Vergiss Star Trek – wir sind vermutlich allein in der Milchstrasse
In Science-Fiction-Serien wie Star Trek wimmelt es im All nur so von Leben: Zahllose Spezies und Zivilisationen bevölkern die unendlichen Weiten des Weltraums. Im realen Leben hingegen herrscht diesbezüglich ohrenbetäubende Stille. Es wäre schon eine Sensation, wenn Mikroorganismen extraterrestrischer Herkunft entdeckt würden, etwa auf dem Mars. Bis zum Beweis des Gegenteils gilt: Die Erde ist der einzige Planet, auf dem intelligentes Leben existiert.
Wenn es um den Weltraum geht, haben wir es allerdings mit unfassbar grossen Zahlen zu tun: Allein in unserer Milchstrasse gibt es 100 bis 300 Milliarden Sterne, von denen viele von Planeten umkreist werden. Auf den ersten Blick müsste daher die Wahrscheinlichkeit, dass auf einigen dieser Planeten intelligentes Leben existiert, recht hoch sein. Allerdings müssen Planeten mehrere Bedingungen erfüllen, damit komplexes Leben auf ihnen möglich ist – so muss es etwa flüssiges Wasser auf ihnen geben und sie müssen ihren Stern in der sogenannten habitablen Zone umkreisen. Dies reduziert die Anzahl der geeigneten Kandidaten deutlich.
Seltener als bisher angenommen
Ein Team von Astrophysikern um Manuel Scherf und Helmut Lammer vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz hat sich mit einigen Faktoren beschäftigt, die die mögliche Entstehung von intelligentem Leben beeinflussen. Ein von Scherf und Lammer auf dem diesjährigen EPSC–DPS-Meeting in Helsinki präsentiertes Papier kommt zum Schluss: Intelligentes Leben in der Milchstrasse, das eine technologische Zivilisation entwickelt, könnte noch viel seltener sein als bisher vermutet.
Die Astrophysiker haben sich in ihrer Studie auf den Einfluss konzentriert, den das Kohlendioxid (CO₂) und die Plattentektonik – die ständige Verschiebung der Erdplatten – bei der Entstehung von Leben haben. Der CO₂-Gehalt in der irdischen Atmosphäre spiele eine «zentrale Rolle», obwohl diese zu 78 Prozent aus Stickstoff und zu 21 Prozent aus Sauerstoff besteht, während der Anteil von CO₂ lediglich 0,042 Prozent beträgt.
CO₂-Anteil und Plattentektonik
Wenn der CO₂-Anteil hoch ist, verlängert dies laut der Studie die Lebensdauer einer Biosphäre, denn dies stabilisiere den Treibhauseffekt und verhindere, dass die Atmosphäre ins All entweicht. Allerdings dürfe der CO₂-Gehalt nicht zu hoch sein, da es dann zu einem unkontrollierten Treibhauseffekt – wie auf der Venus – oder zu toxischen Verhältnissen kommt.
Der CO₂-Anteil in der Atmosphäre wiederum werde durch die Plattentektonik reguliert. Über den Kohlenstoff-Silikat-Zyklus bindet sie CO₂ aus der Atmosphäre und setzt es wieder frei. Dieses Gleichgewicht sei jedoch endlich, betonen die Forscher: «Mit der Zeit wird immer mehr Kohlendioxid dauerhaft in Gesteinen gebunden, bis schliesslich die Photosynthese zusammenbricht.» Dieser Fall dürfte für die Erde in 200 Millionen bis 1 Milliarde Jahren eintreten.
Zum Vergleich: Es dauerte 4,5 Milliarden Jahre nach Entstehung des Planeten, bis die Spezies Mensch entstand. Wären wir eine halbe Milliarde Jahre später auf der Erde erschienen, wären wir möglicherweise gar nie dazu gekommen, eine Zivilisation zu entwickeln.
Nach den Berechnungen von Scherf und Lammer könnte ein Planet mit einem Anteil von 10 Prozent CO₂ in der Atmosphäre eine Biosphäre rund 4,2 Milliarden Jahre lang erhalten, jedenfalls dann, wenn er sich in der richtigen Entfernung zu einem geeigneten Stern befindet. Wenn der CO₂-Anteil nur 1 Prozent beträgt, verkürzt sich dieser Zeitraum auf maximal 3,1 Milliarden Jahre.
