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Kai-Diekmann-Portät: Europas mächtigster Medienmann tritt ab

Diekmann, der Freischwimmer – Europas mächtigster Medienmann tritt ab

Gefeiert, gefürchtet und gehasst: Kai Diekmann war 15 Jahre der Chef der «Bild». Mal wurde sein Auto abgefackelt, mal hat er einen Bundespräsidenten zu Fall gebracht. Ende Januar tritt er als Herausgeber der grössten europäischen Zeitung ab. Wer ist dieser Machtmensch, der Deutschlands Medienlandschaft prägte?
07.01.2017, 10:1209.01.2017, 09:14
Philipp Dahm
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1945 – die totale Niederlage. Deutschland liegt in Trümmern, die Denazifizierung beginnt. Wem soll die englische Besatzungsmacht die Lizenz zum Drucken geben? Die Wahl fällt auf den Hamburger Verlegersohn Axel Springer, der 1952 eine Zeitung gründet, die die Bundesrepublik prägen wird: die «Bild».

Die Zeitung wird nicht nur zur grössten in Europa, sie rangiert 2005 auf Platz sechs der weltweiten Top Ten. Und avanciert zum Königsmacher (wie zum Königsmörder): «Wer mit der ‹Bild› im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten», umschrieb es der frühere Axel-Springer-Grande Mathias Döpfner. Kai Diekmann, der 2001 Chefredaktor der Zeitung wird, sagt es in der Schweiz am Sonntag so: «Die ‹Bild› ist die lauteste Posaune im deutschen Medienmarkt.»

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1967 formuliert Axel Springer Grundsätze für seinen Verlag, dem mittlerweile Zeitschriften wie «Hörzu» und neben «Bild» Zeitungen wie das «Hamburger Abendblatt», «Welt», B.Z. (Berliner Zeitung) und die «Berliner Morgenpost» gehören. Diese Eckpfeiler, die für alle Mitarbeiter verpflichtend sind, lauten:

  • Erhaltung des freiheitlichen Rechtsstaates
  • Aussöhnung mit Israel
  • Freundschaft mit den USA
  • Ablehnung von Totalitarismus
  • Verteidigung der sozialen Marktwirtschaft

Kai Diekmann, der Karriere-Journalist

Der Mann, der im bewegten Jahr 2001 das Ruder des mächtigen Axel-Springer-Flaggschiffs «Bild» übernimmt, wäre ganz nach dem Gusto des 16 Jahre vorher verstorbenen Verlegers gewesen. Kai Diekmann ist quasi die Personifizierung der fünf Springer-Grundsätze – und er ist ein Aufsteiger, wie sein CV eindrucksvoll beweist.

Kai Diekmann hat einen (Lebens-) Lauf.
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Früher der Strebertyp: Kai Diekmann (2007).Bild: AP

Auf den ersten Blick wird deutlich: Der Baden-Württemberger hat schon in jungen Jahren die Karriereleiter im Eiltempo erklommen. Das war möglich, weil Diekmann die Prinzipien des Axel Springer verinnerlicht hat. 1995 wird er in das «Young-Leaders-Programm» des Think Tanks «Atlantik-Brücke» aufgenommen: Das Elite-Netzwerk hat sich der Freundschaft zu Amerika verschrieben.

Im selben Jahr heiratet er die Verlegertochter Jonica Jahr, deren Vater mit Axel Springer nach Kriegsende Geschäfte gemacht hat. Letztgenanntem hätte daneben nicht zuletzt der klar konservative Kurs des Kai Diekmann gefallen. Das passt zu einem konservativen Schweizer Kollegen: «Ich habe Roger Köppel sehr gemocht, weil er total unorthodox war, immer gegen den Strich gebürstet hat», sagt Diekmann der Schweiz am Sonntag. Und über dessen «Weltwoche»-Cover 2016: «Als ich den ‹Schweizer des Jahres› gesehen habe, da war ich schon beeindruckt.»

