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Die Hinweise verdichten sich, dass die Ermordung der britischen Abgeordneten Jo Cox einen politischen Hintergrund hat: Der mutmassliche Täter sagte, als er nach seinem Namen gefragt wurde: «Tod den Verrätern, Freiheit für Grossbritannien». Ob und wie die Bluttat die Brexit-Abstimmung beeinflussen wird, ist derzeit kaum abzuschätzen.
Politisch motivierte Morde haben in der Vergangenheit schon oft den Lauf der Geschichte verändert. Die folgende Auswahl beschränkt sich auf die letzten gut 100 Jahre und erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit.
Drei Kugeln töteten am Morgen des 6. Februar 2013 den Gründer der tunesischen Oppositionspartei Al Watad, Chokri Belaïd, als er sein Haus verliess. Der Mord, vermutlich verübt durch Mitglieder der islamistischen Regierungspartei Ennahda, stürzte Tunesien in eine politische Krise: Im ganzen Land kam es zu Unruhen; Demonstranten forderten den Rücktritt der Regierung und verwüsteten Büros der Ennahda.
Der Mord an Belaïd zeigte, dass die Islamisten auch in Tunesien – dem Vorzeigeland des Arabischen Frühlings – ein religiöses Regime durchsetzen wollen, obwohl die Mehrheit der Tunesier säkular eingestellt ist. Bei den Wahlen 2014 wurde die Ennahda als stärkste politische Kraft von der säkularen Partei Nidaa Tounes abgelöst. Da sich diese Ende November 2015 spaltete, ist die Ennahda jedoch wieder die grösste Partei im Parlament.
Kaum war sie aus dem Exil zurück in Pakistan, wurde sie zum Ziel eines verheerenden Selbstmordanschlags – den sie unverletzt überlebte. Doch zwei Monate später, am 27. Dezember 2007, schlugen ihre Feinde erneut zu, und diesmal hatten sie Erfolg: Benazir Bhutto, die Oppositionsführerin, die zum dritten Mal Premierministerin werden wollte, war tot. In mehreren pakistanischen Städten kam es darauf zu Unruhen.
Wer steckte hinter dem Attentat? Während die Regierung die Islamisten beschuldigte, die schon während Bhuttos erster Amtszeit den «heiligen Krieg» gegen sie ausgerufen hatten, bezichtigte Bhuttos Pakistanische Volkspartei (PPP) die Regierung unter General Pervez Musharraf der Tat. Die Parlamentswahlen im Februar darauf gewann Bhuttos Partei; sie stellte den neuen Premierminister und nach Musharrafs Rücktritt auch den Präsidenten – Bhuttos Wittwer Asif Ali Zardari. Doch die neue Regierung übte sich bald in den alten Untugenden: Korruption und Vetternwirtschaft. Aus dem Neuanfang, den Bhutto versprochen hatte, wurde nichts.
Die Mörder des serbischen Ministerpräsidenten waren Profis. Zoran Djindjic wurde am 12. März 2003 von einem Scharfschützen erschossen, der mit einem Präzisionsgewehr ‹Made in Germany› ausgerüstet war. Der tödliche Anschlag wurde von Mitgliedern des Organisierten Verbrechens – dem Zemun-Clan – und der «Roten Barrette» verübt – eine ehemalige Sondereinheit der serbischen Geheimpolizei, die weitgehend unabhängig operierte und an Kriegsverbrechen beteiligt war. Sie wurde nach dem Attentat aufgelöst.
Djindjic war im Oktober 2000 an die Macht gekommen; mit dem Sieg der demokratischen Kräfte unter seiner Führung schien Serbien endlich eine europäische Perspektive zu haben. Djindjics Nachfolger Zivkovic sagte, das Ziel der Mörder sei gewesen, «Serbien in die dunkle Milosevic-Zeit zurückzukatapultieren.» Ein Stück weit gelang ihnen das: Ihr Attentat warf den Balkanstaat um Jahre zurück – das Land blieb auf dem Weg der Demokratisierung und West-Annäherung stecken.
Es war der erste politische Mord in den friedlichen Niederlanden seit Jahrhunderten: Am 6. Mai 2002 erschoss der fanatische Veganer und Tierschützer Volkert van der Graaf den rechtspopulistischen Politiker Pim Fortuyn. Er habe «Muslime schützen» wollen, sagte der Mörder. Nach der Bluttat wurden Stimmen laut, die linke Gegner von Fortuyn beschuldigten, sie hätten den Politiker dämonisiert. Besonders der Sozialdemokrat Marcel van Dam, der Fortuyn einst als «minderwertigen Menschen» bezeichnet hatte, wurde deswegen hart kritisiert.
