Auf den ersten Blick sieht es aus, als ob sich Hollywood eine zeitgemässe Version von «Frankenstein» ausgedacht hätte: Wissenschaftler haben im Transplantationsinstitut des New Yorker Krankenhauses NYU Langone einem hirntoten Patienten eine genetisch modifizierte Schweineniere eingesetzt. Mit Erfolg: Das Transplantat funktioniert inzwischen schon seit 32 Tagen, wie die Klinik am Mittwoch mitteilte. Das ist länger als bei vergleichbaren Versuchen.
«Diese Arbeit zeigt, dass eine Schweineniere – mit nur einer Genveränderung und ohne experimentelle Medikamente oder Geräte – die Funktion einer menschlichen Niere für mindestens 32 Tage ersetzen kann, ohne abgestossen zu werden», erklärte Klinik-Direktor Robert Montgomery. Der Versuch soll noch einen Monat lang fortgesetzt werden.
Beim Transplantationsversuch handelt es sich nicht um eine morbide Spielerei von gelangweilten Wissenschaftlern. Der Mangel an menschlichen Spenderorganen stellt ein grosses Problem dar: In den USA warten mehr als 103'000 Patienten auf ein Spenderorgan, davon benötigen rund 88'000 eine Niere. Die Wartezeiten belaufen sich mitunter auf mehrere Jahre. Deshalb setzt die Forschung grosse Hoffnungen in die sogenannte Xenotransplantation. Der Begriff steht für die Transplantation von Organen von einer Spezies zur anderen, konkret von Tieren zu Menschen.
Versuche, tierische Organe in den menschlichen Körper einzupflanzen, gibt es schon lange. Das hauptsächliche Problem dabei ist, dass Tierorgane vom menschlichen Körper normalerweise umgehend abgestossen werden. Um das zu verhindern, werden die Tierorgane gentechnisch manipuliert. Daneben besteht aber auch die Gefahr, dass durch die Transplantation eines tierischen Organs Krankheitserreger, etwa Viren, auf den Patienten – und damit womöglich auf die gesamte Menschheit – übertragen werden könnten. Bei Schweinen, selbst wenn sie völlig steril aufgezogen werden, finden sich Dutzende ruhender endogener Retroviren (PERVs, porcine endogenous retroviruses). Ob diese im Menschen aktiviert werden können, ist nicht völlig geklärt.
Zudem bestehen ethische Bedenken, denn bei der Xenotranspantation entstehen Chimären, also Organismen, die lebende Zellen von zwei verschiedenen Spezies enthalten. Besonders in einigen Religionen gibt es starke Vorbehalte gegenüber dem Verfahren, etwa im Judentum oder im Islam, die beide den Verzehr von Schweinefleisch verbieten. Dem stehen theologische Erwägungen gegenüber, wonach die Rettung ansonsten todgeweihter Menschen Priorität habe. Konsequent abgelehnt wird die Xenotransplantation indes von Tierethikern, die jegliche Nutzung von Tieren für menschliche Zwecke verwerfen.
Welche Organe tierischer Herkunft schon menschlichen Patienten eingepflanzt wurden, zeigt diese kurze Übersicht:
Schon ab dem 17. Jahrhundert versuchte man, Patienten mit einer Vielzahl von Leiden Blut verschiedener Tierarten zu transfundieren. Im Juni 1667 führten Jean-Baptiste Denis und der Chirurg Paul Emmerez in Paris die erste Transfusion von Lammblut in einen Menschen durch. Ein paar Wochen später realisierten die Physiologen Edmund King und Richard Lower ebenfalls eine angeblich erfolgreiche Bluttransfusion von Tier zu Mensch, aber nach 1668 verlor dieser riskante Eingriff für fast 150 Jahre an Bedeutung.
Dies völlig zu Recht, denn die Übertragung von ungeeignetem Spenderblut kann schon bei kleinen Mengen eine oft tödliche Immunreaktion auslösen – zumal bei einer Tierblutübertragung. Dass etwa der Patient von Denis überlebte, dürfte daran gelegen haben, dass nur winzige Mengen des Tierbluts überhaupt in dessen Kreislauf gelangten. Vier spätere Transfusionen – auch mit Kälberblut – endeten zum Teil tödlich. Nur mit Glück dürfte auch die 13-jährige Hermine Krüger überlebt haben, die 1873 vom Arzt Oscar Hasse ebenfalls eine Lammblut-Transfusion erhielt. Hasse soll unzählige weitere Tierbluttransfusionen durchgeführt haben.