Der israelische Ministerpraesident Benjamin Netanjahu, links, und Bild-Chefredakteur Kai Diekmann sehen sich am Donnerstag, 27. August 2009, in Berlin die zuvor uebergebenen Originalskizzen des Konzen ...
Stichwort Freundschaft zum jüdischen Volk: Diekmann übergibt Israels Premier Benjamin Netanjahu 2009 die Baupläne des KZs Auschwitz.Bild: AP POOL DPA

Kai Diekmann, der Machtmensch

Die Macht dieses Mannes zeigt sich nicht zuletzt durch seine mächtigen Freunde:  Als der «Bild»-Chef 2002 zum zweiten Mal heiratet, ist Helmut Kohl sein Trauzeuge. Über den Altkanzler hat Diekmann eine Biographie geschrieben, und der bedankte sich mit einem freundlichen Vorwort in Diekmanns Bildband «Die Mauer». Und als Kohl wiederum erneut vor den Altar tritt, revanchiert sich der «Bild»-Chef 2008 als Trauzeuge – zusammen mit dem Medienmogul Leo Kirch.

Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU, M.) erhaelt am Dienstag (09.08.11) vor seinem Wohnhaus in Ludwigshafen - Oggersheim neben seiner Frau Maike Kohl-Richter ein Originalstueck der Berliner Mauer von &q ...
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Bundeskanzler Gerhard Schroeder, zweiter von links, CDU/CSU-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber, zweiter von rechts, Herausgeber und Chefredakteur der Bild-Zeitung Kai Diekmann, links, und der Chefredaktue ...
Freund der Mächtigen: Diekmann 2002 mit Gerhard Schröder und Edmund Stoiber.Bild: AP BAMS

Auch wenn der Journalist hintenrum durch sein Blatt konservative Politik macht und ihn die Doppelrolle seines rechtslastigen Ex-Kollegen Roger Köppel «beeindruckt», spielt er offiziell den Neutralen – unter anderem mit Verweis auf das enge Verhältnis der «Bild» zu SPD-Kanzler Schröder. Der sagte 1999 gar populistisch: «Zum Regieren brauche ich nur ‹Bild›, ‹BamS› [(Bild am Sonntag)] und Glotze.»

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Wulff – messed with the wrong guy.Bild: AP

Doch der Freund der Mächtigen kann auch ihr Totengräber sein. Sich mit den Politikern anzulegen, gehöre zu «einem funktionierenden Staatswesen», positioniert sich Diekmann in einem FAZ-Interview 2005. Das bekommt Jahre später der formal ranghöchste Deutsche zu spüren: 2012 bringt der «Bild»-Boss mit Christian Wulff einen Bundespräsidenten zu Fall, der sich nicht entblödet hat, dem Chefredaktor auf der Mailbox eine Drohung wegen der Berichterstattung zu hinterlassen.

Die Macht der «Bild» im digitalen Wandel

Bei aller Macht muss aber auch ein Kai Diekmann ohnmächtig mitansehen, wie eine rasante Umwälzung seine Branche erfasst und durcheinanderwirbelt: Das Internet mischt den Zeitungen- und Zeitschriften-Markt auf, die Digitalisierung degeneriert das Geschäft der Verlage von Grund auf. 

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Kai Diekmann 2011.Bild: EPA

Das bekommt auch die «Bild» zu spüren: In Diekmanns Ägide sinkt die Auflage von 5,1 Millionen Exemplaren Anfang 2001 auf knapp 1,9 Millionen anno 2016. «Nur weil kaum mehr Schallplatten gekauft werden, heisst das ja auch nicht, dass nur noch schlechte Lieder gesungen werden», erklärt der Erfolgsmensch diesen Misserfolg. Und tritt die Flucht nach vorn an: Nach dem Wirbel um Präsident Wulff geht er 2012 ins Silicon Valley, wo die Quelle der Welle liegt, die seinen Verlag erfasst hat. 

