Die «Säulen der Schöpfung» – Wolken aus Staub und Gas im 6500 Lichtjahre entfernten Adlernebel – sind eine der berühmtesten astronomischen Aufnahmen. Erstmals abgelichtet wurde die beeindruckende Formation 1995 vom Weltraumteleskop Hubble; 2014 machte das Teleskop eine wesentlich höher aufgelöste Aufnahme, die anlässlich seines 25. Geburtstages im Januar 2015 veröffentlicht wurde.
Auch der Nachfolger des Hubble-Weltraumteleskops, das James-Webb-Weltraumteleskop, hat nun das spektakuläre Gebilde im Adlernebel ins Visier genommen. Bereits am 19. Oktober veröffentlichten die Astronomen eine Aufnahme der «Säulen der Schöpfung» in nie dagewesener Schärfe:
Auffallend ist die ungeheure Anzahl von Sternen, die hier im Vergleich zur Hubble-Aufnahme zu sehen ist. Gerade entstehende Sterne erscheinen auf dem Bild pink, rot und purpurn. Ältere Sterne hingegen erscheinen blau und gelb. Allerdings ist die mit dem Instrument NIRCam im nah-infraroten Spektrum gemachte Aufnahme – wie auch die Bilder des Hubble-Teleskops – im Original monochrom. Den digitalen Daten der verschiedenen Filter werden erst bei der Nachbearbeitung für Menschen sichtbare Farben zugewiesen.
Am 28. Oktober veröffentlichte die Nasa dann eine weitere Aufnahme – diesmal jedoch des MIRI-Instruments, das Daten im mittleren Infrarotbereich sammelt. Der Kontrast zur Aufnahme von NIRCam ist frappierend, wie der Slider unten deutlich zeigt: Es sind viel weniger Sterne sichtbar, dafür rücken die Gas- und Staubwolken in den Vordergrund. Das Bild wirkt sehr viel düsterer, beinahe gespenstisch:
Die unheimliche Stimmung der MIRI-Aufnahme beruht darauf, dass die Sterne bei diesen Wellenlängen nicht hell genug sind, wie die Nasa mitteilt. Die blaugrauen Säulen aus Staub und Gas treten in diesem Spektrum hingegen deutlicher hervor. Die wenigen Sterne, die zu sehen sind, sind die karmesinroten Kugeln an den Rändern der Säulen. Es handelt sich um junge Sterne, die noch immer in Staub gehüllt sind, sodass die Sensoren des Teleskops im mittleren Infrarotbereich sie erkennen können.
Die blaugrauen «Säulen der Schöpfung» – deren dichteste Bereiche in den dunkelsten Grautönen erscheinen, während die rötlichen Bereiche kühler und weniger dicht sind – stellen wichtige Zonen der Sternenbildung dar; diesem Umstand verdanken sie auch ihren Namen. Wenn sich in diesen Regionen Kerne aus Gas und Staub mit ausreichender Masse bilden, kollabieren sie unter ihrer eigenen Schwerkraft und heizen sich dabei langsam auf. Aus diesen Protosternen, die weitere Materie anziehen, entstehen schliesslich die Sterne.
Die «Säulen der Schöpfung» sind etwa vier bis fünf Lichtjahre gross und damit bedeutend grösser als unser eigenes Sonnensystem. Der Adlernebel insgesamt ist noch weitaus grösser; er besitzt eine Ausdehnung von etwa 70 mal 55 Lichtjahren. (dhr)