Migros oder Coop? Coca-Cola oder Pepsi? Die Frage nach dem Fan-Lager gibt es bei vielen Marken - so auch bei Schweizer Markenschokolade. Hier lautet sie: Lindt oder Cailler? In den hiesigen Supermarktregalen sind beide prominent anzutreffen. Doch es gibt einen grossen Unterschied: Lindt hat es in den vergangenen Jahrzehnten zu internationaler Grösse geschafft. Die Kugeln und Tafeln des Zürcher Konzerns werden weltweit konsumiert.
Cailler ist hingegen der Durchbruch im Ausland trotz grosser Anhängerschaft in der Schweiz nie gelungen. Umso wichtiger ist für Cailler das Bestehen im Heimgeschäft, in welchem der Schokoladenmarkt stagniert. Und hier geht nun die Marke, die seit 1929 Teil des Nestlé-Konzerns ist, neue Wege. Sie lanciert dieser Tage bei Coop drei Tafeln mit spezieller Füllung.
Dabei setzt Bruno Emmenegger, bei Nestlé zuständig für das Schweizer Schokoladengeschäft, auf teils ausgefallene Geschmacksrichtungen. Am auffälligsten dürfte die Cailler-Tafel mit Pralinato-Füllung sein. Die Kultglace, die seit Jahren vom Nestlé-Joint-Venture Frisco produziert wird, habe einen hohen Wiedererkennungswert, sagt Emmenegger.
Die beiden weiteren Füll-Kreationen lauten «Cookies and Cream» und «Caramel». Passt das zur Traditionsmarke? «Die Geschmäcker der Kundschaft verändern sich über die Jahre und wir gehen mit der Zeit», sagt Emmenegger, der seit 38 Jahren für Nestlé arbeitet - genauso lange wie Laurent Freixe, der vor eineinhalb Wochen überraschend neuer Konzernchef wurde. «Er war in verschiedenen Ländern mein Chef und ich schätze ihn und seine Marktkenntnisse sehr», sagt Emmenegger über den Franzosen, der auf den Deutsch-Amerikaner Mark Schneider folgt.
Die neuen Geschmackskombinationen passen weniger zur Strategie, die Nestlé einst für Cailler vorsah. 2016 sagte der damalige Nestlé-Schweiz-Chef Christophe Cornu in einem Interview mit CH Media, man wolle Cailler international als Super-Premium-Marke etablieren, in teuren Shops in Metropolen wie San Francisco oder Schanghai.
Zwei Jahre zuvor hatte Laurent Freixe - damals Europachef - in der «Schweiz am Wochenende» angekündigt, mit Cailler im Ausland wachsen und gegenüber Lindt aufholen zu wollen. Cailler solle auf der ganzen Welt verfügbar und bekannter gemacht werden.
Laut Freixe hätte Cailler durchaus so gross werden können wie Lindt. Doch in der Vergangenheit habe Nestlé die Prioritäten anders gesetzt. «1988 kauften wir die britische Firma Rowntree's mit der Marke Kitkat, die wir integrieren mussten, um sie zu einer globalen Marke aufzubauen. Aber jetzt ist die Zeit reif für Cailler.»
Zuweilen gab es die Schoggi, die seit 126 Jahren in Broc, Freiburg, hergestellt wird, auch in Duty-free-Geschäften an internationalen Flughäfen sowie in den Onlineshops von Amazon und Alibaba. Doch die Übung wurde abgebrochen.
Die Super-Premium-Strategie war Geschichte. Das Massenpublikum wurde wieder gesucht. 2019 lancierte Cailler die Produktelinie «Dark & Milk» hierzulande mit viel Marketingeinsatz. Nestlé wollte damit Kundinnen und Kunden ansprechen, die weder schwarze noch Milchschokolade eindeutig bevorzugen. Doch die Idee fand keinen Anklang. Nur zwei Jahre später verschwand «Dark & Milk» wieder.
Unvergessen ist das Plastik-Fiasko unter der Leitung von Nelly Wenger aus den Nullerjahren. Sie verpasste allen Cailler-Schokoladen eine Hartplastik-Verpackung von Stararchitekt Jean Nouvel. Die Kundschaft war «not amused». Emmenegger übernahm Ende 2006 ein erstes Mal die Leitung des hiesigen Schokoladengeschäfts - und machte den Plastik-Plan sogleich rückgängig. Später sagte er, Cailler habe wegen der Episode kurzzeitig 26 Millionen Franken, einen Viertel seines Umsatzes, verloren. Zum heutigen Umsatz macht er keine Angaben. Nur: «Wir legen zu.»
Trotz dieser Rückschläge steckt Emmenegger den Kopf nicht in den Sand. «Die Schokoladenindustrie ist von Innovationen getrieben, da kann nicht immer alles funktionieren.» Auch die neuesten Innovationen mit den Füllungen erinnern denn auch eher an das aktuelle Nestlé-Credo, das Freixe von seinem Verwaltungsratspräsidenten Paul Bulcke auferlegt wurde: zurück zu den Basics.
Zudem hat Cailler zuletzt durchaus auch Erfolge feiern können. Mit dem Berner Traditionsunternehmen Kambly wurden gemeinsame Produkte mit Co-Branding hergestellt: Cailler-Schokolade mit Kambly-Biscuit-Stücken und Kambly-Petit-Beurres mit Cailler-Überzug.
Auch eine erneute Offensive im Ausland schliesst der 62-jährige Emmenegger nicht aus. «Diese Möglichkeit bleibt offen.» Doch zuerst will er die ausländische Kundschaft bei ihrem Besuch hierzulande von Cailler überzeugen. Dafür hat die Nestlé-Tochterfirma zuletzt eine Linie mit Tourismus-Sujets lanciert. Diese gibt es auch in den Duty-free-Shops an den Flughäfen Zürich, Basel und Genf.
Zudem besuchten im vergangenen Jahr 437'000 Personen das Cailler-Museum am Produktionsstandort Broc im Greyerzerland. «Von hier in der Region beziehen wir seit je auch unsere Milch für die Schokolade», sagt Emmenegger. «Zudem haben wir letztes Jahr 9 Millionen Franken in die Modernisierung der Produktion investiert.»
Aber das ist ja bekanntermassen Geachmackssache 😊