Klimawandel wird ein dominierendes Thema im kommenden Wahlkampf sein. Die SVP hat den Kampf gegen den «Klima-Wahn» zu einem zentralen Thema erklärt. In der «Weltwoche» hat Roger Köppel kürzlich einen Vorgeschmack gegeben, was uns erwartet.
Wer kennt sie nicht, die Redewendung «Ich bin zwar kein Rassist, aber …»? Köppel benutzt als Einleitung eine Variation davon: «Ich bestreite nicht, dass es den Klimawandel gibt», schreibt er. «Es gibt ihn seit Milliarden Jahren, und er wird noch Milliarden von Jahren weitergehen.»
Wie die Ich-bin-kein-Rassist-Typen, kommt danach ein grosses «Aber». Köppel verharmlost den menschengemachten Klimawandel bis zur Unkenntlichkeit: «Wie gross dieser Einfluss (des CO2, Anm. d. Verf.) ist, darüber allerdings streiten sich die Wissenschaftler», schreibt er. Das natürlich «verschweigen die Medien. Sie bringen nur die Alarmisten», jammert Köppel.
Danach folgt ein peinlicher Fehler. Die Schweiz stosse jährlich bloss 3,6 Millionen Tonnen CO2 aus, so Köppel. Wie der Energiejournalist Hanspeter Guggenbühl auf der Online-Plattform «infosperber» festhält, sind es zehnmal mehr, nämlich 36 Millionen Tonnen.
Okay, ein Kommafehler kann in den besten Familien vorkommen. Viel schlimmer ist die Tatsache, dass Köppel des Pudels Kerns nicht erkennen kann und eine völlig veraltete Klimapolitik vertritt. Sie geht wie folgt:
Die Schwellenländer wollen so werden wie wir. Sie werden daher ihren Energieverbrauch und ihren CO2-Ausstoss noch massiv steigern. Deshalb ist China bereits zur grössten CO2-Dreckschleuder geworden.
Afrika wird früher oder später folgen. Was wir Schweizer gegen den CO2-Ausstoss tun, ist daher irrelevant. «Fährt die Schweiz ihr CO2 jährlich um zehn Prozent herunter, wäre dies ein Hunderttausendstel von dem, was China et cetera in die Luft blasen. Die Reduktion wäre volkswirtschaftlich folgenreich für die Schweiz, aber fürs Weltklima wirkungslos», folgert Köppel.
Unsere Bemühungen, den CO2-Ausstoss zu minimieren, werden in dieser Betrachtungsweise nicht nur bedeutungslos. Gemäss Köppel führen sie gar zur «Ermordung der industriellen Gesellschaft».
Vielleicht sollte Köppel einmal die Begriffe «China» und «nachhaltige Energie» googeln. China ist längst der industrielle Frühzeit entwachsen. Es produziert inzwischen mehr als billige T-Shirts und Plastikspielsachen, viel mehr.
Die Chinesen haben in der Vergangenheit die industrielle Revolution verpasst. Sie haben dafür einen hohen Preis bezahlt. Ein zweites Mal wird ihnen das nicht passieren.
Staatspräsident Xi Jinping hat daher hoch offiziell erklärt, China wolle spätestens in der Mitte dieses Jahrhunderts die führende Hi-Tech-Nation auf diesem Planeten sein. Ein realistisches Unterfangen: Bereits heute sind die Chinesen auf dem Gebiet der Solartechnik führend. Sie produzieren die meisten Elektroautos und das chinesische WeChat schlägt unser WhatsApp meilenweit.
Selbst auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz (KI) ist China auf der Überholspur. Im viel beachteten Buch «AI Superpowers» schildert Kai-Fu Lee, weshalb die Chinesen den Westen in Sachen KI schlagen werden. KI gilt als Schlüsseltechnologie der Zukunft.
Auch Afrika wird kaum unseren ausgetretenen Pfaden folgen. Sehr viel wahrscheinlicher ist das Szenario eines so genannten «Leapfrogging». Will heissen: Entwicklungsstufen werden einfach übersprungen.
Ansätze dazu gibt es: Finanzgeschäfte werden etwa in Kenia primär mit dem Smartphone erledigt. Solarenergie breitet sich selbst in den ärmsten Ländern aus. Drohnenexperten erklären uns derweil, dass dank dieser Technologie in nicht allzu ferner Zukunft auch die Transportprobleme auf dem unwegsamen Kontinent gelöst werden können.
Die Vorstellung, dass die Schwellenländer in kleinen Schritten unserem Beispiel folgen werden und so zu immer schlimmeren CO2-Sündern werden, ist daher unzutreffend.
China unternimmt gewaltige Anstrengungen in Sachen nachhaltiger Energie, nicht weil es dort jede Menge von Greta Thunbergs und anderen «Klimahysterikern» gibt. Wenn die Chinesen nicht im eigenen Dreck ersticken wollen, haben sie gar keine andere Option.
Ein grosses Land hingegen fehlt auf der Öko-Landkarte: Russland. Um seine Grossmachtsträume zu verwirklichen, hat Waldimir Putin zwar sein Militär aufgerüstet, wirtschaftlich hingegen hat er versagt. Während China auf dem Weg zu einer Hi-Tech-Nation ist, bleibt Russland die «globale Tankstelle», abhängig von seinen Rohstoffen und dem Erdölpreis.
Ausgerechnet Putin will uns Köppel als mustergültigen, vernünftigen Staatsmann verkaufen. «Putin hat recht», so Köppel. «Besser ist es, sich auf den Klimawandel einzustellen, sich anzupassen, die Folgen abzuschätzen und die Massnahmen darauf einzurichten.»
Putin und die fossilen Brennstoffe als Zukunftsvision? Inzwischen hat selbst die deutsche Autoindustrie erkannt, dass die Zukunft dem Elektromobil gehört. Auf dem Weg in eine nachhaltige Gesellschaft sind noch sehr viele Probleme ungelöst, und es werden mit Sicherheit noch viele Fehler begangen werden.
Ein «Zurück in die Zukunft» mit Putin und Öl hingegen ist mehr als ein ökologisches Desaster. Um es à la Köppel auszudrücken: Es ist die Ermordung der digitalen Industrie.
So weit, so unbedeutend, wäre er nicht der Herausgeber der Weitwoche und zudem ein leidenschaftlicher und auch begabter Debatierer.
Seine Ideologie und seine Begabung machen ihn leider ziemlich gefährlich. Vor allem, weil er eben diejenigen vertritt, die sich nicht bewegen und auch nicht zu viel denken wollen.
Na dann sollten wir erst recht mit gutem Beispiel vorangehen.
Mannomann 🙄