3582 Franken monatlich für Ungelernte, 4369 Franken für Mitarbeitende, die eine Lehre (eidgenössisches Fähigkeitszeugnis) absolviert haben. Das sind die Mindestlöhne im Gastgewerbe laut Gesamtarbeitsvertrag. Die Marktlöhne liegen teilweise höher – und könnten mittelfristig ansteigen. Laut einer Erhebung der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich in den nächsten 12 Monaten um rund 3,8 Prozent.
Dafür verantwortlich ist der Mangel an Arbeitskräften; die Verhandlungsposition für Service- und Küchenpersonal ist derzeit gut.
Die Vorzüge der Branche hebt auch Casimir Platzer hervor. Die Arbeit im Gastgewerbe habe «viele vorteilhafte und schöne Seiten», sagt der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gastro Suisse auf Anfrage von watson. Im Moment handle es sich zudem um einen Arbeitnehmermarkt, was dem Personal entsprechend erlaube, höhere Löhne zu verlangen.
Roger Lang von der Arbeitnehmerorganisation Hotel & Gastro Union betont auf Anfrage von watson jedoch, dass die Prognose der Konjunkturforschungsstelle differenziert zu betrachten sei. Topfachkräfte mit qualifiziertem Berufsabschluss könnten die derzeitige Lage am Arbeitsmarkt ausnutzen, weil sie über genug Selbstvertrauen verfügten, höhere Löhne zu verhandeln. Aber:
Der von Gastro Suisse angesprochene Arbeitnehmermarkt wird vom Gastronomie-Familienbetrieb Bindella bestätigt. Das Unternehmen, welches in der ganzen Schweiz Lokalitäten betreibt, hat viele offene Stellen, die Lohnforderungen seien aktuell tendenziell höher als in der Vergangenheit, sagt Inhaber Rudi Bindella.
Höhere Lohnforderungen bestätigt auch die Genossenschaft ZFV-Unternehmungen, welche in der ganzen Schweiz zahlreiche Restaurants betreibt. Diese spielen allerdings keine grosse Rolle, weil ein 2021 neu eingeführtes Lohnmodell dafür sorge, «eine ganzheitliche, zeitgemässe, effiziente und leistungsgerechte Vergütung zu gewährleisten». Zudem existiere ein Bewertungsraster, das sicherstelle, dass «Funktionen nicht unterschiedlich bewertet werden».
Auch sei beim ZFV sowohl 2022 als auch 2023 die Lohnsumme um zwei bis drei Prozent erhöht worden, für das Jahr 2024 sei eine weitere Erhöhung der Lohnsumme budgetiert. Der Grossteil der Stellen sei besetzt.
Für Florian Weber, Mitinhaber der Pumpstation Gastro GmbH, die in und um Zürich über ein Dutzend Lokalitäten betreibt, ist die derzeit schlechte Verhandlungsposition als Arbeitgeber nicht von Relevanz. Überall, wo es ging, hat sein Unternehmen auf einen sogenannten Umsatzlohn umgestellt. Mitarbeitende arbeiten selbstständig, auf ihren erreichten Umsatz erhalten sie als Lohn einen Anteil von 7 bis 9 Prozent.
Diese Praxis steigert gemäss Weber die Motivation der Angestellten, da höherer Umsatz automatisch auch mehr Lohn bedeutet. «Das System ist ein grosser Erfolg, wir haben keine Probleme, Mitarbeitende zu finden, die Leute wollen zu uns arbeiten kommen.» Aus dem finanziellen Anreiz resultiere für den Gast ausserdem ein besserer Service.
Allerdings bestätigt auch Weber den aktuellen Arbeitnehmermarkt, gerade Köche seien sehr gefragt, die grundsätzlich gute Ausgangslage in Verhandlungen treffe zu.
Das System des Umsatzlohns mag Arbeitnehmervertreter Roger Lang nicht kommentieren. Vielmehr sind er und seine Organisation bestrebt, die Mindestlöhne im Gastgewerbe durch einen neuen Gesamtarbeitsvertrag ganz generell anzuheben. Dass derzeit intensiv nach Personal gesucht werde – gemäss ETH-Befragung bekunden 41 Prozent der Gastronomen Mühe, ihre offenen Stellen zu besetzen –, sei aufgrund der Arbeitsbedingungen logisch. Gerade im Vergleich mit Konkurrenzbranchen wie dem Detailhandel oder der Reinigung falle das Gastgewerbe ab. Lang illustriert dies anhand eines Beispiels:
Gespräche bezüglich eines neuen Gesamtarbeitsvertrages würden seit 2019 von Gastro Suisse – der Arbeitgebervertretung – verweigert, sagt Roger Lang gegenüber watson. Dies verunmögliche, die Mindestlöhne anzuheben.
Anderer Meinung ist Casimir Platzer von Gastro Suisse. Auf Anfrage heisst es, die Mindestlöhne würden gemäss dem aktuellen GAV jedes Jahr verhandelt.
Zur Lohndiskussion sagt Florian Weber von der Pumpstation Gastro GmbH: «Bei guten Löhnen erhältst du gute Mitarbeitende.» Die Genossenschaft ZFV-Unternehmungen nennt sogar eine konkrete Zahl. Ihr Unternehmen zahle bereits seit 2022 bei einem Vollzeitpensum keine Löhne mehr unter 4000 Franken. Auch Bindella zahle «seit Jahren» höhere Löhne als gemäss GAV vorgeschrieben.
Dass es dennoch im Allgemeinen an Personal und im Speziellen auch an Nachwuchs fehlt, an jungen Menschen, die motiviert sind, eine Service- oder Kochlehre zu absolvieren, bestätigt Roger Lang von der Hotel & Gastro Union. Auch die zahlreichen offenen Stellen weisen auf diese Tendenz hin. Wie diesem Problem in Zukunft konkret begegnet werden soll, darin besteht zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite derzeit jedoch keine Einigkeit.
Schon eine ziemlich kaputte Branche.