Wirtschaft
Schweiz

Wie andere Schoggi-Firmen gegen Salmonellen kämpfen

Weil Millionenverluste drohen: Wie andere Schoggi-Firmen gegen Salmonellen kämpfen

Während die Behörden noch den Ursprung der Bakterien in der «Kinder»-Schokolade suchen, will die Konkurrenz die eigenen Risiken verringern. Denn der Imageverlust wäre verheerend, wie das Debakel bei Ferrero zeigt.
22.04.2022, 11:11
Pascal Michel / ch media
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Noch in den 1990er-Jahren infizierten sich in der Schweiz jährlich 6000 Menschen mit dem Salmonellen-Bakterium. Für die Betroffenen bedeutete dies: abrupter Durchfall, Übelkeit, Fieber und Erbrechen. Wie gefährlich eine solche Salmonellose sein kann, riefen jüngst die kontaminierten «Kinder»-Überraschungen aus dem Hause Ferrero ins Gedächtnis. Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit hat am Donnerstag die Zahl der infizierten Kinder auf 158 bestätigte Fälle nach oben korrigiert. Rund die Hälfte, die sich mit der Ferrero-Schoggi angesteckt hatten, mussten im Spital behandelt werden.

Lindt chocolate creation at the press conference on the company's full-year results for 2017, Tuesday, March 6. 2018, in Kilchberg, Switzerland. (KEYSTONE/Melanie Duchene)
Der Salmonellen-Skandal bei Ferrero zwingt die Konkurrenz dazu, Stellung zu beziehen.Bild: KEYSTONE

Dabei haben Behörden und Industrie in den vergangenen Jahren grosse Fortschritte gemacht. Letztes Jahr zählte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit in der Schweiz noch 1505 Salmonellen-Fälle – rund vier Mal weniger als noch vor 30 Jahren (siehe Grafik). Dasselbe in der Europäischen Union, wo die Fallzahlen zwischen 2004 und 2009 halbiert werden konnten – dies vor allem dank strengerer Kontrollen in Geflügelbetrieben.

salmonellen in der schweiz
Bild: blv/jn

Jüngst hat sich die Infektionskurve jedoch abgeflacht, der Rückgang ist vorerst gestoppt. Deshalb drängt die EU-Behörden auf eine weitere Verschärfung der Regeln. Die Zielvorgabe, der sich auch die Schweiz angeschlossen hat: die Salmonellen-Fälle bei Legehennen auf unter 2 Prozent zu senken. Die Experten der EU empfehlen gar ein Ziel von 1 Prozent. Damit könne die Zahl der Salmonellen-Erkrankungen bei Menschen um die Hälfte gesenkt werden.

Resistente Salmonellen auf Kakao

Dass es einen zusätzlichen Effort braucht, um Salmonellen zu bekämpfen, weiss auch die Schokoladenindustrie. Aufgeschreckt durch den Skandal bei Ferrero, immerhin einer der grössten Süsswarenhersteller der Welt, schauen die Qualitätsmanager bei den anderen grossen Marken derzeit noch genauer hin.

Der deutsche Bundesverband der Süsswarenindustrie hat bereits letztes Jahr bei der Universität Osnabrück ein Forschungsprojekt über eine halbe Million Euro in Auftrag gegeben, um besser zu verstehen, weshalb gewisse Salmonellen-Arten auf Kakaobohnen auch nach einer Hitzebehandlung überleben können.

Vermutet wird, dass die Salmonellen wie andere Bakterien beim Austrocknen auf den Kakaobohnen einen Hitzeschutz aufbauen und so Vorsichtsmassnahmen wie die Behandlung mit Heissdampf überstehen. Durch diese Resistenz können Salmonellen für mehrere Wochen oder gar Monate in der fertigen Schokolade überleben.

Dies war bei einem Salmonellen-Ausbruch in Aldi-Schokolade im Jahr 2001 der Fall, wo sich zeigte, dass der Typ Salmonella Oranienburg, den man damals in der kontaminierten Schokolade gefunden hatte, deutlich mehr Hitze überstehen konnte als andere Arten.

