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Astronomie

Verschmelzung von 2 Schwarzen Löchern dank Gravitationswellen entdeckt

Artist's impression of two black holes merging, which can be detected on Earth through the gravitational waves the collision creates.
Künstlerische Darstellung der Verschmelzung von zwei Schwarzen Löchern.Illustration: Victor de Schwanberg/SPL

Kollision von zwei «unmöglichen» Schwarzen Löchern lässt Astronomen rätseln

Forscher haben anhand von Gravitationswellen die bisher grösste Verschmelzung von zwei Schwarzen Löchern entdeckt. Das Ergebnis ist ein monströses Schwarzes Loch, das 225 Mal schwerer ist als unsere Sonne.
17.07.2025, 17:0517.07.2025, 17:05
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Am 23. November 2023 erreichte eine Gravitationswelle, die Milliarden Jahre zuvor entstanden war, die Erde. Sie durchlief den gesamten Planeten und stauchte und streckte ihn – doch niemand merkte etwas davon, denn die Veränderung bewegte sich in einer Grössenordnung von wenigen Atomkerndurchmessern und war daher viel zu geringfügig, um spürbar zu sein. Nicht aber für das Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory (LIGO), das über zwei Detektoren in den USA verfügt und Gravitationswellen misst.

LIGO detector in Hanford, Washington. The second detector is located in Livingston, Louisiana.
LIGO-Detektor in Hanford, US-Staat Washington. Der zweite Detektor befindet sich in Livingston im US-Staat Louisiana.Bild: LIGO

Ein internationales Forschungsteam prüfte das vom LIGO aufgefangene Gravitationswellensignal mit der Bezeichnung GW231123 anderthalb Jahre lang; nun veröffentlichte es die Ergebnisse als Vorabdruck auf dem ArXiv-Server1. Der Ursprung des Signals ist, so die Erkenntnis, die bisher grösste beobachtete Kollision zweier Schwarzer Löcher. Die beiden Giganten hatten einander immer schneller umkreist, bis sie schliesslich – fast mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs – im Bruchteil einer Sekunde miteinander verschmolzen. Dieses Ereignis, das in zwei bis dreizehn Milliarden Lichtjahren Entfernung stattfand, bewirkte eine Verzerrung der Raumzeit, eine Gravitationswelle, die 2023 schliesslich die Erde erfasste.

Gravitationswellen – Störungen in der Raumzeit
Die Raumzeit kann man sich anschaulich als ein straff gespanntes Tuch vorstellen. Planeten und Sterne liegen wie Murmeln auf diesem Tuch, wodurch die Raumzeit lokal eingedrückt (gekrümmt) wird. Gravitationswellen sind Verzerrungen der Raumzeit, die durch die Beschleunigung massereicher Objekte – etwa Schwarze Löcher, die sehr nahe umeinander kreisen oder verschmelzen – entstehen und sich mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen.
Bereits Einstein sagte die Existenz von Gravitationswellen voraus, aber sie liessen sich nur schwer nachweisen. Erst 2015 gelang es Wissenschaftlern, die ersten Gravitationswellen einzufangen, was 2017 mit dem Nobelpreis für Physik honoriert wurde.
Die Grafik zeigt die Verschmelzung zweier schwarzer Löcher und die Amplitude der Gravitationsstrahlung.
Die Grafik zeigt die Simulation von zwei rotierenden Schwarzen Löchern, die einander umkreisen und dabei starke Gravitationswellen erzeugen.Grafik: NASA/Ames Research Center/C. Henze

Schwarze Löcher mit «verbotener» Masse

Es ist nicht das erste Mal, dass Wissenschaftler Gravitationswellen messen, die von kollidierenden Schwarzen Löchern ausgehen. Seit im September 2015 erstmals eine Gravitationswelle aufgefangen wurde, gelang dies rund 300 weitere Male. Doch GW231123 sticht aus diesen Messungen heraus, denn die beiden Schwarzen Löcher waren «unmöglich», weil sie wegen ihrer zu grossen Masse eigentlich gar nicht aus kollabierenden Sternen entstanden sein können. Zudem rotierten sie extrem schnell, etwa 40-mal pro Sekunde. Dies ist an der Grenze des physikalisch Möglichen, nämlich was Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie erlaubt.

Das zuvor grösste anhand von Gravitationswellen entdeckte Schwarze Loch weist 140 Sonnenmassen auf. Das ist nur gut die Hälfte des monströsen Schwarzen Lochs, dessen Entstehung die Gravitationswelle GW231123 auslöste. Gemäss Berechnungen der Wissenschaftler hat es bis zu 225 Sonnenmassen; die beiden Schwarzen Löcher, aus deren Kollision es hervorging, hatten etwa die 103- und 137-fache Masse der Sonne. Und dies stellt die Physiker vor ein Problem: Diese Masse ist zu gross, um sie mit der gängigen Theorie der Entstehung stellarer Schwarzer Löcher zu erklären.

