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Würmer und Larven im Gehirn: Was sich alles in unserem Kopf einnistet

Würmer & Larven: Ungeziefer, das sich gerne in unserem Kopf einnistet

29.08.2023, 20:0230.08.2023, 08:06
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Einer Australierin wurde kürzlich ein acht Zentimeter langer Rundwurm aus dem Gehirn entfernt. Es handelte sich dabei um eine Premiere. Noch nie wurde ein Exemplar der Spezies Ophidascaris robertsi in einem Menschen entdeckt.

Dass sich hingegen lebendige Tiere im menschlichen Kopf einnisten, kommt immer wieder vor. Und diese können auch schon mal grösser werden als nur acht Zentimeter.

Die Bandwurmmade

Es lebt. Die «Verletzung» verschob sich um immerhin 5 Zentimeter.
Es lebt. Die «Verletzung» verschob sich um immerhin 5 Zentimeter. Foto: Nagui Antoun

Ein in England lebender Chinese klagte jahrelang über Kopfschmerzen, Krampfanfälle und Gedächtnisstörungen. Vier Jahre lang blieb die Suche nach der Ursache erfolglos. Dann bemerkten die Ärzte 2014 auf MRI-Bildern etwas, was sie als kleine Verletzung des Gehirns diagnostizierten. Das Eigenartige daran: Sie schien zu wandern. In vier Jahren rund fünf Zentimeter von der rechten zur linken Hirnhälfte.

Die darauffolgenden Gewebeproben brachten Klarheit: Bei der «Verletzung» handelte es sich um eine Larve des seltenen Spirometra erinaceieuropaei. Um sich bis zu seinem Endstadium von 75 Zentimeter Länge zu entfalten, benötigt dieser Bandwurm mindestens drei Wirte – einer davon kann auch der Mensch sein. Der Befall von Menschen ist indes selten: Denn nur wer rohe Kaulquappen isst, oder ungenügend gekochte Frösche oder Schlangen, kann sich infizieren. Ebenfalls infektiös kann die Behandlung von offenen Wunden mit Salben aus Frosch- oder Schlangenfleisch sein. Diese kommen laut einer Studie hauptsächlich in China zum Einsatz.

Einmal im menschlichen Körper nistet sich der Parasit bevorzugt in Gehirn und Rückenmark, in den Brüsten oder dem Unterleib ein. Als Folge können die beschriebenen Symptome auftreten – aber auch Erblindung und Lähmungserscheinungen. In einigen Fällen endete die Infektion gar tödlich.

Fliegenmaden in der Nase

Stellvertretend für eine Vielzahl von Myiasis-Fällen soll hier einer aus Indien im Jahr 2014 erwähnt werden. Damals entfernte Dr. Meenesh Juvekar einem Patienten, je nach Quelle soll er 45 oder 55 Jahre alt gewesen sein, 50 Maden aus der Nase. Die bis zu einem Zentimeter langen Parasiten hatten sich bereits tief in einer Nebenhöhle eingenistet. Dort frassen sie sich langsam durch Fleisch und Knochen in Richtung Auge. Ohne Behandlung hätte Erblindung oder gar der Tod gedroht.

Die Fliegenmadenkrankheit Myiasis ist in tropischen Gebieten bei Mensch und Tier nicht selten. Dabei legt eine Fliege ihre Eier nicht nur in Körperöffnungen, sondern auch in offene Wunden oder kleine Verletzungen. Speziell am Jevekar-Fall war, dass er die Endoskop-Aufzeichnungen der zweistündigen Operation auf YouTube veröffentlichte. Zwar wurde das Video später wieder gelöscht, Juvekar begründete damit aber den Trend der Endoskopie-Videos mit. Der Mix aus Ekel und Befreiung, der ihre Betrachtung auslöst, hat eine beachtliche Fangemeinde, und Endoskopie-Videos haben sich als eigenes Genre davon etabliert.

Klicken auf eigene Gefahr: Myiasis ist der Stoff, aus dem Horrorfilme gemacht sind:

Larven des Schweinebandwurms

Der Schweinebandwurm
Der Schweinebandwurmbild: Roberto J. Galindo

Ohne Kaulquappen oder Krötenfleisch kann man sich die Larven des Schweinebandwurms im Gehirn einfangen. Wie auch der Spirometra erinaceieuropaei benötigt der Schweinebandwurm verschiedene Wirte, um sich voll zu entwickeln. Die Krux dabei: Der Parasit hat keinen Nachteil, wenn er den Zwischenwirt massiv schädigt oder gar umbringt. Ein toter Zwischenwirt – etwa ein Reh – wird in der Natur in der Regel gefressen. Der Wurm, der im toten Fleisch nistet, findet so praktischerweise zu seinem Endwirt. Dass sich der Mensch als Zwischenwirt deshalb schlecht eignet, kann der dumme Wurm nicht ahnen.

Der Mensch nimmt die Eier des Schweinebandwurms in der Regel unbemerkt über kleine Mengen infizierten Kots eines Endwirts (Schwein, Mensch) ein. Im Darm schlüpfen aus den Eiern sogenannte Onkosphären. Diese durchdringen die Darmwand, wo sie über die Blutbahn im Körper verteilt werden. Meist setzen sie sich in der Muskulatur fest – aber das Gehirn kann befallen werden. Das nennt sich dann Neurozystizerkose. Am Zielort verwandeln sich die Onkosphären in Larven (sogenannten Finnen). Sterben diese nach einer Zeit wieder ab, kann es zu einer Verkalkung des Gewebes darum kommen. Diese 1–2 Zentimeter grossen «Eier» sind in Röntgenbildern gut erkennbar.

