Die Pest hat in den vergangenen Jahrhunderten Millionen von Menschenleben gekostet. Auch in Europa wütete sie in mehreren Wellen. Forscher haben nun entdeckt, dass der Erreger nicht nur eingeschleppt wurde, sondern auf dem Kontinent auch überdauert haben könnte.
Darauf deuten Bakteriengene hin, die Forscher in Skeletten aus dem 14. bis 17. Jahrhundert in München und Brandenburg entdeckt haben. Demnach wurde der Erreger – das Bakterium Yersinia pestis – nicht nur wie bekannt immer wieder in Seuchenzügen neu eingeschleppt. Das berichten deutsche Wissenschafter im Fachjournal «PLOS ONE».
«Wir haben in den Zähnen der untersuchten Skelette Erbinformationen des Pesterregers gefunden und den molekularen Fingerabdruck untersucht», sagte Holger Scholz vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Vergleiche zeigten, dass die Erreger aus verschiedenen Pest-Wellen genetisch nahezu identisch waren. Somit könne das Bakterium auch in Europa selbst überlebt haben.
Gemeinsam mit Forschern der Ludwig-Maximilians-Universität und der Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie in München hat der Mikrobiologe 30 Skelette untersucht. Aus 6 davon liess sich das Erbgut der Pestbakterien zu Analysen verwenden.
Damit konnten die Wissenschafter die Pesterreger-Stämme von der Mitte des 14. bis weit ins 17. Jahrhundert hinein vergleichen. Zudem wurden die Ergebnisse mit bereits entzifferten Erreger-Genen anderer Skelette in Europa abgeglichen.
In welchem Wirt der Erreger überlebt hat, ist allerdings nicht bekannt. «Vielleicht waren es Läuse, aber das können wir nicht nachweisen», sagte der Molekularbiologe Scholz.
Pestexperte und Paläogenetiker Johannes Krause von der Universität Tübingen sieht die Ergebnisse seiner Kollegen als spannenden Hinweis darauf, dass es bei der Pest tatsächlich eine europäische Linie gab, die heute aber wieder ausgestorben ist.
«Wir finden das gleiche Muster in einer ähnlichen Studie und kommen auch zu dem Schluss, dass wir in Europa nach dem Schwarzen Tod einen Pest-Stamm haben, der sich daraus entwickelte und über die nächsten Jahrhunderte in Europa existiert hat», sagte Krause. Als Schwarzer Tod wird die mehrjährige Pestepidemie in Europa ab 1347 bezeichnet.
Wissenschafter gehen schon seit Jahrzehnten der Frage nach, warum die Pest über drei Jahrhunderte in Europa existieren und es immer wieder zu grossen Pandemien kommen konnte.
Eine Theorie geht davon aus, dass sie immer wieder über die Handelswege aus Zentralasien eingeschleppt wurde. Eine andere besagt, dass der Pesterreger auch irgendwo in Europa ein Zuhause gefunden und so die Infektionen ausgelöst hat. Beides scheint nun möglich. Weltweit werden weiterhin Pestfälle gemeldet, vor allem aus Afrika. (dhr/sda/dpa)