Redet die Schweiz über das Auto, wird es schnell grundsätzlich. Die einen ärgern sich über Stau, die anderen über Lärm oder Abgase – und entlang dieser Befindlichkeiten hangelt sich auch die Debatte über den Ausbau der Autobahn, über den die Schweiz am 24. November abstimmt.
Kaum die Rede ist indes von den Kosten dieses Infrastrukturpakets. Rund fünf Milliarden Franken verschlingen die sechs Projekte zwischen Genf und St.Gallen. Das Bundesamt für Strassen (Astra) stellt sich auf den Punkt: für deren Bau «stehen genügend Mittel zur Verfügung». Recherchen zeigen, dass den Preis dafür wohl aber durchaus die Autofahrer berappen müssen.
Bezahlt werden der Basler Rheintunnel, die Berner A1-Erweiterung und die Tunnels in der Ostschweiz aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsfonds (NAF). Zum Zustand dieses Infrastrukturfonds kursierten in den vergangenen Jahren unterschiedliche Zahlen.
2022 schrieb der Bundesrat in seiner Botschaft zum Autobahnausbau, dass gemäss Prognosen die Reserven des NAF zur Neige gingen. Weil immer mehr Leute von Benziner auf Elektro-Autos umsteigen, nähmen die Einnahmen aus dem Mineralölzuschlag ab, welcher den NAF speist. Bereits 2027 könnten die Reserven des NAF «unter 500 Millionen Franken» betragen.
Dies hätte zur Folge, dass im Jahr vorher der Benzinpreis um 4 Rappen verteuert werden muss. So will es das Gesetz, zu dem Volk und Politik bei der Schaffung des NAF zugestimmt hatten. Besonders pessimistisch: «Diese Erhöhung leistet lediglich einen kleinen Beitrag zur Verbesserung der Liquidität.»
Wiederholt wird die Prognose im Legislaturfinanzplan 2025-2027, den der Bundesrat in seiner Sitzung vom 24. Januar verabschiedet hat. Ein halbes Jahr später findet sich jedoch eine andere Berechnung. In der Botschaft zum Voranschlag 2025 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan steht, eine Erhöhung des Benzinpreises sei per 2027 notwendig.
Dramatischer klingt es bereits vier Tage später. Die Spar-Expertengruppe des Bundes um Serge Gaillard hat sich ebenfalls mit den Nationalstrassen beschäftigt. In deren Bericht heisst es: «Das Astra macht darauf aufmerksam, dass der Fondsbestand des NAF (...) Ende der 2020er-Jahre gegen null tendiert.» Allerdings sei dies mit mehreren Unsicherheiten behaftet.
Das Rezept der Spar-Gruppe Gaillard? «Die Expertengruppe verweist in diesem Zusammenhang jedoch auf die dem Bundesrat vom Parlament eingeräumte Kompetenz, den Mineralölsteuerzuschlag bei Bedarf zu erhöhen.»
Mit den eigenen Berechnungen konfrontiert, liefert das Astra auf Anfrage nochmals eine neue Zahl: «Die aktuelle Prognose zeigt, dass die Fondsreserven in rund 4 bis 5 Jahren auf 500 Millionen Franken fallen werden», lässt ein Sprecher per Mail verlauten. Es handle sich dabei, «wie bei Finanzprognosen üblich», um eine konservative Schätzung. Das aktuelle Fondsvermögen betrage 3,67 Milliarden Franken – mehr, als ursprünglich vorausgesagt.
Zwei Änderungen zum NAF halten sich zudem finanzpolitisch vermutlich die Waage. Einerseits will das Parlament künftig 10 Prozent der Mineralölsteuer vom NAF in die allgemeine Bundeskasse umlenken. Dies wird jedoch damit leicht überkompensiert, dass Elektroautos seit Anfang Jahr eine Automobilsteuer zahlen müssen.
Höhere Benzinpreise lassen in Bundesbern die Drehzahl hochschnellen. Bereits bei der Schaffung des NAF war der Mineralölzuschlag ein grosser Streitpunkt. Und auch beim Stimmvolk treffen Preiserhöhungen an der Tankstelle einen wunden Punkt: Nachwahlbefragungen zeigten etwa, dass das CO2-Gesetz 2021 wegen Sorgen um teueren Treibstoff scheiterte.
Genau in diese Spur biegt nun auch SP-Nationalrat Jon Pult ein. Der Präsident der Alpeninitiative befürchtet, dass nicht zuletzt die Bergbevölkerung mehr fürs Benzin bezahlen muss. Jene, «die nichts vom Ausbau haben, aber wirklich auf das Auto angewiesen sind».
Bundesrat Albert Rösti stehe in der Pflicht, offen zu legen, wie der Autobahn-Ausbau finanziert werden wird: «Es wäre skandalös, wenn der Bundesrat keine Transparenz über den Zusammenhang zwischen dem Autobahnausbau und der Erhöhung des Benzinpreises herstellen würde», sagt Pult.
SVP-Nationalrat Christian Imark sieht hingegen kein Problem. «Beim NAF handelt es sich um eine rollierende Planung: Viele Projekte können sich in den kommenden Jahren noch verschieben. Das Geld für den jetzigen Ausbau ist aber vorhanden.»
Rund einen Monat vor der Abstimmung bemüht sich auch das Astra um Gelassenheit. Kein Wunder: Jüngste Umfragen legen ein knappes Resultat nahe. Der Bundesrat habe die Thematik der abnehmenden Reserven erkannt, heisst es auf Anfrage. Finanzielle Linderung soll eine neue Vorlage bringen: eine Abgabe auf Elektrofahrzeuge. «Diese Ersatzabgabe soll ab 2030 erhoben werden, wir gehen heute davon aus, dass die Vernehmlassung dazu nächstes Jahr starten kann», schreibt ein Sprecher.
Weil es dafür eine Verfassungsänderung braucht, wird die Schweiz vermutlich 2027 darüber abstimmen. Ob diese Abgabe wirklich ab 2030 erhoben werden kann, ist unsicher. Bereits jetzt regt sich Widerstand dazu im Parlament. Was beweist: Für eine verkehrspolitische Grundsatzdebatte braucht es weder Lärm noch Abgase. (aargauerzeitung.ch)
1. Wird dann die Vignette (endlich) 100.-- kosten ?
2. Wird am Gotthard (endlich) ein Roadpricing eingeführt ?
3. Wieviel Kulturland geht verloren ?
4. Ist der Ausbau nachhaltig, oder müssen wir in 30 Jahren dann weiter ausbauen (weil mehr Strassen führt zu mehr Verkehr) ?
5. Wollen wir nicht gewisse Projekte beenden, bevor wir neue auftun (e.g. A9 im Oberwallis ist seit 40 Jahren im Bau) ?