Bei manchen Tieren gehört das gegenseitige Beschnüffeln zum Begrüssungsritual. Nicht so bei Menschen – hier gilt solches Verhalten als höchst unfein. Schlicht undenkbar, beim Vorstellungsgespräch am Personalchef zu riechen. Und doch beschnuppern wir uns bei der Begrüssung, allerdings indirekt und um einiges diskreter als unsere vierbeinigen Gefährten.
Kaum haben wir die Hand unseres Gegenübers geschüttelt, riechen wir an unseren Fingern. Israelische Psychologen haben dieses unbewusste Verhalten mit versteckter Kamera dokumentiert. Ihre These: Einer der Gründe, warum wir einander die Hand geben, besteht darin, den Geruch des anderen zu erkunden.
Die Wissenschaftler des Weizmann-Instituts in Rehovot schüttelten zuerst zehn Versuchspersonen mit einem Gummi-Handschuh die nackte Hand. Danach analysierten sie die Handschuhe chromatographisch auf Geruchsstoffe – und sie wurden fündig: Die Hände der Probanden trugen drei typische soziale Botenstoffe, wie sie auch Hunde, Ratten oder Insekten zur olfaktorischen Kommunikation nutzen. Diese sogenannten Pheromone werden durch einen Händedruck auf die Haut des Gegenübers übertragen.
Als nächstes mussten insgesamt 153 Versuchsteilnehmer jeweils allein in einem Raum auf einer Art Zahnarztstuhl Platz nehmen. Die Psychologen machten ihnen weis, sie müssten noch etwas warten, bis das Experiment beginne – dabei lief bereits eine versteckte Kamera. Drei Minuten später betrat einer der insgesamt 20 Assistenten den Raum und begrüsste die Versuchsperson.
80 der Probanden wurden per Handschlag begrüsst, die restlichen 73 nur verbal mit einem «Guten Tag». Der Assistent erklärte dann jeweils, das Experiment beginne gleich, und verliess das Zimmer wieder. Die Probanden mussten dann weitere drei Minuten warten.
Die Auswertung der heimlich aufgenommenen Videos ergab, dass die Versuchspersonen nach der Begrüssung ihr Gesicht in der Nähe der Nase häufiger mit einer oder beiden Händen berührten. Ein Kontrollexperiment mit Luftstrommessung erbrachte zusätzlich den Nachweis, dass die Probanden tatsächlich an ihren Fingern rochen, wenn sie sie in die Nähe der Nase hielten: Die inhalierte Luftmenge stieg dann auf das Doppelte an.
Aufschlussreich war auch der Befund, dass die Versuchspersonen auf das Geschlecht des Gegenübers reagierten: Bei Personen des gleichen Geschlechts hielten sie ihre Grusshand doppelt so lange in der Nähe der Nase; waren es hingegen Personen des anderen Geschlechts, wurde die linke Hand – also nicht die Grusshand – häufiger beschnuppert.
Für die Forscher zeigt dieser Unterschied, dass wir uns beim gleichen Geschlecht eher für den Geruch des Gegenübers interessieren, während uns beim anderen Geschlecht der Vergleich zwischen dessen Geruch und unserem eigenen wichtig ist.
Sozial-chemische Signale sind nicht nur für die Partnerwahl wichtig; sie können auch Angst verbreiten und die Hirnaktivität in Gruppen beeinflussen. Auch innerhalb des eigenen Geschlechts spielen sie eine wichtige Rolle: Sie synchronisieren beispielsweise nachweislich die weibliche Menstruation. Möglicherweise war es in der Frühzeit der Menschheit von Vorteil, wenn die Frauen einer Gruppe gleichzeitig fruchtbar waren.
«Nagetiere, Hunde und andere Säuger beschnuppern einander normalerweise, und sie beschnüffeln einander während sozialer Interaktionen. Es sieht so aus, dass Menschen im Lauf der Evolution dieses Verhalten beibehalten haben – bloss auf einer unbewussten Ebene», erklärte Versuchsleiter Idan Frumin. (dhr)