Der Mensch verändert das Klima. Dieser Befund ist zwar nicht unumstritten, wird aber von der klaren Mehrheit der Klimatologen geteilt. Die anthropogene Veränderung des Klimas ist einer der Gründe dafür, dass manche Wissenschaftler sogar von einem neuen Erdzeitalter sprechen, dem Anthropozän.
Wenn es um menschengemachte klimatische Phänomene geht, richtet sich der Blick allerdings nur selten auf Vorgänge, die sich vor dem Beginn der industriellen Revolution abspielten. Das gilt nicht für eine Studie, die sich mit den Auswirkungen der europäischen Kolonisation Amerikas – lange vor den ersten Dampfmaschinen – auf das globale Klima befasst. Die Forscher des University College London, die ihren Befund in den «Quaternary Science Reviews» veröffentlichten, kommen nämlich zum überraschenden Schluss, dass zu den unabsehbaren Folgen dieses weltgeschichtlichen Vorgangs auch die sogenannte «Kleine Eiszeit» gehört.
Diese Abkühlung des Klimas, die im 15. Jahrhundert einsetzte und bis ins frühe 19. Jahrhundert spürbar blieb, folgte auf die mittelalterliche Warmzeit und wurde durch verstärkte vulkanische Aktivität und – zu einem kleineren Teil – auch durch verringerte Sonneneinstrahlung verursacht. Die Temperatur sank während der Kleinen Eiszeit global um etwa 0,8° C; in manchen europäischen Regionen lag sie sogar um bis zu 2° C niedriger. Dies führte zu Missernten in der Landwirtschaft und als Folge davon zu häufigeren Hungersnöten.
Neben den genannten Faktoren, die diese Abkühlung verursachten, soll laut der erwähnten Studie aber auch das Massensterben verantwortlich sein, das mit Beginn der europäischen Kolonisation des amerikanischen Kontinents einsetzte. Der massive Bevölkerungsrückgang in Nord-, vor allen Dingen aber in Zentral- und Südamerika, führte demnach dazu, dass riesige Gebiete nicht mehr landwirtschaftlich genutzt wurden und daher erneut von Wald überwachsen wurden. Die neu entstandenen Wälder banden in hohem Tempo so viel von dem Treibhausgas CO2 aus der Luft, dass die Temperatur weltweit sank.
Tatsächlich kam es in der einheimischen Bevölkerung nach dem Erscheinen der Europäer im Jahr 1492 zu einem fürchterlichen Aderlass. Die Schätzungen zur Bevölkerungszahl des amerikanischen Doppelkontinents am Ende des 15. Jahrhunderts weichen zwar voneinander ab, die Autoren der Studie gehen von etwa 60 Millionen Einwohnern aus, was ungefähr zehn Prozent der damaligen Weltbevölkerung entsprach. Rund die Hälfte davon lebte in Zentralamerika, ein Viertel im Inkareich.
Hundert Jahre später war die indigene Bevölkerung auf lediglich noch 4 bis 5 Millionen geschrumpft. Lebten um 1500 noch 22 Millionen Einwohner in Mexiko, waren es um 1600 gerade noch knapp 1 Million.
Verursacht wurde diese in absoluten Zahlen grösste demographische Katastrophe der Menschheit durch Kriege, aber auch durch – teilweise organisierte – Verfolgung und Versklavung der Einheimischen. Die mit Abstand bedeutendste Ursache waren indes Krankheiten wie die Masern oder Pocken, die von den Europäern eingeschleppt wurden und gegen die die indigene Bevölkerung kaum über Abwehrkräfte verfügte.
Ein Bevölkerungsrückgang dieses Ausmasses hatte notgedrungen auch Folgen für die landwirtschaftliche Fläche, die in Amerika bewirtschaftet wurde. Gegen 55 Millionen Hektar Anbaufläche – ein Gebiet von der Grösse Frankreichs – lag nun brach und wurde von der Natur zurückerobert. Die Millionen von Bäumen und anderen Pflanzen, die jetzt die Felder überwucherten, zogen so viel CO2 aus der Atmosphäre, dass dies laut der Studie einen deutlichen Rückgang des globalen CO2-Niveaus bewirkte. Dies wiederum führte zu einer durchschnittlichen Abkühlung um 0,15° C im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert.
Hinweise dafür, dass zwischen den beiden Vorgängen – also dem Rückgang der Landnutzung und der CO2-Abnahme – ein Zusammenhang bestehen könnte, fanden die Forscher an einem ganz anderen Ort: in der Antarktis. Eisbohrungen dort zeigen, dass im 16. Jahrhundert plötzlich eine abnorme Abnahme des CO2-Gehalts in der Atmosphäre einsetzte.
Zugleich deuten Untersuchungen auf dem amerikanischen Kontinent aber auch auf Unterschiede in den Kohle- und Pollenlagerstätten hin – vermutlich wurden also weniger Flächen in Brand gesteckt, damit sie wieder landwirtschaftlich genutzt werden konnten. So hatte die Natur dort freie Bahn.
Ed Hawkins, der als Klimatologe an der Reading University wirkt und nicht an der Studie beteiligt war, sagte der BBC, die Wissenschaft gehe davon aus, dass die Kleine Eiszeit durch unterschiedliche Faktoren verursacht wurde. Neben der vulkanischen Aktivität und der zeitweiligen Verminderung der Sonneneinstrahlung nennt er auch Veränderungen in der Landnutzung und den Rückgang des CO2-Gehalts in der Atmosphäre. Die neue Studie zeige, dass der CO2-Rückgang zum Teil durch die Entdeckung Amerikas und den Zusammenbruch der indigenen Bevölkerung verursacht wurde.
Die Verfasser der Studie heben hervor, dass ihre Forschungsergebnisse zeigen, dass der menschliche Einfluss auf das Klima bereits vor der industriellen Revolution begann. Die Klimaerwärmung, die uns heute zu schaffen macht, beruht auf einem gegenteiligen Effekt: Durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe und die Brandrodung von Wäldern gelangt mehr CO2 in die Atmosphäre, als durch das Wachstum der Vegetation wieder gebunden wird.