Der nahende Sommer sorgt in der Aviatik derzeit nicht nur für Freude angesichts der grossen Buchungsnachfrage nach dem Pandemie-Höhepunkt, sondern auch für Nervosität. Werden die Flughäfen und Airlines genügend Personal am Start haben, um die Passagiermengen bewältigen zu können?
Swiss-Chef Dieter Vranckx wird nicht müde zu betonen, dass man absichtlich etwas konservativer plant, um kurzfristige Annullationen zu verhindern und einen möglichst stabilen Flugplan anzubieten. Denn auch die Schweizer Fluggesellschaft musste vergangenen Sommer Flüge wegen Engpässen streichen und sorgte bei tausenden von Passagieren für Verärgerung.
Doch die lancierten Massnahmen reichen mittelfristig nicht. In einer Medienmitteilung vom Mittwoch kündigt die Swiss an, ab Herbst auch erfahrene Co-Pilotinnen und -Piloten anzustellen, also solche, die heute bei einer anderen Airline tätig sind oder nicht die Swiss-Grundausbildung durchlaufen haben. Die Fluggesellschaft begründet den Schritt damit, dass während den Pandemiejahren keine neuen Piloten hätten ausgebildet werden können.
Die Anstellung externer Piloten wird bei der Swiss-Crew generell nicht gerne gesehen. Denn der Aufstieg auf der Cockpit-Karriereleiter ist streng nach dem Senioritätsprinzip geregelt: Zuerst beginnt man als Co-Pilot auf der Kurzstrecke, wechselt dann in der gleichen Funktion auf die Langstrecke, bevor man als Kapitän wieder Kurzstreckenflüge operiert und dann Langstreckenflüge. Auch die Lohnschritte sind klar vordefiniert, was Ex-Swiss-Chef Harry Hohmeister einst zur Aussage verleitete, er habe es hier mit einem «Beamtenstadel» zu tun.
In diesem Fall zeigt der Swiss-Pilotenverband Aeropers allerdings Verständnis: «Solange die Co-Piloten ihre Swiss-Karriere auf der Kurzstrecke beginnen und somit niemanden von unserer Crew quasi überholen, ist dieser Schritt für uns nachvollziehbar, da die Nachfrage stark anzieht», sagt Aeropers-Geschäftsführer Henning Hoffmann. Kommt hinzu, dass die Externen laut Swiss-Sprecher Michael Stief nur für die Kurzstrecke geplant sind.
Neu sei die Massnahme der Swiss allerdings nicht, auch früher seien zuweilen externe Co-Piloten eingestellt worden, sagt Hoffmann. «Es ist aber sehr schade, dass Swiss während der Pandemie nicht ausgebildet hat, denn das hätten sie können. Das ist ein Versäumnis.» Swiss-Sprecher Stief entgegnet, Covid-Regeln wie beispielsweise die Maskentragepflicht hätten wichtige Ausbildungsschritte wie das Simulatortraining während der Pandemie verunmöglicht. Zudem habe wegen der wirtschaftlichen Situation ein konzernweiter Einstellungs- und Schulungsstopp bestanden.
Zuletzt hatte die Swiss angekündigt, dass sie dieses Jahr 80 neue Pilotinnen und Piloten anstellen möchte. Die zweijährige Grundausbildung bei der Lufthansa-eigenen Flugschule kostet total rund 135'000 Franken und wird von der Swiss mitgetragen. Nötig sind laut der Swiss «ein einwandfreier Leumund sowie eine integre, reife sowie loyale Persönlichkeit mit Sozialkompetenz und Führungspotenzial».
Laut Aeropers-Geschäftsführer Hoffmann müssen die von extern angestellten Piloten nicht mehr für längere Zeit in die Lufthansa-Schule. «Sie sind ausbildete Linienpiloten und können nach wenigen Wochen für die Swiss fliegen.» Das sei gerade der Vorteil für die Firma - sie spare sich viel Zeit und auch einiges an Geld. «Und darum geht es der Swiss.»
Zudem hilft der Swiss der neue Gesamtarbeitsvertrag mit Aeropers, der Anfang Jahr in Kraft trat. Dieser erlaubt es ihr, bei sehr starker Nachfrage auf pensionierte Swiss- und Edelweiss-Kapitäne zurückzugreifen und sie als Freelancer einzusetzen. Und die um 4.3 Prozent erhöhten Löhne dürften für viele ausländische Piloten eine starke Anziehungskraft haben. So kann ein Kapitän auf der Langstrecke ab dem 19. Dienstjahr über 16'000 Franken pro Monat verdienen.
Doch trotz all dieser Massnahmen ist es der Swiss nicht möglich, die hohe Nachfrage mit genügend Personal und Flugzeugen zu bedienen. Bei weitem nicht. So hat sie ihre so genannten Wet-Lease-Partnerschaft massiv ausgeweitet. Dabei führen andere Airlines Flüge im Namen der Swiss durch - mit eigenen Maschinen und eigener Crew. Und: In der Regel zu deutlich tieferen Kosten.
Inzwischen sind 14 Flugzeuge von der Schweizer Airline Helvetic für die Swiss unterwegs. Und seit Winter führen 8 Maschinen der lettischen Air Baltic für die Lufthansa-Tochter Flüge durch.
Das ist auch nötig, denn der Ansturm kommt. Elena Stern, Mediensprecherin des Flughafens Zürichs, sagte kürzlich im «Blick»: «Die Ostertage und die Frühlingsferien gehören zu den Hauptreisezeiten in der Schweiz. Wir rechnen damit, dass wir einen Passagierrekord verzeichnen werden seit Ausbruch der Corona-Pandemie.» An Spitzentagen erwarte man zwischen 90'000 und 98'000 Passagiere. Wegen Personalmangels bei der Kantonspolizei Zürich war es bereits am Dienstagmorgen bei der Sicherheitskontrolle zu langen Wartezeiten gekommen.
Die Swiss gibt sich dennoch zuversichtlich: «Wir haben genügend Cockpitpersonal», sagt Sprecher Stief. Es gelte mit dem kommunizierten Schritt nun aber sicherzustellen, dass dies auch in Zukunft so bleibe.
Es ist mir unbegreiflich, wie die SWISS zwar erkennt, dass sie mehr Piloten ausbilden müssen, dann aber die Ausbildung so unattraktiv machen. CHF 30'000.- müssen selbst vorgeschossen werden, man hat für knapp 2 Jahre keinen Lohn, und muss zudem noch seinen Lebensunterhalt während eines Flugschulbesuchs in den USA finanzieren. Wie soll das gehen, ohne reiche Eltern oder Lottogewinn?