Stellare und supermassive Schwarze Löcher
Schwarze Löcher werden nach ihrer Masse und Entstehung in verschiedene Typen eingeteilt:
Stellare Schwarze Löcher: Sie haben etwa 3 bis 100 Sonnenmassen und sind nach dem Kollaps massereicher Sterne in einer Supernova entstanden.
Supermassive Schwarze Löcher: Sie weisen mehrere Millionen bis mehrere Milliarden Sonnenmassen auf und befinden sich im Zentrum fast aller Galaxien, auch der Milchstrasse. Ihre Entstehung ist nicht abschliessend geklärt; vermutlich entstehen sie durch die Fusion kleinerer Schwarzer Löcher und das Aufsammeln grosser Mengen an Materie über lange Zeiträume.
Mittelschwere Schwarze Löcher: Ihre Existenz ist bisher nicht zweifelsfrei nachgewiesen, es gibt aber starke Indizien, die dafür sprechen. Ihre Masse liegt zwischen jener der stellaren und der supermassiven Schwarzen Löcher. Sie könnten durch die Verschmelzung mehrerer Sterne oder kleinerer Schwarzer Löcher entstanden sein.

«Dies ist das massereichste Doppelsystem von schwarzen Löchern, das wir durch Gravitationswellen beobachtet haben, und es stellt eine echte Herausforderung für unser Verständnis der Entstehung von schwarzen Löchern dar», sagte denn auch der Physiker Mark Hannam von der Universität Cardiff dem Wissenschaftsmagazin «Nature». «Schwarze Löcher dieser Masse sind nach den Standardmodellen der Sternentwicklung verboten.»

Visualisierung der Verschmelzung zweier massereicher Schwarzer Löcher, die die Gravitationswellenbeobachtung GW231123 veranschaulicht. In der Einblendung oben rechts sind die beiden Schwarzen Löcher zu sehen, die zu einem grösseren Schwarzen Loch verschmelzen. Das Hauptbild zeigt eine weitere Perspektive, bei der die Schwarzen Löcher in der Bildmitte zu sehen sind. Sie sind von Gravitationswellen umgeben, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Dunkelblaue Farben stehen für vergleichsweise schwache, gelbe Farben für die stärksten Gravitationswellen, die in der Nähe der Verschmelzung ausgestrahlt werden.Video: YouTube/Max Planck Institute for Gravitational Physics

Size matters!

Schwarze Löcher mit stellarer Masse, die normalerweise von LIGO erfasst werden, entstehen, wenn massereiche Sterne am Ende ihres Lebenszyklus ihren Kernbrennstoff aufgebraucht haben. Dann nimmt der Strahlungsdruck, der sich im Gleichgewicht mit der Schwerkraft befindet, ab – die Gravitation gewinnt die Oberhand und der Stern kollabiert. Es kommt dabei meist zu einer enormen Explosion, einer sogenannten Supernova, wobei die äusseren Schichten des Sterns ins All geschleudert werden, während die Restmasse weiter kollabiert. Ist sie grösser als drei Sonnenmassen, entsteht ein Schwarzes Loch.

Im vorliegenden Fall liegt die Masse der beiden Schwarzen Löcher jedoch in einem Bereich zwischen 60 und 130 Sonnenmassen. Gemäss den gängigen Theorien dürfte aus einem Sternenkollaps aber kein Schwarzes Loch hervorgehen, dessen Masse in diesem Bereich liegt. Das liegt daran, dass der Vorläuferstern ab einer bestimmten Masse nicht mehr in einer «gewöhnlichen» Supernova explodiert, sondern vollständig zerrissen wird, ohne dass noch Restmaterial für die Bildung eines Schwarzen Lochs übrig bleibt. Eine solche Paarinstabilitäts-Supernova, die rund hundertmal mehr Energie freisetzt als eine herkömmliche Supernova, tritt bei Sternen ein, die etwa 140 bis 260 Sonnenmassen aufweisen. Noch massereichere Sterne hinterlassen wiederum ein – entsprechend massereicheres – Schwarzes Loch.

Fusion der zweiten Generation?

Die Wissenschaftler nehmen deshalb an, dass ein anderer Mechanismus zur Entstehung der beiden Schwarzen Löcher geführt haben muss. Eine Möglichkeit wäre, dass beide ihrerseits das Ergebnis einer Fusion von Schwarzen Löchern darstellen. Als ob «vier Grosseltern zu zwei Eltern fusionieren, die zu einem Baby-Schwarzen-Loch fusionieren», wie es Alan Weinstein, Physiker am California Institute of Technology in Pasadena, gemäss «Nature» veranschaulicht.

Für die vorherige Fusion von kleineren Schwarzen Löchern spricht auch die extrem schnelle Rotation der beiden Schwarzen Löcher, bevor sie selber miteinander verschmolzen. Bevor die ursprünglichen kleineren Schwarzen Löcher fusionierten, umkreisten sie sich, wobei diese Drehung auf das neu entstandene Schwarze Loch überging.

Ob diese Erklärungen, die auf der Analyse der Gravitationswelle GW231123 basieren, sich endgültig bestätigen lassen, ist noch unklar. «Es wird Jahre dauern, bis die Fachwelt dieses komplizierte Signalmuster mit all seinen Auswirkungen vollständig entschlüsselt hat», erklärt Gregorio Carullo, Assistenzprofessor an der Universität Birmingham. «Obwohl die wahrscheinlichste Erklärung nach wie vor eine Verschmelzung von Schwarzen Löchern ist, könnten komplexere Szenarien der Schlüssel zur Entschlüsselung der unerwarteten Merkmale sein. Spannende Zeiten liegen vor uns!» (dhr)

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23 Kommentare
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MrXanyde
17.07.2025 20:36registriert Dezember 2016
Zu diesen Themen empfehle ich wärmstens Terra X mit Harald Lesch, gibt immer wieder phänomenale Videos😋
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