Wirtschaft
Schweiz

Nach CS-Debakel: SP fordert eine «Schweizer Kantonalbank»

SP fordert eine «Schweizer Kantonalbank»: So will sie den Bankenplatz umbauen

Die SP gilt im Fall der CS als glaubwürdigste Partei, wie eine SRF-Umfrage zeigt. Sie will nun den Finanzplatz verändern. Co-Präsident Cédric Wermuth holt dafür Inspiration aus dem Gesundheitswesen.
31.03.2023, 07:10
Othmar von Matt / ch media
Mehr «Wirtschaft»

Was ist Ihre Haupterkenntnis nach der Übernahme der CS durch die UBS?
Cédric Wermuth:
Einerseits die Überzeugung, dass der Bundesrat jetzt wirklich vorwärtsmachen muss mit den Abklärungen, wie er bei den CS-Managern wenigstens einen Teil der Boni zurückfordern kann. In den letzten zehn Jahren haben sich die Topmanager die unglaubliche Summe von 32 Milliarden ausbezahlt.

Cedric Wermuth, Co-Praesident SP, spricht waehrend einer Medienkonferenz eines ueberparteilichen Gremiums zum Thema "Nein zur Verrechnungssteuer-Vorlage", am Donnerstag, 25. August 2022 in B ...
«Noch vor zehn Tagen waren wir ein kleines Land mit zwei Grossbanken», sagt Cédric Wermuth, Co-Präsident der SP. «Heute sind wir eine Grossbank, die sich ein kleines Land hält.»Bild: keystone

Und andererseits?
Habe ich ein grosses Déjà-vu. Vor 16 Jahren war der drohende Untergang der UBS eines der ersten nationalen Themen, mit denen ich mich politisch befasste.

An was denken Sie konkret?
Auch damals herrschte in bürgerlichen Kreisen zunächst grosse Empörung. Sie flachte sehr schnell ab. Nach dem ersten Schock haben die Bürgerlichen ihr Versprechen gebrochen, die Gesetze so anzupassen, dass der Staat nicht wieder eine Grossbank retten muss. Deshalb bin ich heute skeptisch, ob sich tatsächlich etwas verändern wird.

Gemäss einer SRF-Umfrage ist ausgerechnet die SP die glaubwürdigste Partei bei der Übernahme der CS durch die UBS. Überrascht Sie das?
Mir wäre ehrlich gesagt lieber, der Bund hätte die Credit Suisse nicht mit Garantien von 259 Milliarden retten müssen. Die Bürgerlichen haben immer behauptet, dass die Finanzmärkte ohne griffige Gesetze funktionieren würden.

Eine Fehleinschätzung.
Die Schweiz befindet sich heute in einer doppelten Abhängigkeit: Sie ist in Geiselhaft der neuen Megabank UBS und der internationalen Finanzmärkte, die ganze Staaten unter Druck setzen können. International ist diese Einsicht grösser als in der Schweiz.

«Der Finanzplatz ist für die Schweiz von einer Stärke zu einer Bedrohung geworden.»

Weshalb?
Der Chefökonom der «Financial Times» schrieb, die Krise habe gezeigt, dass nun auch Liberale einsehen müssten, dass systemrelevante Banken faktisch Teil des öffentlichen Dienstes eines Staates seien. Das hat mich beeindruckt.

Systemrelevante Banken als Service public?
Genau. Der Chefökonom sagte noch einen zweiten Satz: «Wir verkleideten die systemrelevanten Banken als Privatsektor. Doch wir müssen zur Kenntnis nehmen: Sie sind nicht privat.» Der Finanzplatz ist für die Schweiz von einer Stärke zu einer Bedrohung geworden. Die UBS hat eine doppelt so hohe Bilanzsumme wie das Bruttoinlandprodukt (BIP) der Schweiz. Unser Land ist damit im Würgegriff der Finanzmärkte. Noch vor zehn Tagen waren wir ein kleines Land mit zwei Grossbanken. Heute sind wir eine Grossbank, die sich ein kleines Land hält. Das macht mir grosse Sorgen.

Vor 2008 waren die gemeinsame Bilanzsumme von UBS und CS aber noch sechsmal so hoch wie das BIP der Schweiz.
Deshalb war es auch zur Finanzkrise gekommen. Danach gab es zuerst ein gewisses Umdenken, aber dann hat die Bankenlobby im Parlament bei FDP und SVP dafür gesorgt, dass sich nichts an den fundamentalen Problemen ändert.

«Die Botschaft muss sein: So etwas akzeptieren wir nicht.»

Was soll die Schweiz nun aus Sicht der SP tun?
Es braucht verschiedene Massnahmen. Zunächst müssen wir die Kultur der Verantwortungslosigkeit in den Manageretagen beenden. Es braucht keine Boni bei systemrelevanten Banken, wenn die Steuerzahlerinnen faktisch das Risiko tragen. Boni locken die falschen Leute an, sie gehen viel zu hohe Risiken ein. Dann brauchen wir eine griffigere Aufsicht. Sie soll Bussen und Sanktionen aussprechen können, die Wirkung entfalten. Anders geht es offenbar nicht. Es ist diese Verantwortungslosigkeit und Arroganz, welche die Menschen zu Recht wütend macht. Wir müssen auch versuchen, die CS-Manager finanziell zur Verantwortung zu ziehen. Die Botschaft muss sein: So etwas akzeptieren wir nicht.

