«Rien n’est si inconstant que la mode» konstatierte Donneau de Visé, der Gründer der Zeitschrift Mercure galant, in der Ausgabe von 1687. Heute scheint diese Bemerkung zum steten Wandel der Mode selbstverständlich. Zur Zeit des Barock war sie aber neu und wegweisend. In dieser Epoche wurden die Grundsteine gelegt für unser modernes Verständnis der Mode als ein sich wandelndes Phänomen und als Seismograph für gesellschaftliche, soziale und politische Veränderungen. Die Entwicklung der Modepresse und die gezielte Förderung von Frankreichs Textilproduktion unter Ludwig XIV. waren dabei die treibenden Kräfte.
Kostümbücher mit Modedarstellungen kamen bereits im 16. Jahrhundert auf und waren insbesondere in der Renaissance bei Künstlern und Sammlern sehr beliebt. Eines der bekanntesten ist De gli habiti antichi et moderni di diverse parti del mondo (1590) von Cesare Vecellio.
In diesen Büchern wurden Kostüme aus unterschiedlichen Regionen oder Städten vorgestellt. Zusammen mit Innovationen im Kupferstichverfahren bekam das gedruckte Modebild im Barock in Form von Einzelblättern oder Serien und später in ersten Modezeitschriften eine neue Bedeutung. Ludwig XIV. förderte nicht nur die Luxusproduktion, sondern ermöglichte auch deren Verbreitung über die Landesgrenzen hinaus mittels der Modegravur.
So erlebte die französische Modepresse zwischen 1672 und 1710 eine Hochblüte. In der Pariser Rue Saint Jacques wurden hunderte Modebilder in ähnlichem Hochformat gedruckt, mit schwarzer Tinte auf weissem Papier und einem einfachen schwarzen Rahmen. Auf Wunsch der Käuferinnen und Käufer wurden nachträglich zum Teil farbige Handkolorierungen vorgenommen.
Die Modegravuren waren auch als Einzelblätter zu erwerben und wurden weitergegeben, so dass Aktualitäten in der Mode zeitnah, kostengünstig und über Landes- und Standesgrenzen hinweg verbreitet wurden. Zum Verständnis von Mode gehörten neben der Kleidung auch angesagte Gesten und Räume, etwa dem Jardin des Tuileries oder neuesten Interieurs, die jeweils im Hintergrund abgebildet waren.
Bald entwickelten vorausschauende Künstler, Verleger und Händler das erfolgreiche Medium weiter. Henri Bonnart wird zugeschrieben, um 1683 die Idee des sogenannten portrait de cour en modes ins Leben gerufen zu haben. Indem Persönlichkeiten der Oberschicht oder Mitglieder des Hofes mit modischen Gesten und Kleidern in Szene gesetzt wurden, schuf er gewissermassen einen Vorläufer der Celebrity-Culture.
Das Hybrid zwischen Porträt und Modebild lieferte nicht nur modische Neuigkeiten, sondern weckte bei den Leserinnen und Lesern auch den Wunsch sich mit den Persönlichkeiten zu identifizieren und ihnen nachzueifern. Die Modebilder nährten in diesem Sinne das Bedürfnis nach «Sehen und gesehen werden».
Einen Schritt weiter ging Donneau de Visé, der 1672 mit dem Mercure galant eine Zeitschrift ins Leben rief, die über Neuigkeiten in Mode, Kultur und Gesellschaft berichtete. Dem Verständnis von Mode als umfassende Lebensweise entsprechend, beinhaltete die Zeitschrift auch Gedichte und Lieder, Berichte vom Hof und von Schlachten, Theaterkritiken und Arien.