MRI-Aufnahme eines Gehirns mit Neurozystizerkosen.
MRI-Aufnahme eines Gehirns mit Neurozystizerkosen.bild: Centers for Disease Control and Prevention (CDC)

In Europa sind Neurozystizerkosen selten, sie gelten aber weltweit als die häufigste Ursache für strukturelle Epilepsien. Symptome sind Krampfanfälle, Erblindung, erhöhter Hirndruck, Lähmungen und kognitive Beeinträchtigungen. Neurozystizerkosen können aber auch tödlich enden.

Häufiger als die Eier (über Kot), werden die Finnen (oder Zystizerken) über verdorbenes Schweinefleisch eingenommen. Ist dies der Fall, wird der Konsument zum Endwirt, was weniger gefährlich ist.

Ratten-Lungenwürmer

Ein ausgewachsener Ratten-Lungenwurm, der aus der Lunge einer Ratte entfernt wurde. Die schwarze Linie entspricht einem Millimeter.
Ein ausgewachsener Ratten-Lungenwurm, der aus der Lunge einer Ratte entfernt wurde. Die schwarze Linie entspricht einem Millimeter.bild: John F. Lindo, Cecilia Waugh, John Hall et al.

2017 meldete die «Welt» eine Rattenwurmplage auf der Insel Maui auf Hawaii. In zehn Jahren infizierten sich dort 82 Personen mit dem Parasiten. Einige davon überlebten es nicht: «Es war, als würde mir jemand plötzlich mit einer langen Nadel durch eine weiche Stelle oben am Kopf stechen, die er dann weiter hinunterschob Richtung linkes Ohr, dann wieder hoch zur Schläfe und dann von hinten nach vorn hinter mein rechtes Auge», zitierte das Blatt eine Betroffene.

Auch beim Ratten-Lungenwurm setzt sich die Larve im menschlichen Gehirn fest. Die Infizierung geschieht durch den Verzehr eines Nebenwirts – zum Beispiel einer Schnecke, die sich auf einem Salatblatt befindet. Perfid: Auch der Schneckenschleim kann infektiöse Larven enthalten. Wer den Salat wäscht, die Schnecke dabei erwischt, nicht aber sämtliche Reste ihrer Spur, kann sich ebenso infizieren.

Würmer im Auge

Auf seiner Wanderung durch den Körper nistet sich der Loa loa auch im Auge ein. Deshalb heisst der Fadenwurm auch Augenwurm oder Wanderfilarie. Weibliche Exemplare erreichen eine Körperlänge von bis zu sieben Zentimeter. Infektionen kommen vor allem in West- und Zentralafrika vor.

Eine deutsche Touristin fing sich den Wurm 2017 aber in Sri Lanka ein – einen mit der stolzen Grösse von 10 Zentimetern. Gegenüber ihrem Hausarzt klagte sie über einen unsichtbaren Fremdkörper im Auge. Erst die Untersuchung in der Augenklinik der Universität München brachte den Eindringling zum Vorschein. Nach einem kleinen Schnitt konnte der Parasit mit einer Pinzette aus dem Auge der Patientin entfernt werden.

2018 und 2019 sorgten zwei Fälle in den USA für Aufsehen. Innerhalb von kurzer Zeit nisteten sich Würmer der Gattung Thelazia gulosa in den Augen zweier Frauen ein. Dort lösten sie vorübergehende Bindehautentzündungen aus. In beiden Fällen konnten die Patientinnen mehrere Würmer selbst aus den Augen ziehen.

Thelazia gulosa befällt normalerweise nur Rinder. Dort leben sie von der Tränenflüssigkeit der Tiere.

Nicht näher beschriebene Bandwürmer

Sechs Zentimeter lang war der Rundwurm, der einer australischen Patientin kürzlich herausoperiert wurde – zehn, fünfundzwanzig und gar dreissig Zentimeter lang waren die Bandwürmer, die in den Jahren 2017 und 2018 drei verschiedenen Patienten in China aus dem Kopf entfernt wurden. Die Fälle sind weniger gut dokumentiert – nur zum ersten Fall sind Details bekannt.

Das Exemplar mit zehn Zentimetern hatte beim 26-jährigen Betroffenen epileptische Anfälle ausgelöst. Nicht ohne Stolz berichteten die Ärzte des Universitätskrankenhauses der südostchinesischen Stadt Nanchang, dass das Tier noch lebte, als es entfernt wurde: «Der Wurm war ganz weiss und konnte schwimmen», erzählt der behandelnde Arzt Wang Chunliang der «South China Morning Post.

So.

Und jetzt wünschen wir noch «En Guete!» und einen schönen Abend.

So hat Heidi Klum für ihr Halloween-Kostüm «trainiert»

Video: watson/watson
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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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dodo, dodo?
29.08.2023 21:15registriert Mai 2020
Ich weiss jetzt nicht was schlimmer ist: Ärzte die erst nach 4 Jahren, immer wieder MRI machen, eine „wandernde“ Verletzung im Gehirn komisch finden und nicht darauf kommen, es könnte ein Parasit sein.
Oder das Trainings Video mit Heidi Klum, für ihr Kostüm…

Ich bin maximal verstört…
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Zürischnurre
29.08.2023 21:03registriert Februar 2016
Oje.. ich werde wohl niemals halblebende Frösche probieren können. Wie schade.😔

2. Ich werde meinen Salat in Zukunft besser waschen

@Sich Würmer selber aus dem Auge ziehen.. Horrorfilm da bist du.!

Den Rest versuche ich grad zu verdrängen.🔒
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