Es ist aber schwierig, auf die Millionen der CS-Topmanager zuzugreifen.
Wo ein politischer Wille ist, ist auch ein Weg. 2008 forderte der damalige Nationalrat Johann Schneider-Ammann, dass der Bund eine Gesetzgebung erlässt, die einen Zugriff im Nachhinein ermöglicht. In anderen Bereichen macht man das schon. So wurde vor kurzem eine Revision der Ergänzungsleistungen in Kraft gesetzt. Rückwirkend wurde eingeführt: Wer sein Vermögen in den letzten zehn Jahren auf nicht nachvollziehbare Art verbraucht hat, muss mit einer Kürzung der Ergänzungsleistungen rechnen. Der Staat muss nun Ähnliches auch bei reichen CS-Topmanagern prüfen.

Was sind für Sie weitere Massnahmen?
Eine Logik ist den Bankern im Hinterkopf eingebrannt: Gewinne sind privat, Verluste übernimmt dann der Staat. Das darf in Zukunft nicht mehr spielen. Wir müssen über ein Trennbankensystem und über höhere Eigenkapitalquoten nachdenken. Zudem ist die Schweiz zu klein für die Megabank UBS. Sie muss deshalb kleiner werden, die Risiken sind für unser Land sonst viel zu hoch.

Wie soll das gelingen?
Man kann zum Beispiel das Bankengesetz so anpassen, dass sich die UBS schrittweise redimensionieren muss. Man muss sehen, was bei der CS-Übernahme passiert ist: Das Öffentlichkeitsrecht wurde per Notrecht eingeschränkt. Das Parlament soll einem Deal zwischen der Schweiz und der UBS zustimmen, der nicht öffentlich ist. Wir wissen nicht, was in dieser Vereinbarung steht. Obwohl es um 259 Milliarden geht. Und noch etwas …

Was?
Die Schweiz muss sich als Volkswirtschaft unabhängiger machen von der UBS. Sie sollte deshalb die Postfinance zur Schweizer Kantonalbank ausbauen, zu einer KMU-Bank – mit öffentlicher Staatsgarantie. Das machte man vor 200 Jahren auch in den Kantonen, als man die Kantonalbanken gründete, weil es einen Mangel an Krediten gab. Jetzt haben wir einen Mangel an Sicherheit.

Was fordert die SP für die Sondersession?
Wir stellen vier Forderungen an den Kredit: Erstens: volle Transparenz über die Verträge mit der UBS. Zweitens: eine Task Force zum Schutz der Arbeitsplätze. Drittens: sofort eine Notfallregulierung für die neue Megabank, damit diese nicht zum noch grösseren Risiko wird. Und viertens muss der Bund Schadenersatz bei den ehemaligen CS-Managern einfordern.

Können diese an der Sondersession behandelt werden?
Ja. Weil wir die Anträge im Rahmen des Kreditbeschlusses stellen.

«Die Bevölkerung erwartet, dass die Politik aufklärt, wer welche Verantwortung trägt.»

Vier Vorstösse der SP, die der Bundesrat bereits früher beantwortet hat, werden an der Sondersession nicht traktandiert. Weshalb nicht?
Für mich ist das ein Hinweis darauf, dass die bürgerliche Empörung nicht ehrlich ist. Man will jetzt Massnahmen verzögern. Dazu muss man wissen: Die Vorstösse für eine Boni-Beschränkung und mehr Eigenkapital bei den Banken werden im Sommer abgeschrieben, wenn sie nicht behandelt werden. Das macht mich hellhörig.

Eine PUK scheint aber mehrheitsfähig.
Im Nationalrat ist sie das. Es wäre ein Drama für die Glaubwürdigkeit der Politik, wenn der Ständerat die PUK blockieren würde. Die Bevölkerung erwartet, dass die Politik aufklärt, wer welche Verantwortung trägt – bei der Credit Suisse, bei der Aufsichtsbehörde, im Bundesrat.

Was bedeutet die Krise für das Bankensystem der Schweiz?
Die international ausgerichteten Banken haben sich in den letzten zwanzig Jahren von der Realwirtschaft weg entwickelt – hin zu einem globalen Casino. Dieses ist zu einer Gefahr geworden für die Stabilität der globalen Wirtschaft und der Schweiz. Man muss das Casino schliessen.

«Banken sollen künftig zeigen, dass ihre Finanzmarktprodukte volkswirtschaftlich sinnvoll sind.»

Das ist doch gar nicht möglich.
Doch. Man muss die Logik des Schweizer Finanzplatzes grundlegend ändern. Nehmen wir die Gesundheitspolitik als Beispiel. Dort prüft Swissmedic, ob ein neues Medikament wirksam ist und ob allfällige Nebenwirkungen vertretbar sind. Wir wollen, dass im Finanzbereich eine ähnliche Prüfung eingeführt wird. Banken sollen künftig zeigen, dass ihre Finanzmarktprodukte volkswirtschaftlich sinnvoll sind.

