Das 17. Jahrhundert ist nicht nur das Zeitalter, in dem die französische Knospe des Absolutismus besonders glanzvoll erblüht, es ist auch die Ära der diversen Abführmittel.
Diese zwei Dinge mögen für jeden halbwegs zurechnungsfähigen Leser nun gänzlich unversöhnlich scheinen, dennoch fanden sie in nur einer Person zu einer mirakulösen Verschmelzung.
Namentlich in König Ludwig XIV.
Im Leibe seiner Majestät focht die weltbeherrschende Zweiheit von Licht und Finsternis ihren ewigen Kampf aus. Und bald schon, so dünkte es die bangenden Ärzte, würde die Dunkelheit obsiegen.
Denn seit geraumer Zeit reichten Ludwigs Kräfte nicht mehr aus, so hell zu strahlen, wie es einem Sonnenkönig tatsächlich gebührte. Mochte seine Macht noch so grenzenlos sein, und liess er sich ob so viel Bedeutsamkeit vielleicht gar zum Ausruf «L'état c'est moi!» hinreissen, was nützte es ihm! Die leibliche Hülle, in die er durch Gottes Gnaden gesteckt, um auf Erden zu herrschen, krankte übel. Zum Teufel mit all seinen ihm willenlos gehorchenden Untertanen, wo doch sein eigenes Gedärm seine Befehle zu ignorieren pflegt!
Tollkühn lehnte es sich auf gegen den Bourbonen und rumorte gegen die ihm täglich verabreichte «Bouillon purgatif», diese schauderhafte Tunke aus Schlangenpulver, Weihrauch und Pferdemist. Diese schlürfte er auf Geheiss seiner Leibdoktoren eifrig, da – so versicherten sie dem König – einzig ein leerer Darm auch ein gesunder Darm sei.
Nun nährt jedes Jahrhundert ein paar falsche und gefährliche Überzeugungen an seinem Busen, darum wollen wir nicht vorschnell die Menschen dieser vergangenen Zeit verlachen. Nicht das kleinste schuftige Grinsen darf über unsere Lippen huschen, war das Opfer jenes Irrglaubens doch blauen Geblüts und litt gar arg darunter!
Die abführende Brühe nun zwang den französischen König 14 bis 18 Mal im Tage auf den Versailler Abort. Genötigt, würdevoll dorthin zu schreiten, blieb Ludwig ein zackiger Sprint verwehrt, weshalb sich für gewöhnlich schon auf dem Wege zum Stankgemach etwas vom Verdauten aus dem Gesäss schlich.
Mit Argusaugen wachten die Leibärzte über des Königs Fäkalien und ab dem Jahr 1685 begannen sich ihre sorgenvollen Tagebucheinträge zu mehren.
«Genug der Entleerung!», sagte sich irgendwann das Gedärm und bildete ein Geschwür, das fortan schmerzlich am königlichen Anus wucherte. Der 48-jährige Ludwig konnte nicht mehr reiten und seine Spaziergänge im Park unternahm er nunmehr mit der Sänfte.
Der Abszess war wohl der damals üblichen Praxis der Einläufe geschuldet, derer der französische König während seiner Amtszeit 2000 bekam. Sicherlich war die hierfür in den Anus eingeführte, gänzlich unsterile Metallspitze (Klistier) der Gesundheit des Darmtraktes nicht unbedingt zuträglich.
Niemand aber sprach offen von der fiesen Fistel, die am Gesäss Ludwigs XIV. prangte. Die nun zahlreich nach Versailles pilgernden Ärzte, Apotheker, Scharlatane und Quacksalber wollten mit ihren heiligen Wässerchen, lindernden Pflastern und Wunder wirkenden Umschlägen allesamt nur den «Oberschenkeltumor» des Königs kurieren.
Seit Hippokrates im fünften vorchristlichen Jahrhundert nämlich den Analfisteln mit einem grobschlächtigen Schnitt beizukommen versuchte, und seine Patienten in aller Regel darob verbluteten, hatte niemand mehr versucht, an solcherlei Geschwüren herumzuschnippeln. Sowieso genossen die Chirurgen zu Ludwigs Zeiten wenig Ansehen. Meist aus den Reihen der Friseure und Barbiere stammend, verachtete man sie wegen ihres verunreinigenden Kontaktes mit Blut.
Doch dann endlich betritt der Sorbonner Professor Charles-Francois Félix de Tassy die Bühne der Medizin. Der Chirurg, der seine Gilde erstmals mit Ruhm bedecken wird. Der Mann, der das erste ernstliche Kapitel der Proktologie schreiben und damit die Wissenschaft rund um den menschlichen After begründen wird. Wenn auch mehr durch Fortunas Zutun als durch wahres Können.
Nun gut, Mut hatte Félix. Bevor er sich allerdings zwischen den royalen Hinterbacken zu schaffen machte, übte er erst an mittellosen Pariser Landstreichern. 75 solch armer Teufel soll diese zweifelhafte Ehre zuteil geworden sein.
Die meisten von ihnen wurden nach der chirurgischen Behandlung ohne das Geleit der Glocken und ohne Gottes Beistand im Morgengrauen ganz heimlich verscharrt. Gezwungen, ihr Leben für die Entwicklung eines speziellen Fistel-Instruments zu lassen: le bistouri recourbé à la royale; das königlich gebogene Skalpell.
Dieses ausgeklügelte Messer, geführt von der Hand des nun trainierten Félix, machte am 18. November des Jahres 1686 um 7 Uhr Morgens der Fistel Ludwigs XIV. mit 10 Schnitten den Garaus. Dafür wurde vorab das königliche Gesäss mit mehreren Kissen kunstvoll in die Höhe getürmt. Ein Spreizgerät sorgte indes für die fortwährende Offenhaltung des Darmausgangs.
«La Grande opération» dauerte drei Stunden, in denen Madame de Maintenon das blasse Händchen ihres Geliebten nicht losliess und eilig ein Stossgebet nach dem anderen gen Himmel schickte.
Der tapfere unbetäubte Herrscher soll indes zu seinen Chirurgen gesagt haben: «Behandelt mich nicht wie einen König, ich will heilen wie ein Bauer.»
Stattdessen gesundete er doch eher royal, bestens umsorgt in seinem Gemache liegend. Der Hof war so sehr begeistert, dass in den Augen so manch eines Höflings das Tragen von Analfisteln bald als erstrebenswert galt. Sie gehörten nicht mehr länger zur Gruppe der blamablen und unansehnlichen Geschwüre, sondern adelten vielmehr ihre Träger, die nun in den Genuss kamen, sich ebenso wie der König, dieser modischen Operation zu unterziehen.
Doch die wenigsten seiner Patienten, so stellte der inzwischen gefeierte Chirurg Félix erstaunt fest, litten tatsächlich unter einer königsgleichen Fistel:
Und so begannen eben viele damit, sich eine solch royal anmutende Fistel anzudichten und bandagierten als Hommage an den König ihre Hinterteile ein.