Kaum hatten die ersten europäischen Erobererfüsse die Neue Welt betreten und sie in ihre krummen Karten eingezeichnet, galt es auch schon, die Erde in zwei Hälften aufzuteilen. Die Trennlinie verlief vom Nordpol zum Südpol, mitten durch den Atlantischen Ozean. Was westlich davon lag (Amerika), sollte Spanien gehören, der Osten (Afrika und Asien) wurde zum portugiesischen Hoheitsgebiet erklärt. So sollte verhindert werden, dass sich die beiden damaligen Herren der See gegenseitig bekriegten.
Über jenen Vertrag von Tordesillas (1494) wachte nun der frisch gewählte Papst Leo X mit Argusaugen. Noch hatte Luther seine 95 aufrührerischen Thesen nicht an die Schlosskirchentür in Wittenberg genagelt.
Sowieso ignorierte man im reformresistenten Rom jegliche theologischen Dispute ausserhalb Italiens. Hier war der Papst eben noch «caput mundi», Haupt der Welt. Und das gegenwärtige war ganz besonders der Kunst zugetan. Den Neubau des Petersdoms wollte er aus den prall gefüllten Sündentaschen des Ablasshandels bestreiten. Leo X. hielt sich auch einen Hofnarren, den er für schlechte Scherze ordentlich verprügeln liess. Er mochte Prunkfeste und die Jagd und in den vatikanischen Gärten hielt er sich einen Bären, zwei dressierte Leoparden und ein kleines Chamäleon.
Doch bald schon sollte ein anderes Tier seine ganze Gunst gewinnen. Mit einer fast schon rührend hingebungsvollen Ungeschicklichkeit wird der dickliche Papst jeden Tag mit diesem spielen.
Der portugiesische König Manuel I. wollte nämlich den Grenzlinien hütenden Pontifex für sich gewinnen, damit er sein Land begünstige im Kampf um den einträglichen Gewürzhandel.
1514 bestieg er sein Schiff, das man vier Wochen lang auf seine Reise nach Rom vorbereitet hatte. Im Bauch befanden sich die kostbarsten Geschenke aus Gold und 43 seltene Wildtiere aus dem Besitz des Königs. Anführen sollte den Tross aber ein wunderschöner junger Elefant. Der Gouverneur von Indien hatte ihn Manuel drei Jahre zuvor aus Chochin geschickt.
Die exotische Truppe wurde bereits bei ihrer Ankunft in Rom von Schaulustigen umringt. Die Leute folgten dem fremden Riesengeschöpf auf seinem Landweg nach Rom, wobei ihrem ungestümen Gedränge manch ein Gasthaus zum Opfer fiel.
Als der Papst von den Erschwernissen der Reise hörte, schickte er der portugiesischen Delegation sofort eine Kompanie Bogenschützen aus seiner Schweizergarde.
Am 19. März 1514 zog das Riesengefolge einer mobilen Festung gleich in einem pompös gestalteten Triumphzug in die Stadt ein und übergab dem Papst die Geschenke. Man erzählt sich, dass der Elefant, der als Höhepunkt der Zeremonie bis zuletzt aufgespart worden war, langsam auf den Papst zutrottete. Vor den väterlichen Füssen machte er Halt und kniete drei Mal nieder.
Ein Wunder! In antiken Schriften war nämlich nachzulesen, dass Elefanten überhaupt keine Kniegelenke besitzen.
Dann sog er mit dem Rüssel Wasser aus einem Eimer und bespritzte damit die anwesende Geistlichkeit – sehr zum Entzücken des Papstes.
Er gibt ihn den Namen Annone, zu deutsch Hanno, und lässt ihm eine prächtige eigene Unterkunft im Garten erbauen. Täglich stattet er seinem neuen Liebling einen Besuch ab und zuweilen lässt er gar seinen Elefanten bei öffentlichen Vorstellungen vom Volk bewundern. Dann lässt ihn der Mahut – sein indischer Pfleger – jeweils zu Musik tanzen.
