Der Deppenapostroph, seit Jahrzehnten das i-Tüpfelchen, mit dem sich Kleinveranstalter, Coiffeur- und Krämerläden eine individuelle Note geben, steht für Sprachpuristen wie kaum ein anderes Zeichen für den Niedergang unserer Rechtschreibung.
Es gibt Bewegungen im Internet, die in der Verbreitung dieser aus dem Englischen kommenden Apostrophitis eine nahende Apokalypse vermuten und jede einzelne Verfehlung fotografisch dokumentieren. Politische Parteien und Lebensmittelhersteller riskieren bei einer falschen Apostrophen-Platzierung auf Parteiplakaten und Produkten Shitstorms der Windstärke 12.
Wo man im 21. Jahrhundert beim Anblick eines Gendersternchens Schnappatmung kriegt, hyperventilierte eine bestimmte Bildungsschicht in den 1990ern beim Anblick jedes falsch platzierten Apostrophs – egal, ob es auf einer Speisekarte (Reto's Remoulade) oder im Elternbrief einer Schule stand (Yannick's Eltern) und dort schöne deutsche Wörter zerhäckselte.
Ist ja klar, sagten sich diese Sprachpuristen, als letzte Woche der österreichische «Standard» in einer Glosse behauptete, der Rat für deutsche Rechtschreibung erlaube in seinem am 1.7. in Kraft getretenen neuen Regelwerk offiziell das Apostroph bei Eigennamen, etwa von Lokalen und Institutionen wie Karl's Kühne Gassenschau oder Frida's Coiffeursalon: Wo genügend Deppen sind, die sich über Grammatikregeln selbstbewusst hinwegsetzen, da findet sich irgendwann auch ein gesellschaftlicher Konsens für sprachliche Entgleisungen.
Nun wendet sich dieser Orkan gegen die Sprachpuristen selbst. Denn die harmlose Glosse, auf die es gleich mehrere nachfolgende Medienberichte gab, sagt mehr über die Ignoranz der Kulturelite aus als über die vielen Karls und Fridas, die bis zum heutigen Tag im Unglauben darüber gelassen wurden, dass ihnen die Gralshüter der deutschen Rechtschreibung schon seit Jahrzehnten die Absolution für ihr Apostroph gegeben haben.
Denn: Wühlt man sich durch die Reformen der letzten Jahrzehnte, so stellt man fest, dass der Rat für deutsche Rechtschreibung das Apostroph bei Konstruktionen, die als Eigennamen gedacht sind, schon Mitte der 1990er-Jahre erlaubt hat. Man wollte damit den Eigennamen sichern, der bei einem Verzicht häufig mehrdeutig wird. Als Beispiel firmiert seit 1996 im Regelwerk Carlo's Taverne, die ohne Apostroph auch einem Carlos gehören könnte.
Mit der 2024 angepassten Regelformulierung habe man dieses Anwendungsfeld nochmals spezifizieren wollen, wie die Geschäftsstelle des Rats für deutsche Rechtschreibung auf Anfrage erklärt. Ein Verbot des Genitiv-s habe es einzig zwischen den Jahren 1901 bis 1996 gegeben. Und selbst in dieser Phase setzte sich ein Literat vom Format Thomas Mann über dieses Verbot hinweg – weil ihm das Apostroph gefiel, nicht, weil er ständig Amerikanische Netflix-Serien schaute.
Insofern sollte man die Geschehnisse der letzten Tage tatsächlich als kleine Revolution feiern: Der Deppenapostroph verliert dank einer Zeitungsente endlich seinen Deppenstatus. Deppert bleiben nun diejenigen zurück, die jahrzentelang andere für Deppen hielten. (bzbasel.ch/lyn)
Die Taverne von Carlo: Carlos Taverne
Die Taverne von Carlos: Carlos' Taverne
Carlo's Taverne gehört auch ohne dem Apostroph Carlo, mit gehörte sie Carlos, aber nur dann, wenn es sich hinter dem 's' befindet.
Das Apostroph markiert eigentlich, dass ein 's', 'z' oder 'x' zum Namen und nicht zum Genitiv gehört ;)
Schwimm Kurs, Bus Fahrplan, Schinken Sandwich etc. sieht man nämlich auch immer mehr.
Es steht dort, wo etwas anderes weggelassen wurde.
Aus „geht es?“ wird „geht’s ?“:
Das e wird hier apostrophiert.
Im Französischen gibt es ganze Apostrophie-Orgien:
„Qu‘est-ce que c‘est?“
ist die verkürzte Form von
„Que est-ce que ce est?“
Aber wollen wir das im Deutschen wirklich auch so verkomplizieren?
Hat ursprünglich nichts mit Genitiv zu tun.
Karl‘s Haus ist unnötig kompliziert, weil Karls Haus einfacher ist.
Gerade Deppen sollten sich ihr Leben nicht unnötig schwieriger machen.