Die Swiss hats getan. Logitech auch. Die Swisscom ebenso. Die Airline, der Computerzubehör-Hersteller und die Telekomfirma sind nur drei von zahlreichen Konzernen, die sich auf den sozialen Medien aktuell mit Regenbogen-Farben präsentieren. Sie haben ihr Logo auf Plattformen wie Linkedin, Facebook oder Twitter mit bunten Farben hinterlegt. Denn der Juni gilt als «Pride»-Monat.
Gefeiert wird die sogenannte LGBTQI+-Bevölkerung, Personen unterschiedlicher, sexueller Orientierung und Geschlechtsidentitäten. Die Buchstaben stehen für lesbisch, schwul (gay), bisexuell, trans, queer und intersexuell.
Bei bekannten Firmen im Ausland sind die Regenbogen-Farben schon länger Teil der Kommunikationsstrategie. «Inzwischen bekennen sich aber auch immer mehr Schweizer Unternehmen zum Pride-Monat, dieses Jahr wohl so viel wie noch nie», sagt Roman Heggli, Sprecher von Pink Cross, der Dachorganisation der schwulen und bisexuellen Männer in der Schweiz.
Auch in den hiesigen Einkaufsstrassen machen sich die vielen Farben bemerkbar. In Zürich hat der schwedische Kleiderkonzern H&M das Logo bunter gemacht, und die Säulen des imposanten Post-Gebäudes in Genf sind mit Regenbogen-Farben umwickelt. Die Aktionen sollen der Kundschaft und potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern signalisieren: Wir sind progressiv – also kommt zu uns! Idealismus und Kapitalismus – Hand in Hand.
Doch manchen Konsumentinnen und Konsumenten ist die Teilnahme von gewinnorientierten Unternehmen am Pride-Monat in letzter Zeit zu bunt geworden. Vom sogenannten «Rainbow Washing» ist die Rede, in Anlehnung an das «Greenwashing». Bei Letzterem lautet der Vorwurf, nicht-nachhaltige Konzerne würden sich gegen aussen einen grünen Anstrich verleihen. Der Begriff «Rainbow Washing» kritisiert das vordergründige Bekenntnis von Firmen, LGBTQI+-freundlich zu sein, in Tat und Wahrheit aber nur fürs Image mitzumachen.
Heggli bestätigt, dass in der LGBTQI+-Gemeinschaft das «Rainbow Washing» heiss diskutiert wird. «Manche freuen sich über die zunehmende Sichtbarkeit und Sensibilisierung für unsere Anliegen. Andere ärgern sich, dass die Hauptmotivation gewisser Grosskonzerne nur ein höherer Gewinn ist und nicht wirklich die Unterstützung der Gemeinschaft.»
CH Media hat bei mehr als 20 bekannten Schweizer Unternehmen, die sich online zum Pride-Monat bekennen, eine Umfrage gemacht. Gefragt wurde, welche Massnahmen sie für die Akzeptanz und Förderung von LGBTQI+-Angestellten in ihrem Konzern lanciert haben. Hier zeigen sich fast alle Firmen auskunftsfreudig.
Manche haben ein entsprechendes Zertifikat erhalten, dass ihnen bescheinigt, sich innerbetrieblich für die Gleichberechtigung von LGBTQI+-Personen einzusetzen. Andere haben strenge Anti-Diskriminierungsrichtlinien eingeführt. Und wiederum andere haben interne LGBTQI+-Gruppen, in denen sich Angestellte einbringen können.
Anders sieht es jedoch aus bei der konkreten Frage, ob sich die Unternehmen auch für «Ehe für alle»-Vorlage aussprechen oder diese gar aktiv unterstützen. Über sie wird am 26. September abgestimmt. Von den 16 Firmen, die an der Umfrage teilgenommen haben, wagen sich nur zwei aus der Deckung und antworten mit einem klaren «Ja»: der Versicherungskonzern Zurich und der Basler Pharma-Riese Novartis. Und bei der Airline Swiss heisst es, eine Unterstützung werde «aktuell intern geprüft».
