausgebers. Das bedeutet, dass du im Falle der Insolvenz des Herausgebers dein eingesetztes Kapital verlieren kannst. Passiert ist das z.B. bei der Finanzkrise 2008 und der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers, deren Zertifikate dann nahezu wertlos waren.

Vor- und Nachteile

Es gibt eine sehr grosse Auswahl an verschiedenen Zertifikaten, je nachdem wofür man sie einsetzten will und wie sie gebaut sind, z.B. Index-Zertifikate, welche die Entwicklung eines zugrunde liegenden Index nachvollziehen, Basket-Zertifikate, die einen Basket (Korb) von Werten (z.B. verschiedene Aktien) abbilden, Garantie-Zertifikate, welche eine bestimmte Laufzeit haben und dir garantieren, dass du am Ende dein eingesetztes Kapital bekommst, und jede Menge weiterer Formen.

Die Vorteile:

  • Möglichkeit, eine Vielzahl von Anlagestrategien abzubilden, z.B. kannst du auf fallende, steigende und seitwärts laufende Kurse setzen.
  • Auszahlungsprofile, die durch den einfachen Kauf/Verkauf des Basiswerts nicht erreichbar sind, z.B. nur Teilnahme an Kursgewinnen, aber nicht Verlusten.
  • Liquidität: Da die Zertifikate an der Börse gehandelt werden, kannst du sie auch wieder verkaufen. Bitte Abschläge beachten, diese können beträchtlich ausfallen.
  • Abbildung von einer Spezialauswahl, z.B. wenn du in Themen oder eine Kombination von bestimmten Aktien investieren möchtest, die es als Fonds so nicht gibt.

Die Nachteile und Risiken:

  • Hohe Kosten: Oft sind Zertifikate im Vergleich zu z.B. gängigen ETFs und Fonds teuer und es können auch Kosten anfallen, welche nicht sofort ersichtlich sind und direkt dem Wertpapier belastet werden.
  • Komplexität: Je nach Machart können Zertifikate (hoch)komplex sein, was das Einschätzen von Risiken und Gewinnchancen sehr schwierig machen kann und ausserdem wegen des Strukturierungsaufwands zu den höheren Kosten beiträgt.
  • Herausgeber-Risiko: Da Zertifikate Schuldverschreibungen sind, kann es bis zu einem Totalverlust des angelegten Vermögens kommen, wenn der Herausgeber pleite geht.
  • Begrenzte Gewinnchancen: Je nach Machart des Zertifikats kann der Gewinn begrenzt sein oder du hast ein höheres Risiko, als wenn du direkt in den Basiswert investierst.

Für wen eignen sich Zertifikate?

Zertifikate eignen sich eher für erfahrenere Anleger:innen, z.B.:

  • Wenn du eine bestimmte Anlagestrategie verfolgen möchtest und dein Ziel auf einem anderen Weg nicht erreichen kannst, z.B. weil keine alternativen Finanzprodukte zur Verfügung stehen oder die Beträge für die Anlage zu hoch sind.
  • Du bewusst dieses Instrument als Hebel einsetzen möchtest, um z.B. auf steigende oder fallende Preise bzw. auf ein ganz bestimmtes Auszahlungsprofil zu wetten.
  • Du das entsprechende Zertifikat verstehst und dir der möglichen Risiken und Kosten bewusst bist.

Wie ihr seht, ergeben sich aus strukturierten Produkten eine Vielzahl von Möglichkeiten, aber es braucht gute Information oder Beratung, um diese auch zielführend einsetzen zu können.

Habt ihr Zertifikate oder andere strukturierte Produkte? Oder setzt ihr eher auf Fonds und ETFs? Welche Erfahrungen habt ihr gemacht?

olga miler, frauen und geld, blog, watson
bild: zvg
Olga Miler ...
... war über zehn Jahre in verschiedenen Funktionen bei der UBS tätig, unter anderem hat sie dort das Frauenförderungsprogramm und den UBS Gender ETF aufgebaut. Jüngst gründete sie das Start-up SmartPurse, eine Plattform, auf der sie digitale Kurse und Workshops zum Thema Finanzen für Frauen anbietet. Letztes Jahr schrieb Miler den watson-Blog «Frauen und Geld» und wird uns dieses Jahr mit «MoneyTalks» an ihrer Expertise teilhaben lassen.
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