Wer müsste diese Finanzmarktprodukte kontrollieren?
Die Finma wäre die geeignete Zulassungsbehörde. Spekulative Finanzmarktprodukte, die nur mit Eigenhandel oder Leerverkäufen zu tun haben, würden wegfallen. Parallel dazu müsste man wohl ein Trennbankensystem einführen, um spekulative Produkte so abzutrennen, dass sie keine systemischen Risiken mehr verursachen.

Das wäre mit enormem bürokratischem Aufwand verbunden.
Offensichtlich geht es nicht anders. Seit der letzten Finanzkrise 2008 behauptet die Bankenlobby, dass Eigenverantwortung im Finanzbereich funktioniere. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Zudem ist der Finanzplatz auch in anderen Bereichen ein systematisches Problem.

Sie denken an die Bekämpfung des Klimawandels?
Genau. Seit Jahren wehrt sich die Bankenlobby gegen eine griffige Regulierung, obwohl der Bankenplatz zwischen 14- und 18-mal mehr CO₂ produziert, als wir im Inland ausstossen. Auch dies muss Teil der Diskussion um den Finanzplatz werden.

Inwiefern?
Wenn sich der Bankenplatz mit dieser Krise nicht zum nachhaltigen Bankenplatz umbaut, müssen wir handeln. Wir sind darum Teil einer Allianz, die gemeinsam auf eine Volksinitiative hinarbeitet, die das einfordert. Banken sollen die Klimakrise nicht mehr mit Krediten oder Finanzierungen anheizen. Es ist beispielsweise absolut verantwortungslos, heute noch in neue Kohleminen zu investieren. Solche klimaschädlichen Finanzflüsse wird die Initiative verhindern. Sie will, dass auch Banken das Pariser Klimaabkommen einhalten müssen.

Wollen Sie die Initiative noch im Wahljahr lancieren?
Es geht um die Sache, nicht um die Wahlen. Wir sind in Gesprächen mit NGO und anderen Parteien, der Lancierungszeitpunkt ist offen. Dazu kommt noch etwas anderes.

Erhält die SP mit der CS-Übernahme Wahlschub?
Das halte ich für eine Fehleinschätzung. In Krisen legen eher konservative Strömungen zu. Für sozialdemokratische Politik braucht es die Überzeugung, dass wir die grossen Herausforderungen gemeinsam angehen können und zusammen eine bessere, sicherere Zukunft erreichen. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Warum dich die Übernahme der CS durch die UBS interessieren sollte
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
140 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Ökonometriker
31.03.2023 07:30registriert Januar 2017
Der Elefant im Raum - die Tatsache, dass der Bundesrat geltende Too-Big-To-Fail Gesetze per Notrecht ausser Kraft gesetzt und eine Rettung auf Staatskosten initiert hat - wird nicht angesprochen.

Es hätte ein Gesetz gegeben, und das Gesetz hätte die Abspaltung der gefährdeten Bereiche vorgesehen. Dass der Bundesrat sich nicht daran hielt, ist fragwürdig. Dass keine politische Instanz - weder ein Gericht noch das Parlament - den Entscheid beeinflussen konnte, ist eines Rechtsstaats unwürdig.
12513
Melden
Zum Kommentar
avatar
Andi Weibel
31.03.2023 08:46registriert März 2018
Von den Bürgerlichen kommt theatralische Empörung über den CS-Skandal, von der SP kommen diverse Vorschläge, wie man solche Machenschaften in Zukunft verhindern könnte.

Sobald die öffentliche Aufmerksamkeit abgeflaut ist, werden die Bürgerlichen dann vor der Banklobby kuschen und alle SP-Vorschläge beerdigen...
14048
Melden
Zum Kommentar
avatar
Scrat
31.03.2023 09:08registriert Januar 2016
Mittlerweile denke ich - insbesondere bei der Finanzbranche - vor allem, dass es keine Rolle spielt, wie die Regeln angepasst werden. Die Verbrecher in dieser Szene werden immer Mittel und Wege finden, diese zu umgehen.
609
Melden
Zum Kommentar
140
Franz Carl Weber verschwindet: Die Magie war schon lange weg
Für Generationen von Kindern war Franz Carl Weber ein Synonym für Spielzeug. Nun lässt der deutsche Eigentümer die Marke sterben, doch der Niedergang begann vor langer Zeit.

In meiner Kindheit gab es einen magischen Ort. Er befand sich an der Bahnhofstrasse in Zürich und verkaufte, was das Kinderherz begehrte. Franz Carl Weber (FCW) hiess das Spielzeugparadies mit dem Schaukelpferd – oder «Gigampfi-Ross» – im Logo. Wenn wir in Zürich waren, wollte ich in den «Franzki», zur überschaubaren Begeisterung meiner Eltern.

Zur Story