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TFA: Wasserwerke schlagen wegen gefährdetem Trinkwasser Alarm

Wasserhahn water tab
80 Prozent des Trinkwassers werden aus Grundwasser gewonnen. Der Rest kommt aus den Schweizer Seen.Bild: shutterstock

Wie gefährdet ist unser Trinkwasser? Wasserwerke schlagen wegen Problemstoff Alarm

Die Entwicklung sei «beängstigend», sagen Wasserversorger: Im Rhein und in Schweizer Seen verbreitet sich die Ewigkeitschemikalie TFA rasant. Was das fürs Trinkwasser bedeutet.
22.05.2025, 22:0022.05.2025, 22:00
Lea Hartmann / ch media
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Roman Wiget sorgt sich ums Schweizer Trinkwasser. Er ist Chef eines Wasserversorgers im Seeland – und hat damit einen Job, der immer herausfordernder wird. Der Grund sind Verunreinigungen des Wassers mit Pestiziden und Chemikalien.

Ein solcher Problemstoff ist die Trifluoressigsäure (TFA). Sie gehört zu den sogenannten Ewigkeitschemikalien, den PFAS – und gelangt grösstenteils als Abbauprodukt von Pestiziden, aber beispielsweise auch von Kältemitteln aus Auto-Klimaanlagen oder Medikamenten ins Wasser.

Neue Messungen zeigen, dass sich die TFA-Konzentration in Schweizer Seen in den vergangenen acht Jahren mindestens verdoppelt hat. Eine ähnliche Entwicklung ist im Rhein zu beobachten. Durchgeführt hat die Messungen die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke Bodensee-Rhein (AWBR), der rund 60 Wasserversorger aus zehn Kantonen sowie aus Deutschland, Frankreich und Liechtenstein angehören.

Wiget, Co-Präsident der Vereinigung, sagt: «Die Entwicklung ist beängstigend.» Ein Fünftel des Wassers, das aus Schweizer Hahnen fliesst, ist Seewasser.

Expertin entwarnt – und warnt gleichzeitig

Laut der Gewässerexpertin Alexandra Kroll ist TFA im Vergleich zu anderen Ewigkeitschemikalien zwar ungiftig. Die Wissenschaftlerin arbeitet am Oekotoxzentrum, das der ETH angehört. Die gemessenen Werte lägen in einem Bereich, «wo man vermutlich im Vergleich zu anderen Verunreinigungen weit weg ist von einem direkten Effekt auf den Menschen und Gewässerorganismen». Im Grundwasser, der wichtigsten Trinkwasserquelle, hat der Bund schon deutlich höhere TFA-Konzentrationen gemessen.

Doch Kroll sagt auch: «Wenn sich die Entwicklung fortsetzt, ist das sehr besorgniserregend.» Und damit sei zu rechnen. Denn die Säure ist sehr mobil und baut sich, anders als die meisten problematischen Stoffe, nach aktuellem Kenntnisstand nicht ab. Zudem gebe es noch viel zu wenige Daten, um Risiken sicher ausschliessen zu können. Im Trinkwasser dürfte TFA bereits vielerorts der Problemstoff mit der höchsten Konzentration sein, sagt Roman Wiget. Auch im Mineralwasser aus dem Laden ist TFA drin.

Wie schädlich ist die Chemikalie?

Derzeit gibt es keinen Höchstwert für TFA im Trinkwasser oder in Gewässern. Das könnte sich aber ändern. Die europäische Lebensmittelbehörde bewertet das Gesundheitsrisiko des Stoffs gerade neu. Anfang 2026 soll das Ergebnis vorliegen. Es wird als wahrscheinlich erachtet, dass die EU TFA als schädlich für die Fortpflanzung einstuft. Man werde auf Basis der Ergebnisse in Absprache mit der EU Massnahmen prüfen, so das zuständige Bundesamt.

Sollte ein Grenzwert gesetzt werden, der tiefer liegt als die aktuellen TFA-Konzentrationen, würde das die Wasserwerke vor grosse Probleme stellen. Denn es gebe derzeit kein finanzierbares Verfahren, um den Stoff aus dem Wasser zu filtern, sagt Roman Wiget.

PFAS-Verbot gefordert

Der Verband der Wasser-, Gas- und Wärmeversorger (SVGW) fordert deshalb schon länger ein Verbot aller PFAS, deren Anwendung nicht absolut notwendig ist. Darunter die Trifluoressigsäure. Zudem pochen die Wasserwerke darauf, dass die Behörden möglichst rasch Schutzzonen rund um Wasserfassungen festlegen. In diesen Bereichen sollen keine oder nur wenige Pestizide eingesetzt werden dürfen.

Auch Gewässerexpertin Alexandra Kroll sagt: «Wir müssen handeln, um zu verhindern, dass die TFA-Konzentration im Wasser ungebremst steigt.»

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61 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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CrispMüesli
23.05.2025 00:29registriert Dezember 2016
Hach zum Glück hat unser intelligentes Völkchen damals in weiser Voraussicht die Trinkwasserinitiative angenommen.

Stellt euch vor, in einem Land ohne diese demokratische Möglichkeit abzustimmen, wären wir einfach dem Willen irgendwelcher gieriger Politiker ausgeliefert gewesen. Heieiei…

Seufz… 🙂
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Silberstreif
23.05.2025 05:44registriert August 2022
Amcor Flexibles hat doch 5000 CHF Strafe bezahlt. Damit können wir doch den Bodensee retten
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Mike Wieland
23.05.2025 05:01registriert Februar 2025
TFA ist v.a. ein Abbauprodukt von Kältemittel, das von undichten Klimaanlagen in den Autos stammt (es ist ein Konstruktionsfehler: undicht sind alle mechanisch angetriebenen Anlagen, jeweils an der Welle des Kompressors). TFA wird dann mit dem Regen aus der Atmosphäre gewaschen, und bereits heute ist fraglich ob Regenwasser noch als Lebensmittel taugt.
Man könnte bessere Klimaanlagen bauen, wenn man wollte (wie bei Kühlschränken: elektrisch angetrieben und somit dicht); oder Kältemittel durch CO2 ersetzen (bei höherem Arbeitsdruck, teurer).
Es kümmert schlicht niemanden: BILLIG ist Trumpf.
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