Im 19. Jahrhundert unternahm man Haut-Transplantationen von zahlreichen Tierarten, besonders aber Fröschen, auf den Menschen – ohne Erfolg. Gleichermassen erfolglos blieben Versuche des französischen Arztes Serge Voronoff, mittels in Scheiben geschnittener und in den Hodensack implantierter Schimpansenhoden alten Männern zu neuer «Lebensfreude» zu verhelfen. Ebenso wenig vermochte Voronoff mit der Transplantation von Affen-Ovarien die Menopause von Patienten zu verhindern.
Erst mit grundlegenden Fortschritten in der Chirurgie im 20. Jahrhundert, die dann in den Sechzigerjahren in der Transplantationsmedizin zu einem enormen Aufschwung führten, rückte die Übertragung von tierischen Organen auf den Menschen erneut vermehrt in den Fokus der Mediziner, vornehmlich aufgrund des Mangels an menschlichen Spenderorganen.
Schon 1905 wagte der französische Chirurg M. Princeteau, ein Pionier der Xenotransplantation, die Transplantation von Segmenten einer Kaninchenniere bei einem Kind. Das Mädchen starb jedoch – nach einer kurzfristigen Besserung – nur 16 Tage nach dem Eingriff. Wenige Jahre später versuchte es der deutsche Chirurg Ernst Unger: Er transplantierte einem Patienten die Niere eines Makaken, eines Altwelt-Affen. Auch dieser Patient starb, lediglich 32 Stunden nach der Operation, an einer Thrombose.
Zu Beginn der Sechzigerjahren kam neuer Schwung in die Xenotransplantation von Nieren, hauptsächlich durch den amerikanischen Chirurgen Keith Reemtsma. Damals standen kaum Spenderorgane zur Verfügung und die Dialyse bei chronischer Niereninsuffizienz war noch nicht gebräuchlich. Reemtsma transplantierte Schimpansennieren bei 13 Patienten. Die Primaten wählte er, weil sie sehr eng mit dem Menschen verwandt sind. Die meisten Transplantationen scheiterten innerhalb von vier bis acht Wochen, meist wegen einer Abstossungsreaktion und in einigen Fällen auch wegen einer Infektion.
Eine Patientin hingegen erholte sich so weit, dass sie in ihren Beruf als Lehrerin zurückkehren konnte. Nach neun Monaten aber brach sie plötzlich zusammen und starb. Die Autopsie ergab keine Anzeichen einer akuten oder chronischen Abstossung – die Schimpansennieren (Reemtstma hatte beide transplantiert) sahen normal aus. Die Todesursache war vermutlich eine akute Elektrolytstörung. Auch der amerikanische Chirurg Thomas Starzl versuchte, Nieren von Primaten – in seinem Fall Paviane – zu verwenden, aber er scheiterte wie Reemtsma, wobei keiner seiner Patienten länger als drei Monate überlebte.
2021 schlossen Ärzte am Transplantations-Institut der New York University – also am selben Ort, an dem nun die Transplantation einer Schweineniere gelungen ist – die Niere eines gentechnisch veränderten Schweins für 54 Stunden an eine hirntote Patientin an. Um die Abstossungsreaktion des menschlichen Körpers zu reduzieren, wurde bei der Operation der Thymus des Schweins zuvor mit dessen Niere verbunden. Das Organ habe «fast sofort» Urin und das Abfallprodukt Kreatinin produziert, sagte Klinik-Direktor Robert Montgomery, der den Eingriff durchgeführt hatte.
Noch vor der ersten erfolgreichen Transplantation eines menschlichen Herzens durch den südafrikanischen Herzchirurgen Christiaan Barnard 1967 gelang dem amerikanischen Chirurgen James Hardy 1964 die erste Xenotransplantation eines Schimpansenherzens. Der Patient, der so krank war, dass er für die Transplantation eines menschlichen Spenderorgans nicht in Frage kam, starb jedoch innerhalb von einer bis anderthalb Stunden. Die Operation zeigte, dass eine solche Transplantation grundsätzlich möglich war, führte aber zu einer heftigen Debatte über die ethische Vertretbarkeit solcher Eingriffe, die Hardy von weiteren Versuchen abhielt.
Der vermutlich bekannteste Versuch einer Herztransplantation vom Tier zum Menschen wurde 1984 vom Chirurgen Leonard Bailey unternommen. Die als «Baby Fae» bekannt gewordene Patientin war ein neugeborenes Mädchen, das aufgrund eines schweren Herzfehlers kaum Überlebenschancen hatte. Da es fast keine Spenderherzen von Babys gab, entschloss sich Bailey, ein Pavianherz zu verpflanzen. Der Eingriff war technisch erfolgreich, doch das Transplantat wurde akut abgestossen und Baby Fae starb 20 Tage nach der Operation.
