Bei der Grossbank Credit Suisse hatten die Mitarbeiter ihre Jahresgespräche, die Briefe zu den Lohnzahlungen gingen raus. Einmal mehr zeigt sich: Was die komplizierten Modelle als Boni-Zahlung ausspucken, deckt sich in den seltensten Fällen mit dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden.
Kaum jemand ist zufrieden. Die Banker in der Schweiz sind unglücklich mit den eigenen Boni. Und dies sind sie umso mehr, wenn sie auf die Kollegen in London oder in New York blicken. Deren Boni bleiben gleich oder steigen gar. Daran wiederum dürfte sich inmitten der Coronakrise die breite Öffentlichkeit stossen. Es gäbe ja an sich genug Corona-Helden, denen man Lohnerhöhungen mehr gönnen würde: Ärzten oder Pflegefachkräfte, Detailhändler oder Wissenschaftler.
Dabei haben es die Oberen der Credit Suisse eigentlich allen recht machen wollten. Im Interview mit CH Media sagte Verwaltungsratspräsident Urs Rohner: «Dass man nach einem solchen Jahr keine Rekordboni sehen wird, das liegt auf der Hand.» Firmenchef Thomas Gottstein hatte gegenüber der «Financial Times» gezeigt, dass er die gesellschaftliche Brisanz erkannt hat:
Das Duo Rohner und Gottstein hat den Worten sogar Taten folgen lassen. Gemäss Angaben der Credit Suisse wurden die Boni für die Geschäftsleitung um mehr als 7 Prozent gekürzt. Zusätzlich haben Rohner, Gottstein und die gesamte Geschäftsleitung freiwillig für sechs Monate auf 20 Prozent ihres fixen Salärs verzichtet.
Dennoch überwiegt nun in der Schweiz anscheinend die Enttäuschung in der Vermögensverwaltung oder im Firmenkundengeschäft. Viele haben hart gearbeitet im Krisenjahr, etwa die Covid-Kredite rekordschnell abgewickelt und daheim im Privaten ein turbulentes Coronajahr überstanden – und am Ende all dieser Sonderefforts wird einem vom Arbeitgeber der Bonus gekürzt.
Der Bonus-Pool sinkt um 7 Prozent, wie die Credit Suisse bekannt gab. Hinter dieser Zahl verbergen sich grosse Unterschiede. Bei einigen fallen die Kürzungen viel höher aus. Intern empfindet dies so mancher Banker als ungerecht.
Diese Enttäuschungen spiegeln sich auf dem Branchenportal «Inside Paradeplatz» in dramatisierter Form. «Blankes Entsetzen» herrsche bei zahlreichen Mitarbeitern, in einigen Divisionen sei der Bonus um 30 bis 50 Prozent gekürzt worden. Und noch grösser wird das Entsetzen, blicken die Schweizer Banker nach London oder New York zu den Tradern und Investmentbankern. Boni-Partys würden dort gefeiert, die dortigen Banker vergoldet.
Von der Credit Suisse ist zu den Löhnen im Investmentbanking nichts zu erfahren. Man macht keine Angaben zu den Boni in einzelnen Divisionen. Doch ein Blick in den Geschäftsbericht zeigt, dass die Investmentbanker ein gutes Lohnjahr hatten. Die Division erhöhte den Vorsteuergewinn zum Vorjahr um volle 70 Prozent – das schlägt sich in den Boni nieder.
Mit solchen Gewinnsprüngen ist die Debatte nicht vom Tisch, im Gegenteil. Nach Ansicht der Kritiker steht dem Gewinnsprung im Investmentbanking kein entsprechend grosser Leistungssprung gegenüber. Der Anstieg sei vor allem dem Börsenboom zu verdanken.
Genauso wenig glücklich ist der Bankenpersonalverband mit dem Lohnjahr 2020. Es sei störend, dass nur ein kleiner Teil der Mitarbeiter mehr Bonus bekomme, auch wenn eine Bank sehr gut unterwegs sei. Und auch jene, die etwas abbekommen, sind unzufrieden. Wie Verbandsdirektorin Natalia Ferrara sagt:
Nur ist das keine Spezialität des Coronajahres, es ist Dauerzustand. «Die Boni sind zumeist unberechenbar, was viel Frust auslöst.»
Hohe Boni im Investmentbanking haben gesellschaftliche Brisanz. So sieht das offenbar auch die Aufsicht der Europäischen Zentralbank. Im letzten Dezember warnte die Behörde, man dürfe nicht unterschätzen, welche Risiken es für die Reputation haben könne, wenn inmitten einer globalen Krise hohe Boni ausbezahlt würden. Diese könnten den Banken auch wichtiges Eigenkapital entziehen, so die Aufsicht. Die Deutsche Bank hörte nicht hin.
Die Grossbank wollte den Bonus-Pool für 2020 um mehr als einen Drittel erhöhen – weil sie erstmals in sechs Jahren einen Gewinn geschafft hatte. Wie die Credit Suisse verdankte sie den Gewinnsprung dem Investmentbanking, das wiederum vom Börsenboom profitierte. Die Deutsche Bank wurde laut Nachrichtenagenturen jedoch von der Europäischen Zentralbank gestoppt. Ihre Boni-Pläne musste sie aufgeben.
Dass die Krise selbst in der Schweiz viele Haushalte schwer trifft, zeigt eine neue Studie der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. Haushalte mit geringen Einkommen haben sehr gelitten. Bei einem monatlichen Einkommen von weniger als 4000 Franken hätten sie Einbussen von 20 Prozent gehabt. Ähnlich dürfte es in vielen Industriestaaten sein. (aargauerzeitung.ch)