Doch als sein Neffe das Tier für eine Veranstaltung nach Florenz ausleihen will, winkt Leo X. ab. Er fürchtete, die Reise würde die Gesundheit seines lieben Elefanten selbst in eigens für ihn gefertigtem Schuhwerk gefährden. Für den Triumphzug seines Hofnarren Baraballo – dem Abt von Gaeta – aber gab er ihn her. Dieser nämlich schaffte es in der Regel, mit seinen unfreiwillig komischen Versen von ungebremst bacchanalischer Leidenschaft den gesamten apostolischen Hof prächtig zu amüsieren. Baraballo selbst hielt sich allerdings für einen zweiten Petrarca und seine Finger heischten gierig nach dem immergrünen Lorbeerkranz, der Krone der Dichter, die dem Träger nach antikem Vorbild ewigen Ruhm gewährte.
Und so liess der Papst jenen Dichterfürsten bekränzen und bereitete ihm einen unvergesslichen Triumphzug. Stolz schritt Baraballo in seinen funkelnden Gewändern die Stufen des Vatikan herab, begleitet vom sanften Klang der Flöten und dem spöttischen Staunen der Geistlichkeit. Unten wartete Hanno auf ihn, auf dem Rücken einen Thron tragend, dessen Armlehnen in vergoldete Greifvögelköpfe ausliefen.
Unter den unaufhaltsam hevorbrechenden Prustern der Kirchendiener versuchte Baraballo vergebens, seinen Herrschersessel zu besteigen. Am Ende zog man den Poeten wenig würdevoll auf den Elefanten hinauf.
Nun endlich konnte sein feierlicher Ritt zum Kapitolshügel beginnen. Und während er das Kinn gen Himmel streckte und sich vom ausgelassenen Pöbel bejubeln liess, geriet seine Krone bei jedem von Hannos mächtigen Schritten zusehends in arge Schieflage, bis sie ihm schliesslich ganz schräg über das angerötete Gesicht hing.
Dies wiederum liess die Reihen gaffender Menschen noch mehr in Wallung geraten, sie lachten und tobten, während der Schall der Trompeten und die Zimbelschläge ihr Übriges zu diesem ohrenbetäubenden Klangteppich dartaten. Es war zu viel für den armen Elefanten, der sich erst weigerte, weiterzugehen und sich daraufhin so heftig zu schütteln begann, dass der Thron mitsamt seinem Poeten von seinem Rücken flog und beide im Staub des trockenen Flussufers landeten.
Der Dichter verschwand stracks durch die Menschenmenge, während Hanno in seinen Garten zurückgeführt wurde.
Einige Zeit später zwang ein Fieber den Pontifex ins Bett. Und als sei dies nicht schon schlimm genug, wucherte bald darauf auch noch eine fiese Fistel am päpstlichen Gesäss.
Ein Mönch sagte ihm und auch Hanno den baldigen Tod voraus. Und tatsächlich erkrankte nun auch der Elefant schwer. Ängstlich rief der Papst seine Ärzte herbei, die aufgrund der Atemnot des Elefanten eine Angina diagnostizierten.
Doch das war nicht Hannos einziges Problem, er war entsetzlich verstopft und so beschloss man, ihm wie in solchem Falle üblich, ein mit Gold versetztes Abführmittel zu verabreichen. In Anbetracht seiner Grösse gab man ihm raue Mengen des Edelmetalls ab, doch das tat dem Tier nichts Gutes. Am 8. Juni 1516 hauchte es ganz erschöpft von einem elenden Leben seine Elefantenseele aus.
Dem Papst hingegen waren noch ein paar Jährchen beschert. Bitter weinte er um den toten Hanno. Seinen Stallmeister liess er eine Grabinschrift herstellen, in der Hanno noch ein letztes Mal besungen werden sollte.
Am 31. Oktober 1517 schlägt Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg. Und manch einer lacht über die spöttischen Zeilen, mit denen der wortwütige Reformator die allzu innige päpstliche Liebe zu seinem Elefanten bedachte. Zwar exkommuniziert Leo X. seinen deutschen Widersacher, doch diesem war das einerlei, er entfachte ein Feuer – dieses Mal vor dem Wittenberger Elstertor – und verbrannte feierlich die päpstliche Bannbulle.
Die Reformation war nicht mehr aufzuhalten. Dieser grobschlächtige Bauernsohn schrie laut heraus, was sein Jahrhundert über den Schacher der Päpste dachte. Doch Leo X. hörte nicht hin. Wie ein Tauber taumelte er durch die prunkvollen Hallen des Vatikan, bis ihn am ersten Dezembertag des Jahres 1521 eine Wintergrippe hinwegraffte.
(besser hat Cercei keinen Elefanten gekriegt, wer weiss was sie damit gemacht hätte)