Sie weisen auf Machtmissbrauch hin, enthüllen Unregelmässigkeiten bei Beschaffungen oder berichten vom laschen Umgang mit Steuergeld: Whistleblower – so nennt man Personen, die Fehlverhalten in einer Organisation aufdecken und melden.
Beim Bund beschäftigt sich eigens eine Whistleblower-Meldestelle, angesiedelt bei der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK), mit krummen Touren.
Die Korruptionsjäger haben viel zu tun: Im vergangenen Jahr sind bei der Meldestelle so viele Hinweise eingegangen wie nie zuvor. 187 Whistleblower-Fälle haben die Finanzkontrolleure behandelt, das zeigen neue Zahlen. Im Jahr 2018 waren es 164 Hinweise. In den vergangenen fünf Jahren stieg deren Zahl stetig – 2015 gab es erst 61 Hinweise.
Im Jahr 2019 gingen 82 Meldungen von Bundesangestellten ein, das Gros (105 Meldungen) kam jedoch von Aussenstehenden wie Lieferanten, Auftragnehmern oder Subventionsbezügern. 148 Meldungen erfolgten anonym, das sind fast 80 Prozent der Fälle. Mit 106 Whistleblowern kommunizierte die EFK über ihr verschlüsseltes System, auch das ist ein Rekordwert.
Der Anstieg dürfte nicht unbedingt darauf zurückzuführen sein, dass es in der Verwaltung mehr Missstände gibt. Sondern darauf, dass mehr solche zutage gefördert werden. Vor genau drei Jahren ging die Whistleblowing-Plattform des Bundes an den Start; zuvor waren Hinweisgeber mehr schlecht als recht geschützt.
Meldungen werden auf der Plattform durch einen Algorithmus verschlüsselt, eingereichte Dossiers verlassen diese nicht. Die Daten werden in einem hochgesicherten Rechenzentrum in der Schweiz gespeichert. Pocht ein Whistleblower auf Anonymität, erfahren nicht einmal die Finanzkontrolleure von seiner Identität. Sie können für Rückfragen aber Kontakt mit ihm aufnehmen. Diese Möglichkeit besteht, weil die Kommunikation über ein geschütztes Postfach läuft, ähnlich einem toten Briefkasten.
Als die Finanzkontrolleure die Plattform mit einem forschen Aufruf («Helfen Sie mit, schädigendes Verhalten zu bekämpfen!») im Juni 2017 lancierten, war die Skepsis in vielen Amtsstuben gross. Bundesangestellte würden «regelrecht zum Anschwärzen animiert», klagte ein Kadermann in der «Aargauer Zeitung». Von einer «Kultur des Misstrauens» im Schutz der Anonymität war die Rede.
Die EFK wies entsprechende Befürchtungen zurück. «Wir achten strengstens darauf, dass wir uns nicht vereinnahmen lassen», betonte ihr zuständiger Vizedirektor Eric-Serge Jeannet damals. Es werde kritisch überprüft, ob eine Information stichhaltig sei – und ob sie nicht dazu dienen soll, jemandem zu schaden.
Tatsächlich scheint sich der Vorwurf, die Plattform fördere das Denunziantentum, nicht zu bestätigen. Denn die Mehrheit der Whistleblower-Meldungen führt zu einer Intervention der Finanzkontrolle: Rund 62 Prozent davon erwiesen sich 2019 als «hilfreich». Sie haben demnach zur Verbesserung des Verwaltungsbetriebs beigetragen. 115 Meldungen sind in laufende oder geplante Prüfungen eingeflossen oder haben zu neuen Prüfungen geführt.
Gemäss einer Untersuchung der Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur in Schweizer Unternehmen erweist sich jeder zweite Hinweis bei Whistleblowing-Meldestellen als relevant und gehaltvoll. Dass dieser Wert beim Bund sogar noch höher ist, erklärt EFK-Vizedirektor Jeannet mit einem ganzen Strauss von Gründen: Mit dem Ruf der Behörde und der klaren gesetzlichen Regelung, ebenso mit dem modernen, einfach zugänglichen Kanal für Meldungen sowie dem Anspruch, Informationen anonym zu behandeln und seriös zu verfolgen.
Zu einzelnen Fällen kann sich die Finanzkontrolle nicht äussern; zum einen wegen des Amtsgeheimnisses, zum anderen wegen des Schutzes der Hinweisgeber. Eine Meldung wurde 2019 sogar an die Bundesanwaltschaft überwiesen.
Der Bund soll beim Aufdecken von Fehlverhalten mit gutem Beispiel vorangehen, so wünscht sich das die Finanzkontrolle. Sie arbeitet als nationaler Rechnungshof unabhängig von der Verwaltung. Gemäss Bundespersonalgesetz sind Beamte verpflichtet, Unregelmässigkeiten im Rahmen ihrer Arbeit zu melden. Im Gegenzug schützt sie das Gesetz vor einer Kündigung.
In der Privatwirtschaft lassen sich Angestellte derweil noch immer auf ein rechtliches Abenteuer ein, wenn sie Unregelmässigkeiten melden. Im Frühjahr versenkte das Parlament abermals eine Regelung, die Rechtssicherheit für Whistleblower hätte schaffen sollen. Den einen war sie zu zahnlos, den anderen zu kompliziert. (aargauerzeitung.ch)