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Coronavirus: Studie zur Sterblichkeit sorgt für Wirbel

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Ein Covid-Patient auf der Intensivstation in Prag.Bild: keystone

Wie tödlich ist das Coronavirus wirklich? Neue Studie sorgt für Wirbel

Eine Metastudie von Dr. John Ioannidis sorgt für Aufsehen. Der Epidemiologe von der Universität Stanford schreibt, die Sterblichkeit des Coronavirus sei tiefer als bisher angenommen. Doch es gibt Kritik an der Studie.
19.10.2020, 16:3720.10.2020, 12:31
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Was sagt die Studie?

Eine Studie sorgt für Aufsehen. Der renommierte US-Forscher John Ioannidis hat Resultate veröffentlicht, wonach die Tödlichkeit des Coronavirus weniger hoch sein könnte, als bisher angenommen.

In einer Metastudie, welche die WHO vor wenigen Tagen in ihrem Bulletin veröffentlicht hat, kommt Ioannidis zum Schluss, dass gerade mal eine von 2000 gesunden Personen, die jünger als 70 ist, wegen Covid-19 ums Leben kommt.

Weiter schreibt er, dass die Sterblichkeit über alle Altersgruppen gesehen im Median bei 0,27 Prozent liegt. Das heisst bei 50 Prozent der Studien lag die Mortalität bei weniger als 0,27 Prozent, bei 50 Prozent darüber.

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In den 61 berücksichtigten Studien wurden Bluttests gemacht und geprüft, ob die untersuchten Personen Antikörper haben. Somit lässt sich die sogenannte «Infection Fatality Rate» (IFR) ermitteln. Sprich: Wie viel Prozent der Leute mit einer Corona-Infektion ums Leben kommen. Diese ist zu unterscheiden mit der «Case Fatality Rate» (CFR), bei der nur die bekannten Corona-Fälle berücksichtigt werden. Die unentdeckten Corona-Fälle fallen bei der CFR nicht ins Gewicht.

Der Studienautor kommt zum Schluss, dass die IFR «dazu tendiert, viel tiefer zu sein als früher angenommen.» Gleichzeitig hält er aber auch fest, dass die Sterblichkeit von Covid-19 von Ort zu Ort stark variiert und die Altersstruktur der Bevölkerung eine wichtige Rolle spielt. Mehr als doppelt so hoch schätzt momentan die WHO die Sterblichkeit des Coronavirus ein, sie geht von einer IFR von 0,6 Prozent aus, welche im Alter aber deutlich ansteigt.

Gibt es Kritik?

Ionnaidis' Studie wird nun von vielen zitiert, welche behaupten, das Coronavirus sei gar nicht so tödlich und die Massnahmen gegen die Verbreitung seien übertrieben. Doch an der Studie gibt es erhebliche Kritik. Zunächst ist es schwierig, überhaupt eine Sterblichkeitsrate aufgrund von Antikörpern zu ermitteln. Expertinnen und Experten mahnen zur Vorsicht zu Studien mit Antikörpern, da sich diese in den Wochen und Monaten nach einer Infektion wieder abbauen können. Es gibt zudem Studien, wonach Patienten mit einem milden Verlauf kaum oder keine Antikörper aufweisen.

Der Epidemiologe, Gideon Meyerowitz-Katz, hat in mehreren Twitter-Threads, die Publikation von Ionaidis kritisiert. Meyerowitz-Katz, der selber zur IFR geforscht hat, schreibt, dass Ionnaidis seine Studie falsch zitiert habe. Es gebe auch sonst «klare Fehler mit den Zahlen». Meyerowitz-Katz liefert konkrete Beispiele: An einem Ort schrieb Ionnaidis 44 statt 47 Prozent, an einem anderen Ort rechnete er fälschlicherweise mit 0,6 anstatt mit 3,9 Prozent.

Zudem seien viele Studien aus Ländern berücksichtigt worden, wo ziemlich sicher nicht alle Covid-Todesfälle registriert worden seien. Etwa in Indien.

Der mit Abstand grösste Fehler der Studie sei aber, dass Ionnaidis mit «eindeutig ungeeignete Stichproben» gearbeitet habe, so Meyerowitz-Katz. So wurden mindestens zwei Studien innerhalb einer Firma durchgeführt, was nicht repräsentativ für die Bevölkerung ist. «Dies ist ein grundlegender Fehler in der Studie, und wirklich so etwas wie ein grundlegender epidemiologischer Fehler», so das Fazit von Meyerowitz-Katz.

Was bedeutet eine Publikation der WHO?

Obschon die Studie also Mängel aufweist, wurde sie von der WHO im Bulletin veröffentlicht. Das heisst jedoch nicht, dass die WHO die Ansichten von Ionnaidis auch teilt.

Die WHO schreibt: «Das Bulletin der Weltgesundheitsorganisation wurde von der WHO als ein Forum für Experten im Bereich der öffentlichen Gesundheit geschaffen, um ihre Ergebnisse zu veröffentlichen, ihre Ansichten zu äussern und ein breiteres Publikum für kritische Fragen der öffentlichen Gesundheit zu gewinnen. Folglich entsprechen die von den Verfassern auf diesen Seiten geäusserten Ansichten nicht unbedingt den Ansichten der WHO.»

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Video: watson/Emily Engkent

Ist das Coronavirus jetzt tödlicher als die Grippe?

Die Sterblichkeit der saisonalen Grippe beträgt gemäss WHO weniger als 0,1 Prozent. Dies hange aber immer stark davon ab, wie gut die Gesundheitsversorgung ist. Beim Coronavirus schätzt die WHO Mortalität derweil auf 0,6 Prozent. Gesichert ist dieser Wert aufgrund mangelnder Daten und Studien jedoch noch nicht.

Bis man die wirkliche «Infection Fatality Rate» (IFR) des Coronavirus wisse, brauche es noch einige Zeit, schreibt die WHO. Sicher scheint: Auch nach der Studie von Ionnaidis bleibt vorerst ungeklärt, wie hoch die Mortalität des Coronavirus wirklich ist. (cma)

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203 Kommentare
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GenerationY
19.10.2020 16:53registriert Dezember 2017
„ Expertinnen und Experten mahnen zur Vorsicht zu Studien mit Antikörpern, da sich diese in den Wochen und Monaten nach einer Infektion wieder abbauen können.„

Im diesem Fall würde sich somit die IFR noch weiter reduzieren und das Virus wäre noch harmloser. Wieso wird das hier als Kritikpunkt aufgefasst?
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Kaspar Floigen
19.10.2020 20:07registriert Mai 2015
Kritik von Kollegen ist Teil des wissenschaftlichen Prozesses. Das Peer-Review via Twitter zu machen hat aber keine Klasse und sollte bloss nicht zur Norm werden.
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Adi E.
19.10.2020 17:12registriert März 2015
Natürlich muss watson gleich den Faktenchecker einschalten, wenn mal der Ausgang einer Studie nicht wie gewünscht verläuft. Was ist eigentlich falsch daran auch in der heutigen Zeit "Good News" zu bringen? Vielleicht ist es ja wirklich so und die Sterblichkeit ist tiefer als angenommen. Aber das gibt halt im Moment keine gute Schlagzeile.
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