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James-Webb-Teleskop fotografiert Earendel – den bisher fernsten Stern

The first JWST image of Earendel, the most distant star known in our universe, lensed and magnified by a massive galaxy cluster. It was observed last weekend by JWST program 2282.
Das erste Bild des Webb-Teleskop von Earendel. Nein, es ist nicht der helle Stern in der oberen Bildmitte, sondern ein kleiner roter Punkt im roten Kreis. Bild: NASA, ESA, CSA, STScI

Webb-Teleskop fotografiert den bisher fernsten bekannten Stern

25.08.2022, 16:4825.08.2022, 17:31
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Vor sieben Monaten hat das James-Webb-Weltraumteleskop seinen Einsatzort rund 1,4 Millionen Kilometer von der Erde entfernt erreicht. Die ersten Bilder, die der Hubble-Nachfolger geschossen hat, wurden im Juli veröffentlicht. Nun hat das Teleskop den am weitesten entfernten Stern fotografiert, der bisher bekannt ist: WHL0137-LS, etwas eingängiger auch «Earendel» genannt.

Earendel
Im Altenglischen bedeutet das Wort «Morgenstern» oder «aufgehendes Licht». In der altnordischen Mythologie ist Aurvandill (althochdeutsch Orentil) ein Held, der von Thor gerettet wird, zudem gibt es mit Orendel den Helden eines mittelhochdeutschen Kreuzritterromans.
Als Namenspate für den Stern WHL0137-LS dient jedoch eine Figur aus dem literarischen Universum des englischen Schriftstellers J. R. R. Tolkien («Herr der Ringe»). Earendil der Seefahrer ist dort ein Halbelb, der mit seinem Schiff und einem glänzenden Edelstein von den Göttern an den Himmel gesetzt wurde und als Morgen- und Abendstern erscheint.

Earendel hat eine geschätzte Masse von rund 50 bis 100 Sonnen. Allerdings wäre die Vergangenheitsform hier angebracht, denn der Stern existiert mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit längst nicht mehr. Dass wir ihn jetzt noch sehen können, liegt daran, dass sein Licht 12,9 Milliarden Jahre lang unterwegs war. Durch die Expansion des Universums wäre er heute jedoch 28 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt. Earendel entstand sehr früh, lediglich 900 Millionen Jahre nach dem Urknall, und Sterne dieser Masse existieren nur wenige Millionen Jahre, bevor sie in einer Supernova explodieren.

Das Alter des Sterns konnten die Astronomen anhand der sogenannten Rotverschiebung bestimmen. Sein Licht wurde während seiner langen Reise durch das All quasi gedehnt, da der Weltraum expandiert; es ist daher aufgrund der grösseren Wellenlänge stärker in den Rotbereich verschoben. Es ist nicht etwa die relative Bewegung des Sterns zu uns Beobachtern, die dafür verantwortlich ist, sondern die Ausdehnung des Raums. Sehr weit entfernte Galaxien und Sterne, die sich mit grösserer Geschwindigkeit von uns zu entfernen scheinen als nähere, sind aus diesem Grund rötlich gefärbt.

Je stärker das Licht einer Galaxie oder eines Sterns in den roten Bereich verschoben ist, desto weiter entfernt sind sie – und desto weiter zurück in der Vergangenheit liegt der Zeitpunkt, zu dem ihr Licht ausgestrahlt wurde. Das Licht von Earendel weist eine Rotverschiebung von 6,2 auf – das ist Rekord. Die meisten Sterne, die bisher mithilfe von Graviationslinsen gefunden wurden, haben lediglich eine Rotverschiebung von 1 bis 1,5.

So sieht das Universum aus – die Bilder des «Webb»-Teleskops

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So sieht das Universum aus – die Bilder des Webb-Teleskops
Der Galaxienhaufen SMACS 0723, aufgenommen vom Webb-Teleskop, veröffentlicht im Juli 2022.(NASA/ESA/CSA via AP)
quelle: keystone
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Earendel wurde bereits im März dieses Jahres vom Hubble-Teleskop entdeckt. Das neue Bild des Webb-Teleskops entstand aus insgesamt rund drei Stunden Aufnahmen, die am 30. Juli von der Nahinfrarotkamera (NIRCam) gemacht wurden. Die NIRCam ist der primäre Bildgeber des Teleskops, der Licht im Wellenlängenbereich von 0,6 Mikrometern (sichtbares Rot) bis 5 Mikrometern (mittleres Infrarot) erfassen kann.

An image taken by the James Webb telescope of the most distant star in the Earendel Universe.
Die beiden roten Punkte auf beiden Seiten von Earendel sind ein Sternhaufen, der aufgrund der Gravitationslinsenverzerrung doppelt erscheint. Die Knoten entlang der rötlichen Linie sind weitere gespiegelte Sternhaufen. Bild: NASA, ESA, CSA, STScI

Dass das Licht eines derart weit entfernten Sterns überhaupt vom Teleskop empfangen werden konnte, liegt an einem massiven Galaxienhaufen namens WHL0137-08 (auch «Sunrise Arc» oder «Sonnenaufgangsbogen» genannt), der sich zwischen Earendel und der Erde befindet.

Dieser Gigant bewirkt durch seine Masse eine Verzerrung und Vergrösserung der hinter ihm liegenden Lichtquellen – das von Earendel ausgehende Licht wird dadurch um einen Faktor von mehreren tausend verstärkt. Dieser Effekt ist unter der Bezeichnung «Gravitationslinse» bekannt: Die Masse des Galaxienhaufens krümmt die Raumzeit, sodass das Licht zur Masse hin abgelenkt wird.

The star nicknamed Earendel (indicated here with an arrow) is positioned along a ripple in spacetime that gives it extreme magnification, allowing it to emerge into view from its host galaxy, which ap ...
Hier die Aufnahme des Hubble-Teleskops. Earendel ist der mittlere von drei leuchtenden Punkten im rötlich erscheinenden Bogen. Bild: ESA/Hubble

Der Astronom Brian Welch von der Johns Hopkins University entdeckte Earendel, als er ein Modell des Linseneffekts des Galaxienhaufens erstellte. Ihm fiel auf, dass das Objekt zu klein und zu stark vergrössert war, als dass es etwas Grösseres als ein Stern sein konnte. Welch nimmt an, dass Earendel ein Stern in einem Einzel- oder einem Doppelsystem gewesen sein könnte. (dhr)

Mit einem Teleskop zur Sonne

Video: srf/SDA SRF
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35 Kommentare
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001506.b818b2f8@apple
25.08.2022 17:15registriert Juli 2021
Es ist die Krümmung der Raumzeit, nicht des Raumes allein. Sonst könnte man eine Rotverschiebung nicht erklären. War eine der allerersten experimentellen Überprüfungen der Einstein-Gleichungen.
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Liebe Huberquizzer

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