Dort «stossen zwei Welten zusammen», schreibt ein Spiegel-Reporter, der ihn in den USA trifft, «die eine, aus der er gekommen ist, die andere, in die er sich hineinbewegt.» Der Zeitungsmann entdeckt digital: «Zeig mir deine Apps, und ich sage dir, wer du bist», sagt er dem Besucher. Diekmann hat 150 davon auf seinem iPhone. Und Ideen für neue hat er auch ...

Eine App etwa, mit der man Essen fotografiert, und die einem die Kalorien des Mahls ausrechnet. Oder eine Uhr, mit der man telefonieren kann – obwohl das Gerücht herumgeht, Apple plane sowas auch. Ein Bezahlmodell für Bild.de einführen, während gleichzeitig Gratis-Seiten gegründet werden, die den Leser zum Autor machen – und dem Verlag so viel Geld einsparen.

«Sie müssen mir auf Twitter folgen», sagt Diekmann dem Reporter noch. Damals hat er 5400 Follwer. Nach der Visite beim wichtigsten Journalisten Europas ist der «Spiegel» überzeugt, dass Verlage wie Axel Springer zukünftig durch eine Mischung aus «Masse, Spass, Geschwindigkeit und Preis» ihr Geld verdienen würden: Nun komme es bloss noch darauf an, «Leute zu kennen, die alles gleichzeitig beherrschen».

Der Wandel des Kai Diekmann

«Der Lehrling» («Spiegel») aus dem Silicon Valley lernt schnell. «Ich bin ein Viner der ersten Stunde», sagt Diekmann im Frühjahr 2013, und er schwärmt im Interview von Tinder und Snapchat – diese Apps hat hierzulande damals noch keiner auf dem Zettel.

ARCHIV - Kai Diekmann, damals Chef der "Bild"-Zeitung, spricht am 07.06.2012 in seinem Buero in Berlin. (zu dpa "Kai Diekmann verlaesst Medienhaus Axel Springer" vom 30.12.2016) (K ...
Kai Diekmann 2016.Bild: dpa

Und während die Auflage der «Bild» Zeitung sinkt, steigt die Reichweite von Bild.de – von 4,3 Millionen Unique User im Jahr 2007 auf 18,6 Millionen anno 2015. Heute weiss der Medienprofi: «Digitalisierung ist Entmaterialisierung und Information ist heute zu jedem Zeitpunkt an jedem Ort verfügbar.»

Auch privat verändert sich der vierfache Vater in den USA: Noch 2002 scheitert er mit einem Penis-Prozess gegen die linke Zeitung «taz», und 2005 bekundet Diekmann im FAZ-Interview: «Wenn ich einen Beliebtheitswettbewerb gewinnen wollte, wäre ich am falschen Platz.» Zwei Jahre später brennen Hamburger Autonome sein Auto ab.

Heute ist er ein anderer: 2015 nehmen seine Frau und er eine Flüchtlingsfamilie auf, die ihnen im türkischen Bodrum begegnet ist. Erst wollte er seine Kinder vor den Syrern schützen. «Wir haben dann als Familie festgestellt, dass die Reaktion falsch war», erinnert sich Diekmann später an die Szene. Früher hätte das Alphatier sowas alleine entschieden.

Kai Diekmann, Chefredakteur der Bild-Zeitung, und seine Frau Katja Kessler posieren am Donnerstag,11. Mai 2006, in Hamburg bei der Verleihung des Medienpreises "Die Goldene Feder 2006". (AP  ...
Auch optischer Wandel: Diekmann mit seiner zweiten Ehefrau Katja Kessler anno 2006 ...Bild: AP
epa03981310 Editor in chief of German mass circulation newspaper 'Bild', Kai Diekmann (L), and his wife Katja Kessler arrive for the charity gala 'Ein Herz fuer Kinder' (lit: A Hea ...
... und hier 2013 nach seiner Rückkehr aus Palo Alto.Bild: EPA

Noch ein Beispiel: 2005 spricht Diekmann in der FAZ über «Wir sind Papst» – seine wohl berühmteste «Bild»-Schlagzeile.