Es drohen Verluste in Millionenhöhe

Das aktuelle Forschungsprojekt der Uni Osnabrück, das diese Zusammenhänge ausleuchten soll, koordiniert Lindt & Sprüngli in Aachen. Der Schoggi-Riese mit Sitz in Kilchberg ZH und die Schokoladenindustrie generell hat grösstes Interesse daran, neue Erkenntnisse aus der Forschung in der Produktion einzubeziehen – insbesondere nach dem Desaster in der belgischen Ferrero-Produktionsstätte.

Die Branche warnt vor Imageschäden und finanziellen Ausfällen. «In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu Ausbrüchen durch Salmonellen in Schokoladenprodukten, die zum Teil zu Produktrückrufen und finanziellen Verlusten für die Hersteller in Millionenhöhe führten», heisst es im Projektbeschrieb der deutschen Studie.

Maestrani probt jährlich den Ernstfall

Salmonellen überleben in der Schokolade besonders gut, weil diese aus viel Fett und wenig Wasser besteht. Bereits kleinste Verunreinigungen der Kakaobohnen oder anderer Rohstoffe können eine Infektion auslösen.

Hersteller Maestrani, der in Flawil SG Minor-Prügeli oder Munz-Bananen fertigt, setzt deshalb bei den Rohstoffen an: Kakao, Nüsse, Milch und Eier dürfen erst angeliefert werden, wenn der Lieferant durch ein Zertifikat bestätigen kann, dass die Ware frei von Salmonellen ist. Neben regelmässiger Reinigung der Produktionsanlagen und verschiedenen Zertifizierungen verfüge man über eine Krisenorganisation, die einmal im Jahr getestet werde, betont Maestrani. Ein Expertengremium aus verschiedenen Abteilungen tauscht sich regelmässig zu aktuellen Entwicklungen aus – auch darüber, welche Lehren man aus dem Ferrero-Skandal ziehen könnte.

Die Nestlé-Tochter Cailler prüft laut eigenen Angaben die Rohstoffe ebenfalls genau. «Die Kakaobohnen werden dann durch Dämpfen entkeimt und anschliessend geröstet. Auch am Ende der Produktionskette führen wir regelmässige Analysen der fertigen Produkte durch», sagt ein Sprecher. Unmittelbaren Handlungsbedarf nach dem Skandal um die «Kinder»-Schokolade sieht Cailler indes nicht.

Ferrero schweigt eisern

Weiterhin stumm bleibt der Konzern, der im Auge des Sturms steht: Ferrero. Trotz mehrmaliger Nachfrage war bei der Pressestelle keine Auskunft dazu zu erhalten, was das italienische Unternehmen nun zu tun gedenkt, um künftig Salmonellen in der Schokolade zu verhindern. Damit tut Ferrero der Branche keinen Gefallen, wie Thomas Brunner, Professor für Konsumentenverhalten, gegenüber CH Media erklärte. Es entsteht der Eindruck, dass sich ein Schwergewicht der Branche nicht um die Sicherheit seiner Produkte kümmert – und keinen Bedarf sieht, seine Kunden über die doch schwerwiegenden Vorfälle zu informieren.

Ob die Strategie des Aussitzens für Ferrero aufgeht, entscheiden die Kundinnen und Kunden am Schokoladenregal. Von den Aktionären ist selbst bei einem erheblichen Gewinneinbruch durch den Salmonellen-Skandal keine Abstrafung von Verwaltungsratspräsident Giovanni Ferrero oder CEO Lapo Civiletti zu erwarten. Ferrero befindet sich vollständig im Besitz der Ferrero-Familie – die sich ebenfalls auf kommunikativer Tauchstation befindet. (saw/aargauerzeitung.ch)

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3 Kommentare
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stegiKnüller
22.04.2022 14:14registriert Dezember 2020
bei hitzeresistenten Salmonellen kann tatsächlich trotz optimaler Hygiene und Fertigungsqualität eine Kontamination passieren.
in höchstem Masse kontraproduktiv. und unprofessionell ist aber,das ganze Problem ein knappes Jahr totschweigen und selbst heute null Information und keine Antworten geben.
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