Die Ereignisse erinnern an den «Schwarzen Mittwoch» im Oktober 1992. Damals versuchte die Bank of England einen Angriff von Spekulanten auf das Pfund abzuwehren, indem sie die Leitzinsen über Nacht auf 15 Prozent anhob. Ohne Erfolg. Das Pfund wurde abgewertet und musste die europäischen Währungsschlange – den Vorläufer des Euro – verlassen.
Öl- und Gas sind für rund drei Viertel der russischen Exporte und mehr als die Hälfte der Staatseinnahmen verantwortlich. Weil es nicht gelungen ist, die Wirtschaft auf den neuesten Stand zu bringen, muss Russland ausser Rohstoffen fast alles importieren, was das Land zum Leben braucht. Beides zusammen macht den Rubel äusserst abhängig vom Ölpreis – und der fällt und fällt.
Die russische Nationalbank greift zum klassischen Mittel: Sie hat die Leitzinsen über Nacht auf 17 Prozent erhöht. Sie hofft damit, die Flucht in den Dollar und den Euro zu stoppen. Dieses Mittel hat jedoch starke Nebenwirkungen: Hohe Zinsen würgen die Wirtschaft ab, und die russische Wirtschaft befindet sich ohnehin schon am Rande einer Rezession. Zudem hat die russische Notenbank noch Devisenreserven in der Höhe von mehr als 400 Milliarden Dollar.
Wer Rubel hat, der gibt sie aus. Moskaus Warenhäuser werden mit Panikkäufen geleert. Die grosse Mehrheit der Russen ist jedoch nach wie vor arm und daher von der Rubelschwäche höchstens am Rande betroffen.
Die russischen Banken. Sie haben rund 600 Milliarden Dollar Schulden, Dollar wohlverstanden. Weil sich der Wert des Rubels gegenüber dem Greenback halbiert hat, haben sich diese Schulden verdoppelt.
Solange sich die Krise auf Russland beschränkt, besteht wenig Gefahr. Ökonomisch gesehen ist die russische Wirtschaft unbedeutend, das Bruttoinlandprodukt ist gerade mal rund vier Mal grösser als das schweizerische. Die Gefahr lauert an einer anderen Stelle. Die letzte Russlandkrise 1998 hatte zu Folge, dass das amerikanische Hedge Fund Long Term Capital Management ins Schleudern geriet. Das wiederum löste einen Dominoeffekt aus, der beinahe das internationale Finanzsystem zum Einstürzen brachte.
Schwer zu sagen. Man weiss einzig, dass einzelne Banken grosse russische Kredite in den Büchern führen. Dazu gehören die Société Général, die italienische UniCredit und die österreichische Raiffeisenbank.
Genaues weiss man nicht, doch sie dürften gewarnt sein. Die CS hat bei der letzten Rubelkrise sehr viel Geld verloren.
Ausser bei Engadiner Hoteliers und Luzerner Uhrenhändlern dürfte sich der Schaden in Grenzen halten. Die Schweizer Exporte betragen rund drei Milliarden Franken (2012), Russland belegt damit in der Exportstatistik bloss Rang 15.
Auch hier gilt: Der direkte Schaden ist überschaubar. Gefährlich sind allenfalls ungewollte und nicht kontrollierbare Nebeneffekte. Die Weltwirtschaft hat sich noch lange nicht von der Krise erholt. Der Kollaps einer grossen Bank beispielsweise könnte einen Schock mit unkalkulierbaren Folgen auslösen.
Die Annektion der Krim hat Putin zu einem Popularitätshoch verholfen. In Umfragen erhält er eine Zustimmung für seine Politik von über 80 Prozent. Vorläufig muss er sich keine Sorgen machen.
Russland ist eine Atommacht und wird von einem diktatorischen, unberechenbaren Präsidenten regiert. Zudem verschlechtert sich die wirtschaftliche Situation täglich. Die Inflation beträgt bereits rund zehn Prozent, eine Rezession droht, die Banken haben faule Kredite in beträchtlicher Höhe in den Büchern. Putin hat als Erneuerer der Wirtschaft versagt. Anstatt sie zu reformieren, hat er sie in die Hände ihm ergebener Oligarchen gelegt. Jetzt braucht er Sündenböcke und beginnt, wie einst Stalin, die Bevölkerung mit einer Propaganda-Walze zu überrollen. So gesehen ist die Gefahr für den Weltfrieden beträchtlich.