Alle anderen weichen hingegen aus. «Zu Abstimmungen von gesellschaftspolitischen Themen nehmen wir wie üblich keine Stellung», sagt eine UBS-Sprecherin. «Die politische Haltung unserer Mitarbeitenden ist deren Privatangelegenheit» – so die Antwort der Credit Suisse. Und eine Swisscom-Sprecherin lässt verlauten: «Wir äussern uns nur zu Abstimmungsvorlagen, die einen direkten Einfluss auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens haben. Die Frage der ‹Ehe für alle› gehört nicht dazu.» Bei Firmen wie Roche, Syngenta, der Migros, Coop, Nestlé, den SBB, der Post und Emmi tönt es ähnlich.
«Das ist sehr bedauerlich», sagt Roman Heggli von Pink Cross. Grundsätzlich begrüsse die Organisation das Bekenntnis von Firmen zu Diversität. Dies sei auch im Interesse der Unternehmen. «Denn Studien zeigen, dass Mitarbeitende produktiver sind, wenn sie sich wohlfühlen und sich outen können.» Zudem würden die vielen Regenbogen-Symbole die Gesellschaft sensibilisieren.
Aber: «Wer A sagt, sollte auch B sagen, wobei das B in diesem Fall die ‹Ehe für alle› ist», sagt Heggli. Doch was ist mit dem Argument vieler Firmen, die sich nur zu gesellschaftspolitischen Themen äussern möchten, von denen sie direkt betroffen sind? «Diese Vorlage ist für Arbeitgebende genauso relevant wie eine Steuervorlage, zu der sich viele öffentlich positionieren, denn es geht hier um einen bedeutenden Teil ihrer Angestellten», sagt Heggli. «Wenn diese rechtlich gleichgestellt sind, geht es ihnen auch psychisch besser und sie sind produktiver. Die Firmen sind also sehr wohl direkt betroffen.»
Und dann wäre da noch die Frage nach dem Mut im Ausland. In westlichen Ländern ist das Risiko für die Firmen überschaubar, beim Pride-Monat mitzumachen. Teile der Kundschaft mögen damit nicht einverstanden sein, Gesetze werden damit aber nicht gebrochen. Anders in repressiven Staaten wie Ungarn, China, Singapur oder Russland, wo Homosexualität entweder ganz verboten ist oder zumindest deren «Propaganda». Und auch hier geben sich die Konzerne zugeknöpft.
Beim Agrochemiekonzern Syngenta sagt ein Sprecher, die Diversitäts- und Inklusions-Strategie der Firma konzentriere sich auf globale Standards. «Was in der Schweiz für Syngenta gilt, gilt überall.» Aber: «In der Kommunikation ist den Ländern lokaler Spielraum möglich.» Die Credit Suisse betont, dass die internen LGBTQI+-Netzwerke allen Angestellten weltweit offenstehen. Aber: «Dabei werden Gesetze und kulturelle Gepflogenheiten der jeweiligen Länder berücksichtigt.» Und Novartis schreibt: «Jedes Land ist anders und befindet sich auf einer anderen Stufe seiner Reise.»
Roman Heggli von Pink Cross reicht das nicht: «In vielen osteuropäischen Länder sind die Rechte von LGBTQI+-Personen momentan stark unter Druck. Es wäre deshalb umso wichtiger, dass die Firmen auch da mutig Flagge zeigen und sich zu Diversität bekennen.»
Der «Spiegel» urteilte kürzlich, Konzerne hätten in der Vergangenheit, mit dem Heranwachsen einer Konsumentengeneration mit starken politischen Überzeugungen, erkannt, dass sie deren Anliegen mühelos in ihr Geschäftskonzept integrieren können. Denn eine gendersensible Sprache in der Werbung und ein diverses Image seien deutlich kostengünstiger zu haben als faire Arbeitsbedingungen oder der Mut, einem autoritären Regime die Stirn zu bieten.
Wirtschaftspsychologe Marcel Zbinden von der Hochschule Luzern sieht denn auch potenzielle Gefahren aus Unternehmenssicht. Ähnlich wie beim «Greenwashing» gehe es um die Glaubwürdigkeit. «Wichtig ist eine langfristige Strategie, die glaubwürdig aufzeigt, dass die Firmen es ernst meinen mit ihrer Haltung.» Doch wenn Fälle von interner Diskriminierung auftauchen würden, könne die Regenbogen-Flagge sehr schnell zum Eigentor werden.
Frage aus reiner Neugier: Wieviele Semester Marketing muss man studiert haben, um dieses Level an Doppelmoral und Verlogenheit zu erreichen?