Zum Erfolg der Publikation trug der lockere Stil in Form einer Konversation bei. Der Autor führte eine Art fiktive Korrespondenz und sprach die Leserin direkt an: «Je vous avais promis, Madame, de vous mander toutes les modes nouvelles [...]» las man beispielsweise in der Ausgabe von 1672. Die vom französischen Monarchen geförderte Zeitschrift erschien ab 1677 monatlich und spielte für die Verbreitung neuer Mode eine massgebliche Rolle. Erstmals wurden in einer Zeitschrift detaillierte Beschreibungen von Kleidern, modischen Accessoires und Stoffen publiziert.
Donneau de Visé lancierte zudem die Extraordinaires-Ausgaben mit Modestichen, die bekanntesten wurden von Hofkünstler Jean Bérain gezeichnet und von Jean Lepautre gestochen. Es handelte sich um die ersten Bilder in einer regelmässig erscheinenden Zeitschrift, was wegweisend war für die späteren Modemagazine, die auf der Verbindung von Bild und Text aufbauten. Diese Gravuren gehören zudem – damals wie heute – zu den bedeutendsten Quellen barocker Kleidung, da die präzisen Bilder mit beschreibenden Texten korrespondieren. So sollte etwa im Januar 1678 für die Kopfbedeckung der Frau eine «Cornette fraisée de point de France» gewählt werden.
Der Fokus lag klar auf Material, Farbe und Motive der Stoffe und Accessoires. Während die Schnitte über die Jahre nur leicht variierten, lieferten die Textilien Spielraum für Neuigkeiten. Die globale Herkunft der Stoffe, ihre aufwendige Herstellung und das Seidenzentrum Lyon spielten dabei eine grosse Rolle.
Während die Rohstoffe der Textilien – primär Seiden- und Baumwollgarn – importiert werden mussten, etablierte sich Frankreich unter Finanzminister Jean-Baptiste Colbert und Ludwig XIV. als Zentrum der Stoffherstellung. Lyon stieg durch die strengen Qualitätskontrollen der «Grande Fabrique», einer Art Gilde, zum bedeutendsten Ort der Seidenproduktion auf. Mitte des 17. Jahrhunderts wurden im Rahmen der merkantilistischen und protektionistischen Wirtschaftspolitik zur gezielten Förderung des Seidenstandorts systematisch mehrere Wechsel im Stoffdesign pro Jahr eingeführt.
Zudem lancierte Versailles einen Hofkalender, der vorgab, welche Kleidungsstücke oder Accessoires zu welchem Zeitpunkt im Jahr getragen werden sollten. Dies führte zum einen zu einem Markt, in dem der Zeitpunkt des Verkaufs entscheidend wurde. Zum anderen bedienten und befeuerten die Seidenproduzenten die Nachfrage nach neuen Dessins, Farben und Qualitäten mit einer bisher unbekannten Vielfalt und Virtuosität.
Die Manufakturen in Lyon sowie die Händler und Verkäufer der Stoffe in Paris wurden im Mercure galant wiederum bewusst thematisiert und teilweise namentlich erwähnt, um die Branche zu fördern. Der neue saisonale Rhythmus wurde in der Zeitschrift ausführlich beschrieben, ja die Zeitschrift lebte gewissermassen von diesem raschen Wandel mit immer neuen Aktualitäten. Die Synergie zwischen den innovativen Stoffproduzenten und der Verbreitung der Nouveautés über Bild und Text führte schliesslich zur Etablierung des auf Aktualität beruhenden modernen Modesystems.
Über das Medium der Druckgrafik erreichten die Trends aus Versailles und Paris weite Teile der Bevölkerung in ganz Europa und auch in der Schweiz. Nur ein Bruchteil der Menschen konnte sich die erwähnten Stoffe leisten, doch jede und jeder versuchte sich innerhalb der vorhandenen Möglichkeiten an der aktuellen Mode zu orientieren. Das auf einem saisonalen Rhythmus basierende Modesystem mit seinem Zentrum in Paris hielt sich bis ins 21. Jahrhundert. Heute sollte dieses System im Hinblick auf einen sorgfältigen Umgang mit Ressourcen und nachhaltiger Produktion kritisch hinterfragt werden.