Bei Jobwechsel oder neuem Handy-Abo: So revolutionär ist künstliche Intelligenz
Egal, ob es um den Kauf eines Handys oder um den Antritt eines neuen Jobs geht: Die Bedingungen sind in einem Vertrag geregelt. Verträge sind überall, wo eine rechtlich verpflichtende Abmachung getroffen wird. Nun hält die künstliche Intelligenz (KI) auch in diesem Bereich vermehrt Einzug. Das bringt verschiedene Veränderungen mit sich.
Eine Firma, deren Geschäftsmodell auf dieser Entwicklung beruht, ist Legartis mit Sitz in Zürich. Die Legaltech-Firma um Chef und Co-Gründer David Alain Bloch hat ein Tool entwickelt, das Verträge mit künstlicher Intelligenz analysiert. Nun geht sie noch einen Schritt weiter mit einer Innovation, die sie als Novum zumindest im deutschsprachigen Raum, wenn nicht in ganz Europa, ankündigt.
Voll des Lobes für das Tool ist auch der Branchenverband der Firmen, die im Bereich Rechtstechnologie tätig sind. Die Swiss Legaltech Association schreibt auf Anfrage, der Schritt sei ein «echter Wendepunkt». Legartis habe ein «bemerkenswertes Leistungsangebot» geschaffen, das sowohl den lokalen als auch den internationalen Markt massgeblich beeinflusse.
Und zwar hat Legartis den «Schritt zur Vollautomatisierung» geschafft, wie Bloch gegenüber CH Media erklärt. Heisst: Die künstliche Intelligenz kontrolliert Verträge im Hinblick auf eine beliebig grosse Zahl an Anforderungen, die von den Firmen selbst festgelegt werden können.
Von Menschen durchgeführt, sei der Vertragsprüfungsprozess zeitaufwendig und anfällig für Fehler, sagt Bloch. Diese unnötigen Risiken würden mit der KI gesenkt, die schneller und standardisiert arbeite und somit auch Rechtsabteilungen entlaste.
Das funktioniert mit der Integration mehrerer Sprachmodelle, ähnlich demjenigen, auf dem der Chatbot ChatGPT basiert. Wer einen Vertrag prüfen will, erfasst die Anforderungen mit sogenannten Prompts, beispielsweise: «Der Vertrag kann bei Insolvenz gekündigt werden.»
Die KI durchsucht anschliessend den Vertrag. Wenn darin eine entsprechende Klausel fehlt, weist das Tool darauf hin. Ebenso markiert es unzulässige und besonders relevante Klauseln, damit diese noch von einem Menschen angeschaut werden. Das Tool beherrscht dies in mehreren Sprachen: auf Deutsch, Englisch und bald auch Französisch. Eingesetzt wird es beispielsweise von der Zürcher Kantonalbank, dem Baukonzern Implenia oder dem Medienunternehmen Ringier.
Bald auch für Miet- und Arbeitsverträge
Die künstliche Intelligenz arbeitet auf der Grundlage von wiederkehrenden Mustern. Der Einsatz lohnt sich für Firmen insbesondere da, wo viele Verträge anhand der gleichen Regeln geprüft werden können – etwa bei Kaufverträgen, Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder Geheimhaltungsvereinbarungen.
Doch schon bald ist ein Einsatz für jegliche Verträge möglich, also auch etwa Miet- oder Arbeitsverträge. Man arbeite an einer entsprechenden Funktion, die sich bereits in der Testphase befinde, verrät der Legartis-Chef. Damit seien der Automatisierung «keine Grenzen mehr gesetzt». Sie funktioniere über alle Branchen und Vertragstypen hinweg. «Es kommt nur darauf an, welche Anwendung auf dem Markt gefragt ist», so Bloch.
Ein Kaufvertrag, der von künstlicher Intelligenz geprüft wird – schürt das nicht Misstrauen bei vielen Menschen? «Ich spüre die Skepsis», räumt Bloch ein. Doch in den vergangenen Jahren habe sich die Wahrnehmung stark verändert: «Mittlerweile überwiegt oft die Neugierde und der Wille, mit KI arbeiten zu lernen.» Bei vielen Firmen sei bis in die obersten Etagen die Erkenntnis gereift, dass man einmal damit anfangen müsse.
Zudem beschwichtigt der Legartis-CEO Bedenken, wonach der Mensch im Prozess überflüssig werde: «Die KI ist immer noch ein Werkzeug. Dahinter steht ein Mensch, der damit arbeitet.» Wenn man dies aufzeige, fördere es das Vertrauen in die Technologie.
Die künstliche Intelligenz sei wie eine neue Mitarbeiterin im Geschäft: Man müsse herausfinden, wie sie ihr volles Potenzial ausnutzen könne – aber auch, wofür sie nicht geeignet sei: «Überall, wo Zwischenmenschliches und Erfahrung gefragt sind, steht die KI an.» Dort brauche es nach wie vor die Fachkräfte. Doch dank der KI könnten sie sich auf die wirklich wertschöpfende Arbeit konzentrieren. (aargauerzeitung.ch)