«Das ist unser Anliegen: zu dokumentieren, was die Menschen beschäftigt, was sie emotional umtreibt. ‹Bild› ist, um es mit einer Metapher aus der eher linken Ecke zu formulieren, die gedruckte Barrikade der Strasse. Das ist ihre Macht.»
Auf einer von der 'Bild'-Zeitung zur Verfuegung gestellten Aufnahme ueberreicht BILD-Chefredakteur Kai Diekmann am Montag, 22. November 2004, Papst Johannes Paul II. im Vatikan die "Vol ...
Guck mal, dein Nachfolger ist einer von uns: der Deutsche mit Papst Johannes Paul II. 2004 im Vatikan.Bild: AP BILD ZEITUNG

2016 klingt das in der «Schweiz am Sonntag» deutlich differenzierter:

«Diese Schlagzeile war in der Redaktion sehr umstritten, eine Reihe von Kollegen fand sie zu nationalistisch. Ich habe dann etwas gemacht, was ich vorher und nachher nie mehr gemacht habe. Ich habe zwei meiner Vorgänger angerufen und um Rat gefragt.»
ARCHIV - «Bild»-Herausgeber Kai Diekmann verfolgt am 30.05.2016 die Diskussionsrunde "Presse - die vierte Gewalt im Staate?" der Veranstaltungsreihe "Parlamentsleben" im niedersäch ...
Kai Diekmann 2016.Bild: DPA dpa
Medien

Fast schon nachdenklich ist gar diese Aussage:

«Es werden immer wieder Geschichten völlig zu Recht kritisiert. Weil man manchmal eines Besseren belehrt wird, was den Wahrheitsgehalt einer Geschichte angeht, oder weil man jemanden unnötig verletzt hat.»
Deutschland

Axel Springer war gestern: Das Silicon Valley scheint den Deutschen wachgeküsst zu haben. Die Welle, die den Journalismus umwälzt, ist seine Taufe: Er muss sich nicht mehr freischwimmen, er reitet jetzt die Welle. Heute hat der Mann 146'000 Twitter-Follower, die Schwimmflügel der «Bild» braucht er nicht mehr. Und der Leser darf darauf gespannt sein, wo dieser Kai Diekmann wieder auftauchen wird.

Viel Feind, viel Ehr': So sieht die aktuelle Ausgabe der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit aus.
Viel Feind, viel Ehr': So sieht die aktuelle Ausgabe der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit aus.

Nachtrag: Der Spiegel macht am 6. Januar öffentlich, dass eine Mitarbeiterin Kai Diekmann sexuelle Belästigung vorwirft. Dieser bestreitet das, die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt gegen den Journalisten. Laut Berliner Tagesspiegel hat Diekmanns Springer-Demission mit der Causa nichts zu tun.

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6 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Max Cherry
07.01.2017 12:27registriert November 2016
Ein Wichtigtuer und peinlicher Zeitgenosse, welcher seinesgleichen sucht. Diekmann würde jeden über die Klippe springen lassen, solange er einen persönlichen Nutzen daraus schlagen kann. Und sei der Nutzen nur etwas Aufmerksamkeit für seine Person.

Auch beim faken von Interviews macht dieser schmierige, intrigante Typ nicht Halt, und labert danach etwas von Satire und man verstehe seinen Humor nicht.

Und dass er keine Gelegenheit auslässt, Israel und Netanjahu in den Hintern zu kriechen, lässt ihn wie ein Hampelmann aussehen. Mit Israel-Fähnchen auf dem Schreibtisch.

Gut, wenn der weg ist.
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