Das Attentat auf Fortuyn, der offen homosexuell war, hatte nur neun Tage vor den Parlamentswahlen stattgefunden. Fortuyns Partei, Lijst Pim Fortuyn (LPF), fuhr einen überwältigenden Erfolg ein und wurde auf Anhieb Juniorpartner in einer Koalitionsregierung mit den Christdemokraten. Die unerfahrenen LPF-Parlamentarier zerstritten sich aber schnell so gründlich, dass das Kabinett sich schon nach 87 Tagen auflöste. In späteren Wahlen brach die LPF drastisch ein und löste sich Anfang 2008 auf. Ihr Erbe trat die Partij voor de Vrijheid (PVV) von Geert Wilders an.
Vor mehr als 20 Jahren, am 4. November 1995, erschoss der rechtsextreme religiöse Fanatiker Jigal Amir den israelischen Premierminister Jitzchak Rabin. Amir sitzt immer noch im Gefängnis, aber es scheint, dass er sein Ziel erreicht hat: Sein Attentat half wesentlich mit, die bisher wohl grösste Chance auf einen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern zu zerstören.
Rabin hatte gegen den Widerstand der konservativen Likud-Opposition den Oslo-Friedensprozess unter dem Motto «Land gegen Frieden» vorangetrieben. Der ehemalige Generalstabschef und Kriegsheld war über seinen Schatten gesprungen und hatte PLO-Chef Jassir Arafat die Hand geschüttelt. Dafür galt er im Lager der nationalistischen und religiösen Extremisten als Verräter. Mit seiner Ermordung verlor der Friedensprozess entscheidend an Dynamik. Knapp fünf Jahre nach Rabins Tod brach die zweite Intifada aus.
Am 6. April 1994 wurde ein Flugzeug beim Landeanflug auf den Flughafen von Kigali von Boden-Luft-Raketen abgeschossen. An Bord: der ruandische Präsident Juvénal Habyarimana und sein burundischer Amtskollege Cyprien Ntaryamira. Der Tod Habyarimanas war das Startsignal für ein unfassbares Blutbad: Innert 100 Tagen brachten radikale Hutu in Ruanda mindestens 800'000 Menschen um. Die meisten Opfer waren Tutsi, aber auch Hutu, die beim Morden nicht mitmachen wollten, wurden getötet.
Die Hutu-Extremisten hatten den Völkermord geplant. Sie nutzten den Tod Habyarimanas, um ihre Stammesgenossen in Radiosendungen zur blutigen Jagd auf Tutsi aufzustacheln. Die Stammeskonflikte, die spätestens seit der Kolonialzeit zwischen den beiden Ethnien in Ruanda, aber auch im Nachbarland Burundi bestehen, kamen ihnen dabei entgegen. Wer das fatale Attentat verübte, ist bis heute ungeklärt.
33 Schüsse feuerten Beant Singh und Satwant Singh am 31. Oktober 1984 auf Indira Gandhi ab. Die indische Ministerpräsidentin starb im Vorgarten ihres Hauses, erschossen von ihren eigenen Sikh-Leibwächtern. Auf das Attentat folgte eine Welle der Gewalt; tausende von Sikhs wurden im Punjab und in Delhi bei Pogromen getötet. Zahlreiche Sikhs flohen ins Ausland. Im Punjab beruhigte sich die Lage erst in den 90er-Jahren wieder.
Gandhi war ins Visier der militanten Sikhs geraten, weil sie die «Operation Blue Star» befohlen hatte, die im Juni 1984 stattfand: Die indische Armee stürmte das wichtigste Heiligtum der Sikhs, den Goldenen Tempel in Amritsar. Dort hatten sich extremistische Sikhs verschanzt, die einen unabhängigen Staat «Kalistan» forderten. Bei der Erstürmung des Tempels starben 400 Soldaten und laut Augenzeugen 2000 Sikhs; ein Teil des Tempels wurde zerstört.
Seit 1980 war seine phalangistische Kata'ib-Miliz die dominierende Kraft im christlichen Lager des vom Bürgerkrieg zerrissenen Libanon. Zwei Jahre später wurde Bachir Gemayel zum libanesischen Präsidenten gewählt. Doch noch bevor er sein Amt antreten konnte, wurde er am 14. September 1982 durch ein – vermutlich durch den syrischen Geheimdienst organisiertes – Bombenattentat ermordet. Grund für den Anschlag könnte gewesen sein, dass sich Gemayel zwei Wochen vorher mit dem israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin getroffen haben soll, um einen Friedensvertrag vorzubereiten.