Die Heftigkeit der Abstossungsreaktion könnte noch durch den Umstand verstärkt worden sein, dass die Blutgruppe des Pavians mit dem Empfänger inkompatibel war. Baileys Vorgehen erregte scharfe Kritik, da er die Abstossungsreaktion trotz des damaligen Forschungsstands massiv unterschätzt hatte. Heute gilt Baileys Transplantationsversuch als Musterbeispiel eines ethisch fragwürdigen, medizinischen Experiments.
Im Januar 2022 erhielt der 57-jährige Amerikaner David Bennett erstmals ein Herz von einem Schwein, dessen Erbgut gentechnisch modifiziert war. Insgesamt waren zehn Gene des Schweins verändert worden, um die Abstossungsreaktion zu minimieren. Bennett überlebte zwei Monate, starb dann aber, nachdem sich sein Zustand rapide verschlechtert hatte.
Die genaue Todesursache ist unklar; eine Abstossungsreaktion war es vermutlich nicht. Vermutet wird, dass das Herz möglicherweise von einem Virus befallen war – dem porcinen Cytomegalievirus (PCMV), das bei Schweinen meist nur eine milde respiratorische Infektion auslöst.
Im Gegensatz zu ganzen Herzen ist die Xenotransplantation bei Herzklappen bereits Standard: Hier kommt Schweinegewebe schon seit Jahrzehnten zum Einsatz. Diese biologischen Klappen, die aus Herzbeuteln von Schweinen oder Rindern gefertigt werden, sind besonders bei Patienten im Kindes- und jungem Erwachsenenalter besser geeignet als mechanische Prothesen, die den Einsatz von sogenannten Blutverdünnern erforderlich machen. Während herkömmliche biologische Klappen rasch degenerieren, sind genmodifizierte Klappen von Schweinen länger haltbar und benötigen keine Blutverdünner.
Der amerikanische Chirurg Thomas Starzl, dem 1967 die weltweit erste erfolgreiche Lebertransplantation gelang, hatte bereits zuvor Xenotransplantationen von Pavianlebern bei jungen Patienten durchgeführt, die indes allesamt misslangen. Er versuchte danach Transplantationen von Schimpansenlebern, scheiterte aber auch damit – die Überlebenszeit der Patienten betrug lediglich maximal zwei Wochen.
In den Neunzigerjahren nahm er seine Versuche mit Pavianlebern wieder auf, nachdem die Zugabe von Tacrolimus das immunsuppressive Arsenal verbessert hatte. Einer der beiden behandelten Patienten überlebte 1992 immerhin 70 Tage lang. Dies genügte freilich nicht, um die Fortsetzung der experimentellen, klinischen Versuche zu rechtfertigen.
Zur Behandlung von Diabetes war schon in den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts tierisches Insulin eingesetzt worden. Die ersten Insulinpräparate wurden aus der Bauchspeicheldrüse von Rindern, später auch von Schweinen, gewonnen. Seit den Achtzigerjahren wurden Tierinsuline durch gentechnisch hergestelltes Humaninsulin und später durch Analoginsuline abgelöst. Insulin ist allerdings nicht ein Organ, sondern ein Hormon.
Diabetiker, die schwer einstellbar sind und mit einer medikamentösen Therapie ihrer Zuckerkrankheit nicht zurechtkommen, könnten von der Transplantation menschlicher, Insulin-produzierender Bauchspeicheldrüsenzellen profitieren – doch diese stehen praktisch in dem benötigten Umfang nicht zur Verfügung. Abhilfe könnte hier die Einpflanzung von tierischen Inselzellen schaffen. Inselzellen bilden die sogenannten Langerhans-Inseln, die in der Bauchspeicheldrüse Insulin produzieren. Da Schweineinsulin sich von Humaninsulin lediglich durch eine Aminosäure unterscheidet und lange erfolgreich zur Behandlung von Diabetikern eingesetzt wurde, erscheint eine Xenotranplantation von Schweine-Inselzellen vielversprechend.
Ein Team um den schwedischen Chirurgen Carl-Gustaf Groth versuchte zu Beginn der Neunzigerjahre erstmals eine Transplantation von Schweineinseln bei Diabetespatienten. Im Blut einiger Patienten konnte porcines – also von den Schweineinseln produziertes – C-Peptid nachgewiesen werden. Dies war ein Indiz dafür, dass einige Inselchen überlebt hatten, doch es konnte kein klinischer Nutzen erzielt werden. Zwischen 2013 und 2017 erhielten zehn Diabetes-Patienten in China Inselzellen von neugeborenen Schweinen. Forschungsteams arbeiten mittlerweile daran, die menschliche Abstossungsreaktion mithilfe genetisch modifizierter Beta-Zellen von Schweinen zu hemmen und den Blutzuckerspiegel zu regulieren – dies indes erst im Tiermodell.