18 Prozent Sauerstoff-Anteil
Überdies spielt auch der Sauerstoffgehalt eine zentrale Rolle: Mindestens 18 Prozent Anteil an der Atmosphäre sind unabdingbar für die Entstehung einer technologischen Zivilisation – unterhalb dieser Schwelle ist offenes Feuer nicht möglich und damit auch keine Metallverarbeitung. Ohnehin kann sich einzig in einer mit genügend Sauerstoff angereicherten Atmosphäre komplexes mehrzelliges Leben entwickeln, da nur Sauerstoff genügend Energie dafür bereitstellt. Die frühe Erdatmosphäre erfüllte diese Anforderungen übrigens nicht – erst die Produktion von Sauerstoff durch die Fotosynthese in Mikroorganismen wie Cyanobakterien ermöglichte dies vor etwa 2,3 Milliarden Jahren.
Ruft man sich in Erinnerung, dass auf der Erde 4,5 Milliarden Jahre bis zur Entwicklung einer technologischen Spezies vergingen, und kombiniert dies mit der möglichen Lebensdauer von Biosphären auf Exoplaneten, führt dies zu einer geringen Wahrscheinlichkeit, dass technologische Zivilisationen aufeinandertreffen. Auf einem Planeten mit einem CO₂-Gehalt von 10 Prozent müsste eine Zivilisation mindestens 280'000 Jahre überdauern, damit überhaupt eine zweite technologische Spezies gleichzeitig in der Milchstrasse existiert. Um zehn Zivilisationen gleichzeitig in der Galaxis zu ermöglichen, müsste deren durchschnittliche Lebensdauer jeweils mehr als 10 Millionen Jahre betragen.
33'000 Lichtjahre entfernt
Obendrein ergeben die Modellrechnungen laut Scherf und Lammer, dass die nächste technologische Zivilisation etwa 33'000 Lichtjahre entfernt sein könnte. Diese Distanz ist grösser als die Entfernung unseres Sonnensystems vom Zentrum der Milchstrasse, die rund 27'000 Lichtjahre beträgt. Selbst wenn eine andere Zivilisation gleichzeitig mit unserer existierte, könnte sie auf der gegenüberliegenden Seite der Galaxis liegen. Solche Distanzen sind ungeheuerlich – nur schon für die Reise zum nächsten bekannten Exoplaneten Proxima Centauri b, der nur etwa 4,2 Lichtjahre entfernt ist, würden unsere aktuell schnellsten Sonden mindestens 40'000 Jahre benötigen.
Die Astrophysiker räumen allerdings ein, dass ihre Berechnungen nicht das gesamte Bild abdecken. Es gebe noch andere Faktoren, die sie nicht berücksichtigen konnten, zum Beispiel wie oft Leben überhaupt entsteht, wie oft sich Fotosynthese entwickelt oder wie oft intelligentes Leben tatsächlich eine technologische Zivilisation entwickelt. Falls für alle diese Faktoren eine hohe Wahrscheinlichkeit vorliegen würde, könnten technologische Zivilisationen häufiger sein, als ihre Berechnungen es vorschlagen. Sollte die Wahrscheinlichkeit bei diesen Faktoren hingegen niedriger sein, wäre ein düstereres Szenario realistischer.
Die Studie befasst sich freilich nur mit der Milchstrasse. Das bedeutet, dass es sogar bei lediglich einer einzigen Zivilisation pro Galaxie im gesamten sichtbaren Universum immer noch Milliarden von möglichen Zivilisationen gäbe. Doch die Entfernungen zwischen den Galaxien spielen in einer ganz anderen Liga als jene innerhalb unserer Galaxis – die nächste grosse Galaxie ist 2,5 Millionen Lichtjahre von der Milchstrasse entfernt. Das bedeutet, dass wir in der Praxis auch dann allein im Universum sind, wenn in unfassbarer Entfernung von uns intelligentes Leben existieren sollte. Vielleicht ist das auch besser so. Wie der Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke einst schrieb:
(dhr)
