Zwei Eisen haben die Beschuldigten des Raiffeisen-Prozesses im Feuer, um das Verfahren in die Länge zu ziehen. Beide zielen darauf ab, die Ermittlungen der Zürcher Staatsanwaltschaft zu unterlaufen. Diese hat nach dreijähriger Arbeit im Jahr 2020 eine 356-seitige Anklageschrift vorgelegt. Darin wird dem Ex-Raiffeisen-Boss Pierin Vincenz etwa vorgeworfen, sich heimlich an Firmen beteiligt zu haben, die dann durch Raiffeisen aufgekauft wurden.
Mit dem ersten Eisen sollte erreicht werden, dass die Anklageschrift an die Ermittler zurückgewiesen wird. Sie enthalte «schwerwiegende Verfahrensfehler» und habe den «Charakter eines Plädoyers», so die Beschwerde. Die Dritte Strafkammer des Zürcher Obergerichts teilte diese Einschätzung. Doch das Bundesgericht hat sie vergangene Woche revidiert: Die Anklageschrift ist damit ebenso gültig wie die darauf beruhende erstinstanzliche Verurteilung. Demnach ist Vincenz zu drei Jahren und neun Monaten und sein engster Verbündeter Beat Stocker zu vier Jahren Haft verurteilt.
Doch die Angeklagten haben ein weiteres Eisen im Feuer: Die Staatsanwaltschaft sei befangen gewesen, so der Vorwurf. Beleg dafür sei der Beizug einer externen Fachperson, die ohne Wissen der Beschuldigten die Anklageschrift vorweg geprüft habe. Die Erste Strafkammer des Zürcher Obergerichts teilte diese Ansicht allerdings nicht und lehnte das Ausstandsbegehren im vergangenen Oktober ab. Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft hatte jedoch heftige Kritik provoziert sowohl von politischen Kreisen als auch von anderen Strafrechtsexperten. Diese sprachen von einem «No-Go», einen Externen in die Ermittlungen einzubinden.
Die Beschuldigten haben mit dem Ausstandsbegehren Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Dieser Zug lässt sie doppelt hoffen: Im optimalen Fall bringt die öffentlich artikulierte Empörung das Bundesgericht zu einer neuen Einschätzung. Dann müssten neue Staatsanwälte mit den Ermittlungen nochmals von Feld eins starten. Oder sie können zumindest darauf bauen, dass sich das Bundesgericht Zeit lässt mit seiner Urteilsfindung und dass das Hauptverfahren so lange blockiert bleibt.
Dies wird allerdings nicht der Fall sein, wie das Zürcher Obergericht auf Anfrage erklärt: Das Ausstandverfahren vor dem Bundesgericht hindere den Fortgang des Berufungsverfahrens nicht. Schliesslich schreibe die Strafprozessordnung fest: «Bis zum Entscheid übt die betroffene Person ihr Amt weiter aus.» Nur der Termin für die Berufungsverhandlung stehe noch nicht fest.
Was die Angeklagten besonders grämen dürfte: Den Fortsetzungsentscheid hat die Erste Strafkammer des Zürcher Obergerichts gefällt. Diese ist auch mit der Durchführung des Berufungsverfahrens beauftragt. Es ist dies dieselbe Spruchkammer, die sie mit ihrem Ausstandsbegehren gegen die Staatsanwälte hat abblitzen lassen.
In diesem – noch nicht rechtskräftigen – Verdikt hatte das Obergericht eingeräumt, dass die Staatsanwaltschaft mit dem Engagement des emeritierten Strafrechtsprofessors Andreas Donatsch einen unkonventionellen Weg beschritten habe. Doch da das Strafverfahren «ausserordentlich hohe Anforderungen» stelle, seien auch «aussergewöhnliche Lösungsansätze» angezeigt.
Die entscheidende Argumentation der Ersten Strafkammer war jedoch: Donatsch sei gerade nicht als «Sachverständiger» engagiert worden, sondern als «temporärer Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft». Damit sei er nicht anders zu behandeln wie ein Praktikant, der zur Entlastung zugezogen werde. In diesem Sinn habe Donatschs Tätigkeit auch nicht vorweg gegenüber den Angeklagten offengelegt werden müssen.
Mit dieser Ausgangslage werden die Angeklagten und ihre Anwälte wohl versuchen, neue Eisen ins Feuer zu legen. Etwa ein Ausstandsbegehren gegen die Erste Strafkammer wegen Vorbefasstheit. Immerhin: Bevor bei einem allfälligen Durchkommen bei Bundesgericht ein ausserkantonales Gericht eingeschaltet werden müsste, gäbe es noch immer eine bisher unbehelligte Zweite Strafkammer des Zürcher Obergerichts.
Vincenz & Konsorten sollen die volle Härte der Rechtsprechung spüren. Keine Sonderbehandlung.