Haut von Tieren kommt bei Patienten mit schwersten Brandverletzungen zum Einsatz. So stammen vom Schwein zum Beispiel Kollagen-Membranen, die in der Gewebe- und Knochenregeneration eingesetzt werden. Seit Mitte der Fünfzigerjahre wird Schweinehaut besonders in China oft zur kurzzeitigen Deckung grosser Wundflächen verwendet. Schweinehaut weist grosse Ähnlichkeit mit menschlicher Haut auf. In Südamerika wurden gute Ergebnisse aber auch mit Frosch- und Schlangenhaut erzielt. Das Transplantat wird vom darunterliegenden Wundbett versorgt: Bereits nach einer Zeit von ungefähr 48 bis 96 Stunden wachsen Kapillaren in das Transplantat ein.
Nach wie vor stellt bei diesem Verfahren aber die Abstossung durch das menschliche Immunsystem ein Problem dar. Transplantate tierischer Herkunft zur temporären Wundabdeckung sind aber ein wichtiges Verfahren in Ländern, in denen aus ethischen Gründen keine menschlichen Transplantate eingepflanzt werden.
An Hornhäuten, deren Erkrankungen eine häufige Ursache von Blindheit darstellen, besteht hoher Bedarf. Allein in Indien benötigen laut Schätzungen rund sieben Millionen Menschen eine Hornhauttransplantation. Doch Spenderorgane sind rar – auf 70 benötigte Spenden kommt meist nur eine verfügbare Hornhaut. Die erste – offenbar erfolglose – Xenotransplantation von Hornhaut eines Schweins an einem Patienten wurde bereits 1838 von Richard Kissam durchgeführt. Dies ist bemerkenswert, denn die erste Hornhaut-Allotransplantation – von Mensch zu Mensch – fand erst 1905 statt, mehr als 65 Jahre später.
Danach gab es bis Anfang der Siebzigerjahre nur selten Versuche der Xenotransplantation von Hornhaut bei Menschen – darunter mit Hornhäuten von Gibbons und Fischen. Mittlerweile zeigen verschiedene Studien, dass neue Therapien ein Allotransplantat – also ein Transplantat von einem menschlichen Spender – für eine erkrankte Hornhaut ersetzen könnten.
So haben Wissenschaftler um Mehrdad Rafat von der schwedischen Universität Linköping kürzlich neue Hornhautimplantate entwickelt, die Erblindeten neue Hoffnung geben. Laut ihrer in der Zeitschrift «Nature Biotechnology» veröffentlichten Pilotstudie erlangten alle 20 Testpersonen nach dem Einsetzen der Biotech-Implantate ihre Sehkraft zurück. Das Ausgangsmaterial dieser Biotech-Implantate ist Schweinehaut, aus der Kollagenmoleküle gewonnen werden. Diese liefern einen robusten, langlebigen und lichtdurchlässigen Stoff, der dem Hauptprotein der menschlichen Hornhaut entspricht.
Embryonale Hirnzellen von Schweinen zur Behandlung der Parkinsonkrankheit wurden schon Ende der Neunzigerjahre vom Neurologen Samuel Ellias an der Harvard Medical School in Boston implantiert. Die Nervenzellen der Tiere sollten sich gemäss Vorstudien gut an das menschliche Gehirn anpassen: Sie nehmen Kontakt mit benachbarten Nervenzellen auf und sind in der Lage, Dopamin zu produzieren – also jenen Botenstoff, an dem es Parkinsonpatienten mangelt. Die Symptome bei den Probanden gingen um durchschnittlich zwanzig Prozent zurück, bei einigen sogar um fünfzig Prozent.
Ein Biotech-Unternehmen aus Neuseeland hat Parkinsonpatienten vor einigen Jahren Hirnzellen aus dem sogenannten Plexus choroideus implantiert, wie das Magazin «Newscientist» berichtet. Diese Neuronen produzieren ein Gemisch von Wachstumsfaktoren und Signalstoffen, das die verbliebenen Dopamin-produzierenden Zellen im Gehirn wieder aufpäppelt. Die Neuronen wurden zum Schutz vor Angriffen von menschlichen Abwehrzellen in eine Kapsel aus Seealgen eingebettet. Poren in diesem Schutzmantel erlauben es den Signalstoffen und Wachstumsfaktoren jedoch, aus der Kapsel auszutreten. Bei vier Patienten, die Anfang der 2010er-Jahre ein solches Hirnzellen-Implantat erhielten, trat eine Besserung der Symptome ein. Da Nervenzellen nur sehr langsam wachsen, vermuten manche Experten allerdings, dass dabei ein Placebo-Effekt wirksam war.
(Mit Material der Nachrichtenagentur SDA.)