Der Weisse Hai – ein furchterregendes Geschöpf, ein Killer, der an der Spitze der Nahrungspyramide steht und kein anderes Tier fürchten muss. Nicht umsonst ist der «Great White» der ikonische Killer in Steven Spielbergs Horror-Klassiker «Jaws» («Der weisse Hai», 1975).
Doch der grösste und gefährlichste Raubfisch der Welt ist nicht immer Jäger – manchmal ist er auch Beute. Carcharodon carcharias hat einen Fressfeind, der ihm den Meister zeigt. Darauf liessen fünf zwischen 2,7 und 4,9 Meter lange Hai-Kadaver schliessen, die dieses Frühjahr an der südafrikanischen Küste angeschwemmt wurden. Die Überreste dieser toten Weissen Haie – es handelte sich um zwei Weibchen und drei Männchen – wiesen seltsame Verletzungen auf: Allen fehlte die Leber, einigen auch das Herz und die Hoden.
Rätselhaft war zudem, dass diese Organe mit nahezu chirurgischer Präzision aus dem Hai-Leib herausgerissen worden waren. Der Killer hatte sich nur gerade diese Leckerbissen geholt und den Rest des Kadavers einfach treiben lassen. Biologen identifizierten den Tatverdächtigen anhand der Bisswunden: Es handelte sich um den Grossen Schwertwal, besser bekannt als Orca.
Orcinus orca ist nicht nur grösser als der Weisse Hai – im Schnitt 9,6 m Länge gegen 6,4 m und 9000 kg gegen 2300 kg –, er ist mit 48 km/h auch noch schneller als der Fisch (45 km/h). Und der Meeressäuger, der in allen Ozeanen der Welt lebt, passt seine Nahrung an die Gegebenheiten seines jeweiligen Lebensraumes an.
Warum aber jagt der Killerwal ein Beutetier, das ihm an Grösse nur wenig nachsteht und dazu noch ziemlich gefährlich ist – und das alles nur für eine Leber? Die Leber eines Hais ist gross; sie macht mindestens fünf Prozent des Gesamtgewichts aus. Das Organ ist ein Schatz an Energie und zudem reich an Ölen, inklusive Squalen – ein Stoff mit antioxidierenden und Cholesterol-regulierenden Eigenschaften.
Nun ist es nicht gerade eine Kleinigkeit, an die Leber eines lebenden Weissen Hais zu kommen. Es scheint, dass sich die Schwertwale eine Besonderheit der Haie zunutze machen: die «tonische Immobilität», eine Muskellähmung. Haie, die in Rückenlage gedreht werden, geraten in eine Art Trance und sind bis zu eine Viertelstunde lang bewegungsunfähig. Möglicherweise handelt es sich dabei um eine Art Paarungsreflex.
Um einen Weissen Hai in diesen wehrlosen Zustand zu versetzen, rammt ihn ein Orca überraschend mit einem gezielten Stoss in die seitliche Bauchregion und dreht ihn so auf den Rücken. Wenn dieser Zustand lange anhält, ertrinkt der Hai, denn alle Haie müssen konstant schwimmen, um sauerstoffreiches Wasser an ihren Kiemen vorbeiströmen zu lassen. Danach können die Schwertwale – Orcas jagen in der Regel im Rudel – die Leber und andere Leckerbissen in aller Ruhe aus dem Hai reissen.
Allerdings haben auch die Weissen Haie gelernt, dass die Orcas gefährliche Fressfeinde sind. Wie Forscher beobachtet haben, machen sich die Haie vor der südafrikanische Küste rar, wenn eine Schule von Schwertwalen in der Gegend aufkreuzt. Sobald die Orcas verschwunden sind, kehren die Haie zurück.
(dhr)
wam23
Max Dick
Überdimensionierte Riesenshrimps aka Reaper