Die christlichen Phalangisten nahmen das Attentat zum Anlass, sich an den palästinensischen Flüchtlingen zu rächen, die 1970 in den Libanon gekommen waren und im Bürgerkrieg die muslimischen Milizen unterstützten. Sie überfielen die im Süden Beiruts gelegenen Flüchtlingslager Sabra und Schatila, die von israelischen Truppen umstellt waren. Unter deren Augen richteten die Milizionäre ein Massaker an – sie töteten je nach Schätzung zwischen 500 und 3000 Menschen, darunter auch Frauen und Kinder. Die internationale Empörung richtete sich vor allem gegen Israel, dessen Regierung über die Vorgänge in den Lagern informiert war.
Gerade hatte Robert Kennedy die Vorwahlen in Kalifornien gewonnen und damit seine Chancen deutlich vergrössert, Präsidentschaftskandidat der Demokraten zu werden. Doch daraus wurde nichts: Auf dem Weg zur Pressekonferenz wurde der jüngere Bruder des 1963 ermordeten John F. Kennedy von dem Palästinenser Sirhan Bishara Sirhan angeschossen. Das Motiv des Täters: israelfreundliche Aussagen Kennedys. 25 Stunden nach der Tat erlag Kennedy am 6. Juni 1968 seinen Verletzungen.
Nach dem Tod des Kandidaten mit dem magischen Namen Kennedy schickten die Demokraten den amtierenden Vizepräsidenten Hubert Humphrey ins Rennen um das Weisse Haus. Humphrey verlor knapp gegen den Republikaner Richard Nixon. Ob es Kennedy – der sich erst spät zur Kandidatur entschlossen hatte – gelungen wäre, Humphrey zu überholen und Nixon zu schlagen, ist umstritten. Welchen Verlauf die Weltgeschichte mit dem für US-Verhältnisse eher linken Kennedy im Weissen Haus genommen hätte, darüber kann vollends nur spekuliert werden.
Der deutsche Diplomat und Botschaftssekretär in Paris starb am 9. November 1938. Dass sein Todestag mit dem Datum der sogenannten Reichspogromnacht zusammenfällt, ist kein Zufall – die Nazis nahmen das Attentat des polnischen Juden Herschel Grynszpan auf Ernst Eduard vom Rath zum Vorwand für antijüdische Ausschreitungen, wie man sie in Deutschland seit dem Mittelalter nicht mehr gesehen hatte. Der organisierte Mob zerstörte Synagogen und Friedhöfe, Geschäfte und Wohnungen. Rund 400 Menschen kamen um. Mit diesen Novemberpogromen gingen die Nazis von der Diskriminierung zur physischen Verfolgung der Juden über, die später im Holocaust gipfelte.
Grynszpan, der in Deutschland als Sohn polnischer Juden geboren wurde, hatte vom Rath am 7. November mit fünf Kugeln niedergeschossen; vom Rath starb zwei Tage später. Der 17-Jährige war erzürnt darüber, dass die Nazis im Zuge der «Polenaktion» 17'000 polnische Juden – darunter seine Eltern – nach Polen abgeschoben hatten. Möglicherweise kannten sich Täter und Opfer aber auch aus dem Homosexuellenmilieu: Grynszpan gab jedenfalls in den Verhören an, er sei von vom Rath missbraucht worden.
Vermutlich kein anderes Attentat der Geschichte hat grössere Verheerungen nach sich gezogen und mehr Menschenleben gefordert: Die Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Gattin Sophie am 28. Juni 1914 in Sarajevo löste den Ersten Weltkrieg aus. Österreich-Ungarn benutzte den Politmord zunächst, um das verhasste Serbien zu demütigen, doch die Bündnismechanik der europäischen Mächte machte aus dem Konflikt auf dem Balkan einen Weltenbrand.
Die Attentäter – serbische Nationalisten, die für ein Grossserbien unter Einschluss von Bosnien-Herzegowina kämpften – erreichten letztlich ihr Ziel. Nach vier furchtbaren Kriegsjahren zerbrach die morsche Doppelmonarchie; aus ihren Trümmern entstand neben anderen Staaten auch das Königreich Jugoslawien als Heimat der südslawischen Völkerschaften.